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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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historische Nationalitäissorschmig

Sprachgebiets im jetzt deutschen Nordosten einsetzt, dann ist es wohl möglich,
büß es bei ausgiebiger Sammlung alles vorhandnen Materials gelingen wird,
noch eine weitere Anzahl ehemaliger slawischer Sprachinseln aus jetzt deutschem
^oben festzustellen, deren man sich jetzt nicht mehr erinnert, weil sie früher
"is die Inseln des Wendlands, der Jabelheide oder Altenbnrgö ihre slawische
Sprache eingebüßt haben, Auch sie müßten nach Zeit und Ort bestimmt
werden. Dergestalt vom Innern des jetzt deutschen Sprachgebiets nach Osten
Zuschreitend, würde man allmählich dorthin gelangen, wo noch in unsern
Tagen deutsche und slawische Sprache einander gegenüberstehn. Hier würde
^ sich darum handeln, die älteste Feststellung einer deutsch-slawischen Sprach¬
grenze sowie ihre spätern Wandlungen nach Zeit und Orten zu ermitteln. Auf
^ehe Weise wäre es sicherlich nicht unmöglich, allmählich nach einer ausgiebigen
Sammelarbeit ein abgerundetes Gesamtbild der Germanisierung unsrer Eid
und Ostseelnnde zu gewinnen.

Aber ich spreche nicht nnr vom deutschen Nordosten, sondern von dem ge¬
samten dentschen Sprachgebiet in dein von mir skizzierten Umfange, zu dessen
^rvollständignng hier noch die Abgrenzung gegen die Litauer in Ostpreußen
"ud die gegen die Dänen in Nordschleswig genannt werden soll. Damit ist
^r historischen Forschung ein Gebiet von gewaltiger Ausdehnung erschlossen,
^6 außer einer geringen Anzahl von Einzelschritten "ud hier und dort in der
Litteratur verstreuten Bemerkungen "och gänzlich brach daliegt. Alls diesem
Zeiten Gebiete historischer Forschung ist nahezu alles uoch zu thun. Wie soll
'UM aber die gewaltige Arbeit geleistet werde", die zur Lösung der vielen
"ud großen oben nnr flüchtig gestreiften Aufgaben nötig ist? Mu" erlaube
"ur, ^ur Beantwortung dieser Frage auf meine elsasi-lothriugischei? Forschungen
^izugehn. Um hier die mittelalterliche Sprachgrenze zu ermitteln, bin ich
^'on der bekannten gegenwärtigen Sprachgrenze ausgegangen. Ein entsprechender
Ausgangspunkt wird überall vorhanden sein, dn die jetzige Sprachgrenze für
^^e in Betracht kommenden Landesteile bekannt ist. Dann habe ich auf einer
^Pographisch vollständigen Landkarte gesehen, daß jenseits der gegenwärtigen
Sprachgrenze besonders in Lothringen noch zahlreiche Orte mit deutschen Namen
^rhcmden waren. Diese Orte waren zweifellos früher deutschredend gewesen,
^ber wann war in ihnen die deutsche Sprache verklungen? Darüber konnte
^ deutsche Name oder die französierte Korruptionsfvrm nichts ergeben. Und
^ waren die Orte mit Doppelnamen, wie z. B. Assenoneourt-Essesdorf,
^chievurt-Riruigen usw. nnterznlningen? Man konnte sie doch nicht ohne
Bieres der deutschen Seite einverleiben. Es war ferner mit der Möglichkeit
rechnen, daß Ortschaften, von denen gegenwärtig nur ein französischer
, Nile bekannt ist, früher einmal deutsch benannt und wirklich deutscher Na-
^nautae waren.

Um allen diesen Fragen gerecht zu werden, habe ich aus den Archiven
^'u Metz und Nancy für jeden einzelnen Ort längs der ganzen Sprachgrenze
^ vorhandne Material an Flur- und Personennamen der Vergangenheit ge-


historische Nationalitäissorschmig

Sprachgebiets im jetzt deutschen Nordosten einsetzt, dann ist es wohl möglich,
büß es bei ausgiebiger Sammlung alles vorhandnen Materials gelingen wird,
noch eine weitere Anzahl ehemaliger slawischer Sprachinseln aus jetzt deutschem
^oben festzustellen, deren man sich jetzt nicht mehr erinnert, weil sie früher
"is die Inseln des Wendlands, der Jabelheide oder Altenbnrgö ihre slawische
Sprache eingebüßt haben, Auch sie müßten nach Zeit und Ort bestimmt
werden. Dergestalt vom Innern des jetzt deutschen Sprachgebiets nach Osten
Zuschreitend, würde man allmählich dorthin gelangen, wo noch in unsern
Tagen deutsche und slawische Sprache einander gegenüberstehn. Hier würde
^ sich darum handeln, die älteste Feststellung einer deutsch-slawischen Sprach¬
grenze sowie ihre spätern Wandlungen nach Zeit und Orten zu ermitteln. Auf
^ehe Weise wäre es sicherlich nicht unmöglich, allmählich nach einer ausgiebigen
Sammelarbeit ein abgerundetes Gesamtbild der Germanisierung unsrer Eid
und Ostseelnnde zu gewinnen.

Aber ich spreche nicht nnr vom deutschen Nordosten, sondern von dem ge¬
samten dentschen Sprachgebiet in dein von mir skizzierten Umfange, zu dessen
^rvollständignng hier noch die Abgrenzung gegen die Litauer in Ostpreußen
"ud die gegen die Dänen in Nordschleswig genannt werden soll. Damit ist
^r historischen Forschung ein Gebiet von gewaltiger Ausdehnung erschlossen,
^6 außer einer geringen Anzahl von Einzelschritten »ud hier und dort in der
Litteratur verstreuten Bemerkungen »och gänzlich brach daliegt. Alls diesem
Zeiten Gebiete historischer Forschung ist nahezu alles uoch zu thun. Wie soll
'UM aber die gewaltige Arbeit geleistet werde», die zur Lösung der vielen
"ud großen oben nnr flüchtig gestreiften Aufgaben nötig ist? Mu» erlaube
"ur, ^ur Beantwortung dieser Frage auf meine elsasi-lothriugischei? Forschungen
^izugehn. Um hier die mittelalterliche Sprachgrenze zu ermitteln, bin ich
^'on der bekannten gegenwärtigen Sprachgrenze ausgegangen. Ein entsprechender
Ausgangspunkt wird überall vorhanden sein, dn die jetzige Sprachgrenze für
^^e in Betracht kommenden Landesteile bekannt ist. Dann habe ich auf einer
^Pographisch vollständigen Landkarte gesehen, daß jenseits der gegenwärtigen
Sprachgrenze besonders in Lothringen noch zahlreiche Orte mit deutschen Namen
^rhcmden waren. Diese Orte waren zweifellos früher deutschredend gewesen,
^ber wann war in ihnen die deutsche Sprache verklungen? Darüber konnte
^ deutsche Name oder die französierte Korruptionsfvrm nichts ergeben. Und
^ waren die Orte mit Doppelnamen, wie z. B. Assenoneourt-Essesdorf,
^chievurt-Riruigen usw. nnterznlningen? Man konnte sie doch nicht ohne
Bieres der deutschen Seite einverleiben. Es war ferner mit der Möglichkeit
rechnen, daß Ortschaften, von denen gegenwärtig nur ein französischer
, Nile bekannt ist, früher einmal deutsch benannt und wirklich deutscher Na-
^nautae waren.

Um allen diesen Fragen gerecht zu werden, habe ich aus den Archiven
^'u Metz und Nancy für jeden einzelnen Ort längs der ganzen Sprachgrenze
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[0279] historische Nationalitäissorschmig Sprachgebiets im jetzt deutschen Nordosten einsetzt, dann ist es wohl möglich, büß es bei ausgiebiger Sammlung alles vorhandnen Materials gelingen wird, noch eine weitere Anzahl ehemaliger slawischer Sprachinseln aus jetzt deutschem ^oben festzustellen, deren man sich jetzt nicht mehr erinnert, weil sie früher "is die Inseln des Wendlands, der Jabelheide oder Altenbnrgö ihre slawische Sprache eingebüßt haben, Auch sie müßten nach Zeit und Ort bestimmt werden. Dergestalt vom Innern des jetzt deutschen Sprachgebiets nach Osten Zuschreitend, würde man allmählich dorthin gelangen, wo noch in unsern Tagen deutsche und slawische Sprache einander gegenüberstehn. Hier würde ^ sich darum handeln, die älteste Feststellung einer deutsch-slawischen Sprach¬ grenze sowie ihre spätern Wandlungen nach Zeit und Orten zu ermitteln. Auf ^ehe Weise wäre es sicherlich nicht unmöglich, allmählich nach einer ausgiebigen Sammelarbeit ein abgerundetes Gesamtbild der Germanisierung unsrer Eid und Ostseelnnde zu gewinnen. Aber ich spreche nicht nnr vom deutschen Nordosten, sondern von dem ge¬ samten dentschen Sprachgebiet in dein von mir skizzierten Umfange, zu dessen ^rvollständignng hier noch die Abgrenzung gegen die Litauer in Ostpreußen "ud die gegen die Dänen in Nordschleswig genannt werden soll. Damit ist ^r historischen Forschung ein Gebiet von gewaltiger Ausdehnung erschlossen, ^6 außer einer geringen Anzahl von Einzelschritten »ud hier und dort in der Litteratur verstreuten Bemerkungen »och gänzlich brach daliegt. Alls diesem Zeiten Gebiete historischer Forschung ist nahezu alles uoch zu thun. Wie soll 'UM aber die gewaltige Arbeit geleistet werde», die zur Lösung der vielen "ud großen oben nnr flüchtig gestreiften Aufgaben nötig ist? Mu» erlaube "ur, ^ur Beantwortung dieser Frage auf meine elsasi-lothriugischei? Forschungen ^izugehn. Um hier die mittelalterliche Sprachgrenze zu ermitteln, bin ich ^'on der bekannten gegenwärtigen Sprachgrenze ausgegangen. Ein entsprechender Ausgangspunkt wird überall vorhanden sein, dn die jetzige Sprachgrenze für ^^e in Betracht kommenden Landesteile bekannt ist. Dann habe ich auf einer ^Pographisch vollständigen Landkarte gesehen, daß jenseits der gegenwärtigen Sprachgrenze besonders in Lothringen noch zahlreiche Orte mit deutschen Namen ^rhcmden waren. Diese Orte waren zweifellos früher deutschredend gewesen, ^ber wann war in ihnen die deutsche Sprache verklungen? Darüber konnte ^ deutsche Name oder die französierte Korruptionsfvrm nichts ergeben. Und ^ waren die Orte mit Doppelnamen, wie z. B. Assenoneourt-Essesdorf, ^chievurt-Riruigen usw. nnterznlningen? Man konnte sie doch nicht ohne Bieres der deutschen Seite einverleiben. Es war ferner mit der Möglichkeit rechnen, daß Ortschaften, von denen gegenwärtig nur ein französischer , Nile bekannt ist, früher einmal deutsch benannt und wirklich deutscher Na- ^nautae waren. Um allen diesen Fragen gerecht zu werden, habe ich aus den Archiven ^'u Metz und Nancy für jeden einzelnen Ort längs der ganzen Sprachgrenze ^ vorhandne Material an Flur- und Personennamen der Vergangenheit ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/279>, abgerufen am 02.10.2024.