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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Sie deutsche Weltpolitik

dadurch genießbar machen. Solche Bewegungen darf der Wcltpolititer nicht
übersehen, weil sie die Begleiterscheinung wirtschaftlicher Kraftentfaltung zu
sein pflegen. Protestantisch muß die deutsche Weltpolitik sein, protestantisch
d, h, befreiend und versöhnend, wie es christlichem Sinne entspricht, nicht
Päpstisch, d. h, meistens knechtend und versetzend. Und auch der äußerliche
Protestantismus Englands ziemt dem deutschen Volke nicht, nicht diese
frömmelnde "Humanität," die Reiche und Goldbarren zu erwerben trachtet --
und aufs Spiel setzt, sondern der reine Protestantismus in Christi Sinne,
dessen Quintessenz in dem Worte liegt: Lunw ouiane. Dieser protestantische
Grundsatz wird das gerechte größere Deutschland vor dem Hasse bewahren, der
sich über dem frömmelnden, aber selbstsüchtigen Zr<zg.ehr LritAin häuft. Er
wird das freie größere Deutschland vor dem Verfall schützen, zu dem die ultra¬
montanen Weltreiche prädestiniert waren. Die germanischen Völker haben die
Führung in der Welt, sie müssen darum auch das Bollwerk gegen den römischen
Sinn sein, der die Welt als Domäne des Krummstabs betrachtet und geistig
und materiell verdirbt. Das Deutsche Reich schaffe in sich reinen Tisch, und
dann trage es in die deutsche Welt die reine protestantische Zivilisation, die die
andern germanischen Stämme, weil sie im Materialismus aufgegangen sind, nicht
bieten können und wollen. Dem protestantischen Deutschland, das das Lurmr
ouiczus im Schilde führt, werden die Völker der Erde vertrauen, noch mehr
als jetzt, und diesem Vertrauen wird dauernder materieller Segen folgen. Ein
Weltreich, das aus Vertrauen hervorgeht, hat Bestand, ein Weltreich aber, das
aus Habgier und Gewalt geboren ist, hat thönerne Füße.

Der Schutz der Bildung und der Wissenschaft, dessen das weltpolitische
Deutschland mehr bedarf, als ihn das agrarische bedürfte, soll vor dem eisigen
Hauch der Römlinge und ihresgleichen die geistigen Blüten des Deutschen be¬
wahren, damit die materiellen Früchte nicht ausbleiben. Was aber würde es
nützen, wenn die Blüten duften, während der Stamm leidet! Der Stamm des
deutschen Volkes bedarf der Pflege, während die Blüte nur Schutz braucht.

Die Reichtümer, die die Welt uns sendet, weil sie unsrer Arbeit bedarf,
haben die wirtschaftliche" Lebensbedingungen der Bevölkernugstlassen Deutsch¬
lands gänzlich geändert. Wir sehen Altes in den Staub sinken, Neues erstes",
wir sehen die Ansprüche an die Lebenshaltung wachsen in allen Bcvölternngs-
schichten aller Völker, und da immer noch neue Völker in den Kreis der mo¬
dernen Kultur treten und so den Umfang des Arbeitsfeldes erweitern, da der
mit allen Mitteln technischen Wissens geförderte Weltverkehr dem Verwertungs-
bereich ,ab der Gestaltungsinvglichkeit menschlicher Schaffenskraft unendliche
Grenzen eröffnet, so bieten sich auch die Mittel zu dieser höhern Lebensstellung
gerade den deutschen Bevölkerungsklaffcn in immer steigendem Maße, die in
d^ vergangnen agrarischen Periode zur Verelendung von Geburt bestimmt
waren. Die Weltwirtschaft bringt Wohlergehn in immer breitere Schichten
des Volkes. Ans der andern Seite sehen wir ganze Bevölkerungsdichten
unter den neuen Wirtschaftsformen leiden. Wie die Sekundäreisenbahn den


Sie deutsche Weltpolitik

dadurch genießbar machen. Solche Bewegungen darf der Wcltpolititer nicht
übersehen, weil sie die Begleiterscheinung wirtschaftlicher Kraftentfaltung zu
sein pflegen. Protestantisch muß die deutsche Weltpolitik sein, protestantisch
d, h, befreiend und versöhnend, wie es christlichem Sinne entspricht, nicht
Päpstisch, d. h, meistens knechtend und versetzend. Und auch der äußerliche
Protestantismus Englands ziemt dem deutschen Volke nicht, nicht diese
frömmelnde „Humanität," die Reiche und Goldbarren zu erwerben trachtet —
und aufs Spiel setzt, sondern der reine Protestantismus in Christi Sinne,
dessen Quintessenz in dem Worte liegt: Lunw ouiane. Dieser protestantische
Grundsatz wird das gerechte größere Deutschland vor dem Hasse bewahren, der
sich über dem frömmelnden, aber selbstsüchtigen Zr<zg.ehr LritAin häuft. Er
wird das freie größere Deutschland vor dem Verfall schützen, zu dem die ultra¬
montanen Weltreiche prädestiniert waren. Die germanischen Völker haben die
Führung in der Welt, sie müssen darum auch das Bollwerk gegen den römischen
Sinn sein, der die Welt als Domäne des Krummstabs betrachtet und geistig
und materiell verdirbt. Das Deutsche Reich schaffe in sich reinen Tisch, und
dann trage es in die deutsche Welt die reine protestantische Zivilisation, die die
andern germanischen Stämme, weil sie im Materialismus aufgegangen sind, nicht
bieten können und wollen. Dem protestantischen Deutschland, das das Lurmr
ouiczus im Schilde führt, werden die Völker der Erde vertrauen, noch mehr
als jetzt, und diesem Vertrauen wird dauernder materieller Segen folgen. Ein
Weltreich, das aus Vertrauen hervorgeht, hat Bestand, ein Weltreich aber, das
aus Habgier und Gewalt geboren ist, hat thönerne Füße.

Der Schutz der Bildung und der Wissenschaft, dessen das weltpolitische
Deutschland mehr bedarf, als ihn das agrarische bedürfte, soll vor dem eisigen
Hauch der Römlinge und ihresgleichen die geistigen Blüten des Deutschen be¬
wahren, damit die materiellen Früchte nicht ausbleiben. Was aber würde es
nützen, wenn die Blüten duften, während der Stamm leidet! Der Stamm des
deutschen Volkes bedarf der Pflege, während die Blüte nur Schutz braucht.

Die Reichtümer, die die Welt uns sendet, weil sie unsrer Arbeit bedarf,
haben die wirtschaftliche« Lebensbedingungen der Bevölkernugstlassen Deutsch¬
lands gänzlich geändert. Wir sehen Altes in den Staub sinken, Neues erstes»,
wir sehen die Ansprüche an die Lebenshaltung wachsen in allen Bcvölternngs-
schichten aller Völker, und da immer noch neue Völker in den Kreis der mo¬
dernen Kultur treten und so den Umfang des Arbeitsfeldes erweitern, da der
mit allen Mitteln technischen Wissens geförderte Weltverkehr dem Verwertungs-
bereich ,ab der Gestaltungsinvglichkeit menschlicher Schaffenskraft unendliche
Grenzen eröffnet, so bieten sich auch die Mittel zu dieser höhern Lebensstellung
gerade den deutschen Bevölkerungsklaffcn in immer steigendem Maße, die in
d^ vergangnen agrarischen Periode zur Verelendung von Geburt bestimmt
waren. Die Weltwirtschaft bringt Wohlergehn in immer breitere Schichten
des Volkes. Ans der andern Seite sehen wir ganze Bevölkerungsdichten
unter den neuen Wirtschaftsformen leiden. Wie die Sekundäreisenbahn den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/333>, abgerufen am 04.07.2024.