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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Das Lbenbürtigkeitsrecht des preußischen Aönigshauses

Der durchaus berechtigte Grundgedanke dieser Bestimmung ist ohne Zweifel
der, daß durch die Macht der Thatsachen die mediatisierten Familien "immer-
mehr in der allgemeinen Klasse der Staatsbürger und Unterthauen ver¬
schwinden"^); eine Entwicklung, die vorwiegend dadurch beschleunigt vnrd, daß
sich die mediatisierten Familien in einer fortwährend wachsenden Anzahl von
Fällen durch Heirat mit Untcrthanenfamilien des niedern Adels oder diesem
gesellschaftlich völlig gleichstehenden Bürgerstandes verbinden.

Ich wiederhole: diese Bestimmung des oldenburgischen Hausgesetzes richtet
zunächst ihre Spitze gegen die Mediatisierten.

Ganz richtig hat aber Ottokar Lorenz mit dem ihm eignen feinen Gefühl
für genealogische Dinge aus diesem Satze das genealogische Prinzip heraus¬
geschält und folgendermaßen ausgesprochen:^) "Hier wird der Nachweis von
mindestens vier hochadlichcn Ahnen vom Thronfolger verlangt," Man kann
das so ausdrücken: "Dazu, daß eine Dame im oldenburgischen Hause als eben¬
bürtig anerkannt wird, gehört, daß sie mindestens zwei hochadliche Ahnen hat,"
und es ist mir kaum ein Zweifel, daß das oldenburgische Haus diesen Maßstab
nicht nur an Damen aus mediatisierten, sondern auch aus regierenden deutschen
oder ausländischen Familien anlegt.

Dieses oldenburgische Hausgesetz ist eines der nllerneusten Hausgesetze aus
dem Kreise der deutschen regierenden Häuser, und ich kann Hermann Schulze
nur zustimmen, wenn er es als den "signifikanten Ausdruck des Rechtsbewußt-
seius der hochadlichen -- ich möchte lieber sagen: der regierenden deutscheu --
Familie in seiner neusten Gestalt" bezeichnet.^)

Man kann doch unmöglich annehmen, daß der Großherzog Peter von
Oldenburg für sei" Haus ein Hausgesetz schaffen wollte, das alle andern Haus¬
gesetze und Hnusobservauzen um Strenge übertraf, sondern daß er lediglich in
hnnsgesetzliche Form bringen wollte, was seiner Meinung nach in der Neuzeit
die gemeinsame Rechtsüberzeugung der regierenden oder wenigstens der großen
regierenden Familien Deutschlands ist.

Ich bin daher genötigt, anzunehmen, daß in der Gegenwart eine gemein¬
same Rechtsilberzeugung der regierenden Familien Deutschlands besteht, der-
zufolge, indem über den Artikel 14 der Bnndescckte hinausgegangen wird, zur
Ebenbürtigkeit der Frau, wie nach dem oldenburgischen Hausgesetze, mindestens
wenn sie nicht aus regierenden, sondern aus mediatisiertem Hause stammt, hoher
Adel ihrer Mutter erforderlich ist.

Daß diese Rechtsüberzeugung auch im königlichen Hause Preußen, das
sich jederzeit durch seine Strenge in Ebenbürtigkeitsfragen ausgezeichnet hat,
vorhanden ist, ist für mich selbstverständlich. Man wird doch unmöglich im
preußischen Königshause eine Dame als ebenbürtig ansetzn, die es nach olden¬
burgischen Hausrechte nicht wäre.





Bollmann, Die Lehre von der Ebenbürtigkeit usw, Göttingen, 1897, Seite 70. --
") Hausgesetze, Band 3, Seite 247.
A. a. O. Seite 247. -
Das Lbenbürtigkeitsrecht des preußischen Aönigshauses

Der durchaus berechtigte Grundgedanke dieser Bestimmung ist ohne Zweifel
der, daß durch die Macht der Thatsachen die mediatisierten Familien „immer-
mehr in der allgemeinen Klasse der Staatsbürger und Unterthauen ver¬
schwinden"^); eine Entwicklung, die vorwiegend dadurch beschleunigt vnrd, daß
sich die mediatisierten Familien in einer fortwährend wachsenden Anzahl von
Fällen durch Heirat mit Untcrthanenfamilien des niedern Adels oder diesem
gesellschaftlich völlig gleichstehenden Bürgerstandes verbinden.

Ich wiederhole: diese Bestimmung des oldenburgischen Hausgesetzes richtet
zunächst ihre Spitze gegen die Mediatisierten.

Ganz richtig hat aber Ottokar Lorenz mit dem ihm eignen feinen Gefühl
für genealogische Dinge aus diesem Satze das genealogische Prinzip heraus¬
geschält und folgendermaßen ausgesprochen:^) „Hier wird der Nachweis von
mindestens vier hochadlichcn Ahnen vom Thronfolger verlangt," Man kann
das so ausdrücken: „Dazu, daß eine Dame im oldenburgischen Hause als eben¬
bürtig anerkannt wird, gehört, daß sie mindestens zwei hochadliche Ahnen hat,"
und es ist mir kaum ein Zweifel, daß das oldenburgische Haus diesen Maßstab
nicht nur an Damen aus mediatisierten, sondern auch aus regierenden deutschen
oder ausländischen Familien anlegt.

Dieses oldenburgische Hausgesetz ist eines der nllerneusten Hausgesetze aus
dem Kreise der deutschen regierenden Häuser, und ich kann Hermann Schulze
nur zustimmen, wenn er es als den „signifikanten Ausdruck des Rechtsbewußt-
seius der hochadlichen — ich möchte lieber sagen: der regierenden deutscheu —
Familie in seiner neusten Gestalt" bezeichnet.^)

Man kann doch unmöglich annehmen, daß der Großherzog Peter von
Oldenburg für sei» Haus ein Hausgesetz schaffen wollte, das alle andern Haus¬
gesetze und Hnusobservauzen um Strenge übertraf, sondern daß er lediglich in
hnnsgesetzliche Form bringen wollte, was seiner Meinung nach in der Neuzeit
die gemeinsame Rechtsüberzeugung der regierenden oder wenigstens der großen
regierenden Familien Deutschlands ist.

Ich bin daher genötigt, anzunehmen, daß in der Gegenwart eine gemein¬
same Rechtsilberzeugung der regierenden Familien Deutschlands besteht, der-
zufolge, indem über den Artikel 14 der Bnndescckte hinausgegangen wird, zur
Ebenbürtigkeit der Frau, wie nach dem oldenburgischen Hausgesetze, mindestens
wenn sie nicht aus regierenden, sondern aus mediatisiertem Hause stammt, hoher
Adel ihrer Mutter erforderlich ist.

Daß diese Rechtsüberzeugung auch im königlichen Hause Preußen, das
sich jederzeit durch seine Strenge in Ebenbürtigkeitsfragen ausgezeichnet hat,
vorhanden ist, ist für mich selbstverständlich. Man wird doch unmöglich im
preußischen Königshause eine Dame als ebenbürtig ansetzn, die es nach olden¬
burgischen Hausrechte nicht wäre.





Bollmann, Die Lehre von der Ebenbürtigkeit usw, Göttingen, 1897, Seite 70. —
") Hausgesetze, Band 3, Seite 247.
A. a. O. Seite 247. -
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[0287] Das Lbenbürtigkeitsrecht des preußischen Aönigshauses Der durchaus berechtigte Grundgedanke dieser Bestimmung ist ohne Zweifel der, daß durch die Macht der Thatsachen die mediatisierten Familien „immer- mehr in der allgemeinen Klasse der Staatsbürger und Unterthauen ver¬ schwinden"^); eine Entwicklung, die vorwiegend dadurch beschleunigt vnrd, daß sich die mediatisierten Familien in einer fortwährend wachsenden Anzahl von Fällen durch Heirat mit Untcrthanenfamilien des niedern Adels oder diesem gesellschaftlich völlig gleichstehenden Bürgerstandes verbinden. Ich wiederhole: diese Bestimmung des oldenburgischen Hausgesetzes richtet zunächst ihre Spitze gegen die Mediatisierten. Ganz richtig hat aber Ottokar Lorenz mit dem ihm eignen feinen Gefühl für genealogische Dinge aus diesem Satze das genealogische Prinzip heraus¬ geschält und folgendermaßen ausgesprochen:^) „Hier wird der Nachweis von mindestens vier hochadlichcn Ahnen vom Thronfolger verlangt," Man kann das so ausdrücken: „Dazu, daß eine Dame im oldenburgischen Hause als eben¬ bürtig anerkannt wird, gehört, daß sie mindestens zwei hochadliche Ahnen hat," und es ist mir kaum ein Zweifel, daß das oldenburgische Haus diesen Maßstab nicht nur an Damen aus mediatisierten, sondern auch aus regierenden deutschen oder ausländischen Familien anlegt. Dieses oldenburgische Hausgesetz ist eines der nllerneusten Hausgesetze aus dem Kreise der deutschen regierenden Häuser, und ich kann Hermann Schulze nur zustimmen, wenn er es als den „signifikanten Ausdruck des Rechtsbewußt- seius der hochadlichen — ich möchte lieber sagen: der regierenden deutscheu — Familie in seiner neusten Gestalt" bezeichnet.^) Man kann doch unmöglich annehmen, daß der Großherzog Peter von Oldenburg für sei» Haus ein Hausgesetz schaffen wollte, das alle andern Haus¬ gesetze und Hnusobservauzen um Strenge übertraf, sondern daß er lediglich in hnnsgesetzliche Form bringen wollte, was seiner Meinung nach in der Neuzeit die gemeinsame Rechtsüberzeugung der regierenden oder wenigstens der großen regierenden Familien Deutschlands ist. Ich bin daher genötigt, anzunehmen, daß in der Gegenwart eine gemein¬ same Rechtsilberzeugung der regierenden Familien Deutschlands besteht, der- zufolge, indem über den Artikel 14 der Bnndescckte hinausgegangen wird, zur Ebenbürtigkeit der Frau, wie nach dem oldenburgischen Hausgesetze, mindestens wenn sie nicht aus regierenden, sondern aus mediatisiertem Hause stammt, hoher Adel ihrer Mutter erforderlich ist. Daß diese Rechtsüberzeugung auch im königlichen Hause Preußen, das sich jederzeit durch seine Strenge in Ebenbürtigkeitsfragen ausgezeichnet hat, vorhanden ist, ist für mich selbstverständlich. Man wird doch unmöglich im preußischen Königshause eine Dame als ebenbürtig ansetzn, die es nach olden¬ burgischen Hausrechte nicht wäre. Bollmann, Die Lehre von der Ebenbürtigkeit usw, Göttingen, 1897, Seite 70. — ") Hausgesetze, Band 3, Seite 247. A. a. O. Seite 247. -

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/287>, abgerufen am 04.07.2024.