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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Die deutsche Weltpolitik

Käufer finden, weil sie zu teuer sind, und dem Verfertiger mag es ja recht
schmeichelhaft sein, wenn seine im Schaufenster liegende Arbeit bewundert wird,
aber er kann von der Vewundrung allein nicht leben. Die Bestimmung des
Preises ist eine der schwierigsten geschäftlichen Maßnahmen, Der Weltmarkt
hat die Tendenz, den Preis zu drücken, und es siegt, wer -- bei gleicher
Qualität -- den billigern Preis stellt. Es muß darum das Bestreben der Ex-
Porteure aller Länder sein, die Selbstkosten zu verringern; das geschieht durch
billigen Einkauf der Rohstoffe und dnrch billige Verarbeitungskosten. Diese
werden -- abgesehen von der erhöhten Verwendung und Verbesserung der me¬
chanischen Arbeit -- durch die Löhne bestimmt. Der Preisdruck des Weltmarkts
wirkt also auf den Produzenten zurück, der niedrige Preise stellen muß, er
drückt weiter ans den Preis der Arbeit, den Lohn, und die Empfänger des
Lohnes drücken ihrerseits auf den Preis der Konsumtionsartikel, insonderheit
der Landwirtschaft. Ist diese nicht mehr imstande, ihrerseits die Produktions¬
kosten zu verringern, so vollzieht sich der Druck rückwärts mit hebender Tendenz.
Da nun der Weltmarkt seine Preise nach der allgemeinen Konjunktur bestimmt,
nicht nach der eines einzigen Landes, so prallt der Produzent gegen die harte
Wand des Weltmarkts, gegen die er machtlos ist. Mit ihm leiden seine Ar¬
beiter, die beschäftigungslos werden, wenn ihr Brodgeber keine Aufträge an
sie weiter geben kann. Es liegt also im Interesse der Exportproduzenten, der
Unternehmer wie der Arbeiter, den Preis für die landwirtschaftlichen Produkte
möglichst niedrig zu erhalten. Das zu erreichen, genügt ein einfaches Mittel,
es wird die heimische landwirtschaftliche Produktion derselben Macht preis¬
gegeben, deren Gebot die Exportindustrie gehorchen muß, nämlich dem Welt¬
markt, d. h. die Grenzen werden den, Wettbewerb fremder Landwirtschaft ge¬
öffnet, die zum großen Teil billiger produzieren kann als die deutsche und
darum niedrigere Preise stellen kann. Der heimische Markt für landwirtschaftliche
Produkte muß sich dann dem von der Weltkonkurrenz festgesetzten Preise fügen,
d- h. billiger liefern. Auf diese Weise wird der industrielle Produzent welt¬
marktfähig erhalten. Das ist denn auch geschehn; die Getreidepreise sind durch
Erniedrigung der Zölle in Deutschland beträchtlich gesunken. Die Folge ist,
daß die deutsche Landwirtschaft notleidet, die landwirtschaftliche Produktion
"weht sich nicht mehr bezahlt. Es ist eine berechtigte Notwehr, wenn die
deutschen Landwirte sich gegen diese Not mit allen Mitteln wehren. Auf der
andern Seite suchen die Kreise, die vom industriellen Weltmarkt abhängen,
eine Gefährdung ihrer Interessen durch die Landwirtschaft zu verhüten. Im
Grunde ist dieser Kampf daraus entstanden, daß der sich langsam Neuerungen
""Passende landwirtschaftliche Erwerbsstand von den neuen Wirtschaftsformen
' die der so schnell erblühte Weltmarkt und die Notwendigkeit, daß das über¬
völkerte Deutschland sich ihm anpasse, geschaffen haben -- sich vollkommen
hat überraschen lassen. Es fehlen ihm noch viele Hilfsmittel, das Übergangs¬
stadium zu bewältigen, mit denen sich die andern Erwerbsständc allmählich
modernisiert haben. Da muß der Staat helfen, damit der landwirtschaftliche


Die deutsche Weltpolitik

Käufer finden, weil sie zu teuer sind, und dem Verfertiger mag es ja recht
schmeichelhaft sein, wenn seine im Schaufenster liegende Arbeit bewundert wird,
aber er kann von der Vewundrung allein nicht leben. Die Bestimmung des
Preises ist eine der schwierigsten geschäftlichen Maßnahmen, Der Weltmarkt
hat die Tendenz, den Preis zu drücken, und es siegt, wer — bei gleicher
Qualität — den billigern Preis stellt. Es muß darum das Bestreben der Ex-
Porteure aller Länder sein, die Selbstkosten zu verringern; das geschieht durch
billigen Einkauf der Rohstoffe und dnrch billige Verarbeitungskosten. Diese
werden — abgesehen von der erhöhten Verwendung und Verbesserung der me¬
chanischen Arbeit — durch die Löhne bestimmt. Der Preisdruck des Weltmarkts
wirkt also auf den Produzenten zurück, der niedrige Preise stellen muß, er
drückt weiter ans den Preis der Arbeit, den Lohn, und die Empfänger des
Lohnes drücken ihrerseits auf den Preis der Konsumtionsartikel, insonderheit
der Landwirtschaft. Ist diese nicht mehr imstande, ihrerseits die Produktions¬
kosten zu verringern, so vollzieht sich der Druck rückwärts mit hebender Tendenz.
Da nun der Weltmarkt seine Preise nach der allgemeinen Konjunktur bestimmt,
nicht nach der eines einzigen Landes, so prallt der Produzent gegen die harte
Wand des Weltmarkts, gegen die er machtlos ist. Mit ihm leiden seine Ar¬
beiter, die beschäftigungslos werden, wenn ihr Brodgeber keine Aufträge an
sie weiter geben kann. Es liegt also im Interesse der Exportproduzenten, der
Unternehmer wie der Arbeiter, den Preis für die landwirtschaftlichen Produkte
möglichst niedrig zu erhalten. Das zu erreichen, genügt ein einfaches Mittel,
es wird die heimische landwirtschaftliche Produktion derselben Macht preis¬
gegeben, deren Gebot die Exportindustrie gehorchen muß, nämlich dem Welt¬
markt, d. h. die Grenzen werden den, Wettbewerb fremder Landwirtschaft ge¬
öffnet, die zum großen Teil billiger produzieren kann als die deutsche und
darum niedrigere Preise stellen kann. Der heimische Markt für landwirtschaftliche
Produkte muß sich dann dem von der Weltkonkurrenz festgesetzten Preise fügen,
d- h. billiger liefern. Auf diese Weise wird der industrielle Produzent welt¬
marktfähig erhalten. Das ist denn auch geschehn; die Getreidepreise sind durch
Erniedrigung der Zölle in Deutschland beträchtlich gesunken. Die Folge ist,
daß die deutsche Landwirtschaft notleidet, die landwirtschaftliche Produktion
"weht sich nicht mehr bezahlt. Es ist eine berechtigte Notwehr, wenn die
deutschen Landwirte sich gegen diese Not mit allen Mitteln wehren. Auf der
andern Seite suchen die Kreise, die vom industriellen Weltmarkt abhängen,
eine Gefährdung ihrer Interessen durch die Landwirtschaft zu verhüten. Im
Grunde ist dieser Kampf daraus entstanden, daß der sich langsam Neuerungen
""Passende landwirtschaftliche Erwerbsstand von den neuen Wirtschaftsformen
' die der so schnell erblühte Weltmarkt und die Notwendigkeit, daß das über¬
völkerte Deutschland sich ihm anpasse, geschaffen haben — sich vollkommen
hat überraschen lassen. Es fehlen ihm noch viele Hilfsmittel, das Übergangs¬
stadium zu bewältigen, mit denen sich die andern Erwerbsständc allmählich
modernisiert haben. Da muß der Staat helfen, damit der landwirtschaftliche


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[0335] Die deutsche Weltpolitik Käufer finden, weil sie zu teuer sind, und dem Verfertiger mag es ja recht schmeichelhaft sein, wenn seine im Schaufenster liegende Arbeit bewundert wird, aber er kann von der Vewundrung allein nicht leben. Die Bestimmung des Preises ist eine der schwierigsten geschäftlichen Maßnahmen, Der Weltmarkt hat die Tendenz, den Preis zu drücken, und es siegt, wer — bei gleicher Qualität — den billigern Preis stellt. Es muß darum das Bestreben der Ex- Porteure aller Länder sein, die Selbstkosten zu verringern; das geschieht durch billigen Einkauf der Rohstoffe und dnrch billige Verarbeitungskosten. Diese werden — abgesehen von der erhöhten Verwendung und Verbesserung der me¬ chanischen Arbeit — durch die Löhne bestimmt. Der Preisdruck des Weltmarkts wirkt also auf den Produzenten zurück, der niedrige Preise stellen muß, er drückt weiter ans den Preis der Arbeit, den Lohn, und die Empfänger des Lohnes drücken ihrerseits auf den Preis der Konsumtionsartikel, insonderheit der Landwirtschaft. Ist diese nicht mehr imstande, ihrerseits die Produktions¬ kosten zu verringern, so vollzieht sich der Druck rückwärts mit hebender Tendenz. Da nun der Weltmarkt seine Preise nach der allgemeinen Konjunktur bestimmt, nicht nach der eines einzigen Landes, so prallt der Produzent gegen die harte Wand des Weltmarkts, gegen die er machtlos ist. Mit ihm leiden seine Ar¬ beiter, die beschäftigungslos werden, wenn ihr Brodgeber keine Aufträge an sie weiter geben kann. Es liegt also im Interesse der Exportproduzenten, der Unternehmer wie der Arbeiter, den Preis für die landwirtschaftlichen Produkte möglichst niedrig zu erhalten. Das zu erreichen, genügt ein einfaches Mittel, es wird die heimische landwirtschaftliche Produktion derselben Macht preis¬ gegeben, deren Gebot die Exportindustrie gehorchen muß, nämlich dem Welt¬ markt, d. h. die Grenzen werden den, Wettbewerb fremder Landwirtschaft ge¬ öffnet, die zum großen Teil billiger produzieren kann als die deutsche und darum niedrigere Preise stellen kann. Der heimische Markt für landwirtschaftliche Produkte muß sich dann dem von der Weltkonkurrenz festgesetzten Preise fügen, d- h. billiger liefern. Auf diese Weise wird der industrielle Produzent welt¬ marktfähig erhalten. Das ist denn auch geschehn; die Getreidepreise sind durch Erniedrigung der Zölle in Deutschland beträchtlich gesunken. Die Folge ist, daß die deutsche Landwirtschaft notleidet, die landwirtschaftliche Produktion "weht sich nicht mehr bezahlt. Es ist eine berechtigte Notwehr, wenn die deutschen Landwirte sich gegen diese Not mit allen Mitteln wehren. Auf der andern Seite suchen die Kreise, die vom industriellen Weltmarkt abhängen, eine Gefährdung ihrer Interessen durch die Landwirtschaft zu verhüten. Im Grunde ist dieser Kampf daraus entstanden, daß der sich langsam Neuerungen ""Passende landwirtschaftliche Erwerbsstand von den neuen Wirtschaftsformen ' die der so schnell erblühte Weltmarkt und die Notwendigkeit, daß das über¬ völkerte Deutschland sich ihm anpasse, geschaffen haben — sich vollkommen hat überraschen lassen. Es fehlen ihm noch viele Hilfsmittel, das Übergangs¬ stadium zu bewältigen, mit denen sich die andern Erwerbsständc allmählich modernisiert haben. Da muß der Staat helfen, damit der landwirtschaftliche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/335>, abgerufen am 04.07.2024.