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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Ein Vorschlag zur Regelung des Apothekenwesens in Deutschland

genötigt sein, den Ärzten das allgemeine Sclbstdispeusierrecht einzuräumen,
was ja von einer Anzahl wiederholt beansprucht worden ist, aber wohl ein
frommer Wunsch bleiben wird. Angenommen nun, die Regierungen würden
so lange Zeit nicht warten Wollen, so würden auch bei höchst mäßiger Ver¬
anschlagung der zu zahlenden Entschädigungen enorme Summen erforderlich
sein, deren Beschaffung von vornherein als aussichtslos zu betrachten sein
dürfte. Die Vorschläge einer Selbstmuortisatiou mit der Bestimmung, daß an
die Erteilung neuer Konzessionen die Berechtigung zu knüpfen sei, von dem
Konzessionär einen Beitrag zu dein Auiortisatiousfouds als Konzessionssteuer
zu erheben, haben zu so großen Schwierigkeiten geführt, daß man sehr bald
wieder davon abgekommen ist. Ohne Entschädigung ist aber die Aufhebung
der verbrieften sowohl wie der durch die Reihe der Jahre sanktionierten Rechte
nicht denkbar, und gesetzt auch, die Mittel zu einer Ablösung würde" beschafft
werdeu können, so dürfte es doch sehr fraglich sein, ob die Regierungen in
das freie Niederlassungsrecht, das doch damit verbunden werden müßte, ein¬
willigen würden. Voraussichtlich würden sie sich ablehnend verhalten, denn
wie wir oben dargethan haben, würde das platte Land sehr bald alle Apo¬
theken verlieren, neue dort zu errichten, wird sich niemand bewogen fühlen,
und dem Publikum würde mit dem freien Niederlassungsrecht nichts weniger
als gedient sein.

Sehen wir nun einmal zurück auf die ersten Berhaudlungeu über eine
Regelung des Apothekeuwesens. Im Jahre 1872 wurde im Reichstage heftig
um die Freigebung des Apothekcrgewerbes, und zwar von einem großen Teile
der Abgeordneten ohne Bewilligung jeglicher Entschädigung gestritten, und die
längst schon von den Gerichten, auf Grund sachverständiger Gutachten, be¬
sonders bei Erbschaftsanseinandersetziingen als müudelsicher anerkannten Gerecht¬
same der Apotheken hingen mit einemmale in der Luft. Wie wenig Inhaber
der ältern privilegierten Apotheken mochten im Vollbesitze ihres Eigentums
sein, wie wenig Besitzer vou Kollzessionen neuerer Zeit mochten den Ankauf
oder die Einrichtungen aus eignen Mitteln bestritten haben. Im Vertrauen
auf die seit Menschengedenken bestehende Ordnung der Dinge waren die Werte
geschaffen, vielfach längst in die Hände ganz Unbeteiligter übergegangen; nun
sollten diese Werte mit einemmale verschwinden. Aber die hochgehenden
Wogen beruhigten sich wieder, als man sich der schweren Verantwortung be¬
wußt wurde, mit einem Schlage eine große Anzahl von Vermögen, den Wohl¬
stand Tausender von Familien zu vernichten -- und es blieb beim alten.

Aus den hartbedrängten Apothekerkreisen fehlte es damals nicht an Vor-
schlägen zur Milderung des Unheils, zur Verhütung des Ruins, der über sie
mlszubrechen drohte. In Nummer 38 des Jahrgangs 1872 der damals in
Bunzlau erscheinenden Pharmazeutischeu Zeitung erlaubte sich auch der Schreiber
dieser Zeile"! in einem lungern Artikel seine Meinung zu äußern und, gegen
den Delbrückscheu Gesetzentwurf, die Umwandlung der Apotheken in Staats-
institute als den allein möglichen Weg zu bezeichnen. Dabei sollten ans Grund


Ein Vorschlag zur Regelung des Apothekenwesens in Deutschland

genötigt sein, den Ärzten das allgemeine Sclbstdispeusierrecht einzuräumen,
was ja von einer Anzahl wiederholt beansprucht worden ist, aber wohl ein
frommer Wunsch bleiben wird. Angenommen nun, die Regierungen würden
so lange Zeit nicht warten Wollen, so würden auch bei höchst mäßiger Ver¬
anschlagung der zu zahlenden Entschädigungen enorme Summen erforderlich
sein, deren Beschaffung von vornherein als aussichtslos zu betrachten sein
dürfte. Die Vorschläge einer Selbstmuortisatiou mit der Bestimmung, daß an
die Erteilung neuer Konzessionen die Berechtigung zu knüpfen sei, von dem
Konzessionär einen Beitrag zu dein Auiortisatiousfouds als Konzessionssteuer
zu erheben, haben zu so großen Schwierigkeiten geführt, daß man sehr bald
wieder davon abgekommen ist. Ohne Entschädigung ist aber die Aufhebung
der verbrieften sowohl wie der durch die Reihe der Jahre sanktionierten Rechte
nicht denkbar, und gesetzt auch, die Mittel zu einer Ablösung würde» beschafft
werdeu können, so dürfte es doch sehr fraglich sein, ob die Regierungen in
das freie Niederlassungsrecht, das doch damit verbunden werden müßte, ein¬
willigen würden. Voraussichtlich würden sie sich ablehnend verhalten, denn
wie wir oben dargethan haben, würde das platte Land sehr bald alle Apo¬
theken verlieren, neue dort zu errichten, wird sich niemand bewogen fühlen,
und dem Publikum würde mit dem freien Niederlassungsrecht nichts weniger
als gedient sein.

Sehen wir nun einmal zurück auf die ersten Berhaudlungeu über eine
Regelung des Apothekeuwesens. Im Jahre 1872 wurde im Reichstage heftig
um die Freigebung des Apothekcrgewerbes, und zwar von einem großen Teile
der Abgeordneten ohne Bewilligung jeglicher Entschädigung gestritten, und die
längst schon von den Gerichten, auf Grund sachverständiger Gutachten, be¬
sonders bei Erbschaftsanseinandersetziingen als müudelsicher anerkannten Gerecht¬
same der Apotheken hingen mit einemmale in der Luft. Wie wenig Inhaber
der ältern privilegierten Apotheken mochten im Vollbesitze ihres Eigentums
sein, wie wenig Besitzer vou Kollzessionen neuerer Zeit mochten den Ankauf
oder die Einrichtungen aus eignen Mitteln bestritten haben. Im Vertrauen
auf die seit Menschengedenken bestehende Ordnung der Dinge waren die Werte
geschaffen, vielfach längst in die Hände ganz Unbeteiligter übergegangen; nun
sollten diese Werte mit einemmale verschwinden. Aber die hochgehenden
Wogen beruhigten sich wieder, als man sich der schweren Verantwortung be¬
wußt wurde, mit einem Schlage eine große Anzahl von Vermögen, den Wohl¬
stand Tausender von Familien zu vernichten — und es blieb beim alten.

Aus den hartbedrängten Apothekerkreisen fehlte es damals nicht an Vor-
schlägen zur Milderung des Unheils, zur Verhütung des Ruins, der über sie
mlszubrechen drohte. In Nummer 38 des Jahrgangs 1872 der damals in
Bunzlau erscheinenden Pharmazeutischeu Zeitung erlaubte sich auch der Schreiber
dieser Zeile»! in einem lungern Artikel seine Meinung zu äußern und, gegen
den Delbrückscheu Gesetzentwurf, die Umwandlung der Apotheken in Staats-
institute als den allein möglichen Weg zu bezeichnen. Dabei sollten ans Grund


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/450>, abgerufen am 04.07.2024.