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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Ich begnügte mich damit, die Achseln zu zucken, denn ich wußte, so gescheit
^ ist, hier beginnt er zu spinnen.

Nun habe ich Sie richtig geärgert, begann er mich einer Weile wieder. Ich
habe jn nnr sagen wollen, daß man das Volk "in die Freude einer schönen Feier
gebracht habe. Wir können ja die Streitfrage ruhig beiseite lassen. Aber der
Kaiser hatte doch nun einmal den Wunsch, daß alle Glocken im Reiche dem Volk
das Gefühl eines großen Augenblicks ins Herz läuten sollten. Ware man so ver¬
nünftig gewesen, auf diese schöne Absicht einzugehn, so wäre es wie ein Stnrmes-
rauschen dnrch das Volk gegangen, das Gefühl, daß wir in einer großen Zeit
stehn, und die Ahnung, daß wir Größeres sehen werden, als das vergangne Jahr¬
hundert mit Gottes Segen erfüllt hat. Die Jungen, die diese Feier mitgemacht
hatten, würden noch ihren Enkeln davon erzählt haben, wie ihre jungen Herzen
gezittert hätten. Und was hat man jetzt erreicht mit dem bürgerlich stolzen: Nun
gerade nicht? Daß der Kaiser allein und einsam mit seinen Paladinen Gott gedankt
hat, und daß der Spießbürger sich mit dem schönen Vorsatz aufs Ohr gelegt
hat: Übers Jahr, da wollen wir zeigen, an welchen Gott wir glauben! Übers Jahr
Werden Tausende von Kegelgesellschaften, städtischen, Kränzchen nud Gesangvereinen
das alte neue Jahrhundert zu begießen versuchen. Aber eine wirkliche, schone große
Jahrhundertfeier des ganzen Volks, wie sie vor hundert Jahren gefeiert wordeu
ist? Ohne Kaiser, Heer, Beamtenschaft, Kirche und Schule? Es wird großartig
werden!

Er hatte wieder den Kopf gesenkt und sah ans den Weg nieder.

Es ist ja schließlich gleichgiltig, hub er dann von neuem an; die Weltgeschichte
geht ruhig ihre" Schritt weiter, ob man nnn Feuerwerke abgebrannt und illuminiert
hat oder nicht; ob die Studentenschaft und die Gewerkschaften Fnckelzüge abgehalten
und auf dem Marktplatze ein Riesenfeuer entfacht haben unter dem Gesang der aka¬
demischen und der bürgerlichen Gesangvereine und unter den Klängen der Regiments¬
musik oder nicht, ob der alte Bürgermeister einen bewegenden Rückblick auf das
Vergangne und der neue einen schwungvollen Ausblick in die Zukunft von dem
Nnthansnltan herab gethan hat oder nicht. Man würde das alles ja mit Freude
und mit Erhebung mitgemacht haben, und es ist schade, daß es jetzt verspielt ist.
Ich habe aber auf etwas andres zu spreche" komiueu wolle". Nämlich das andre,
was mich wunderlich berührt hat: daß ich bei allen diesen Kundgebungen für und
gegen den Anfang des neuen Jahrhunderts nicht einmal der Erwähnung dessen
begegnet bin, was denn die Jahrhundertwende eigentlich bedeutet.

Ich sah thu fragend an, aber er sprach ohne sich zu mir zu wenden, mit ge¬
senktem Kopf weiter, als spräche er mit sich selbst: Ich sehe ein verkommendes Volk,
das sich unter das harte Joch fremder Eroberer beugen muß. Der Thron seiner
Könige ist gestürzt, und Herrscher siud ihm aufgezwungen worden, die es verachtet.
Der Tempel, worin seine Väter und Urväter gebetet habe", ist zerstört, und der
Gott, vor dem dieses Volk gekniet hat, u"d der z" seine" Väter" gesprochen hat, hat
steh von ihm abgewandt. El" Volk, dessen Geist von einer hochmütigen Priesterschaft
u> Fesseln gehalten wird, die nur dem nachgeht, was ihr frommt. El" ""klarer
Traum von einem Heiland, der es erlösen soll, dämmert noch in dem Herzen dieses
Volks, aber es liegt im Stande, verzweifelnd, hoffnungslos. - - Ich sehe einen Mann
durch dieses Volk geh", der mit heißen Augen das Elend seiner Brüder sieht, deren
befehlet ihn jammert. Ich sehe diesen Mann, wie er in den Brand und die Ein¬
samkeit der Wüste geflohen ist, um dort die Läuterung, die Klarheit und die Über¬
windung zu finden, die er braucht, um das Retterwerk zu vollführen, zu dem er
steh berufen fühlt. Ich sehe diesen Mann mit wenig Getreuen, die an ihn und
sein Werk glauben, dnrch das Land ziehn, predigend, verheißend, Wunden heilend,


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Ich begnügte mich damit, die Achseln zu zucken, denn ich wußte, so gescheit
^ ist, hier beginnt er zu spinnen.

Nun habe ich Sie richtig geärgert, begann er mich einer Weile wieder. Ich
habe jn nnr sagen wollen, daß man das Volk »in die Freude einer schönen Feier
gebracht habe. Wir können ja die Streitfrage ruhig beiseite lassen. Aber der
Kaiser hatte doch nun einmal den Wunsch, daß alle Glocken im Reiche dem Volk
das Gefühl eines großen Augenblicks ins Herz läuten sollten. Ware man so ver¬
nünftig gewesen, auf diese schöne Absicht einzugehn, so wäre es wie ein Stnrmes-
rauschen dnrch das Volk gegangen, das Gefühl, daß wir in einer großen Zeit
stehn, und die Ahnung, daß wir Größeres sehen werden, als das vergangne Jahr¬
hundert mit Gottes Segen erfüllt hat. Die Jungen, die diese Feier mitgemacht
hatten, würden noch ihren Enkeln davon erzählt haben, wie ihre jungen Herzen
gezittert hätten. Und was hat man jetzt erreicht mit dem bürgerlich stolzen: Nun
gerade nicht? Daß der Kaiser allein und einsam mit seinen Paladinen Gott gedankt
hat, und daß der Spießbürger sich mit dem schönen Vorsatz aufs Ohr gelegt
hat: Übers Jahr, da wollen wir zeigen, an welchen Gott wir glauben! Übers Jahr
Werden Tausende von Kegelgesellschaften, städtischen, Kränzchen nud Gesangvereinen
das alte neue Jahrhundert zu begießen versuchen. Aber eine wirkliche, schone große
Jahrhundertfeier des ganzen Volks, wie sie vor hundert Jahren gefeiert wordeu
ist? Ohne Kaiser, Heer, Beamtenschaft, Kirche und Schule? Es wird großartig
werden!

Er hatte wieder den Kopf gesenkt und sah ans den Weg nieder.

Es ist ja schließlich gleichgiltig, hub er dann von neuem an; die Weltgeschichte
geht ruhig ihre» Schritt weiter, ob man nnn Feuerwerke abgebrannt und illuminiert
hat oder nicht; ob die Studentenschaft und die Gewerkschaften Fnckelzüge abgehalten
und auf dem Marktplatze ein Riesenfeuer entfacht haben unter dem Gesang der aka¬
demischen und der bürgerlichen Gesangvereine und unter den Klängen der Regiments¬
musik oder nicht, ob der alte Bürgermeister einen bewegenden Rückblick auf das
Vergangne und der neue einen schwungvollen Ausblick in die Zukunft von dem
Nnthansnltan herab gethan hat oder nicht. Man würde das alles ja mit Freude
und mit Erhebung mitgemacht haben, und es ist schade, daß es jetzt verspielt ist.
Ich habe aber auf etwas andres zu spreche» komiueu wolle«. Nämlich das andre,
was mich wunderlich berührt hat: daß ich bei allen diesen Kundgebungen für und
gegen den Anfang des neuen Jahrhunderts nicht einmal der Erwähnung dessen
begegnet bin, was denn die Jahrhundertwende eigentlich bedeutet.

Ich sah thu fragend an, aber er sprach ohne sich zu mir zu wenden, mit ge¬
senktem Kopf weiter, als spräche er mit sich selbst: Ich sehe ein verkommendes Volk,
das sich unter das harte Joch fremder Eroberer beugen muß. Der Thron seiner
Könige ist gestürzt, und Herrscher siud ihm aufgezwungen worden, die es verachtet.
Der Tempel, worin seine Väter und Urväter gebetet habe», ist zerstört, und der
Gott, vor dem dieses Volk gekniet hat, u»d der z» seine» Väter» gesprochen hat, hat
steh von ihm abgewandt. El» Volk, dessen Geist von einer hochmütigen Priesterschaft
u> Fesseln gehalten wird, die nur dem nachgeht, was ihr frommt. El» »»klarer
Traum von einem Heiland, der es erlösen soll, dämmert noch in dem Herzen dieses
Volks, aber es liegt im Stande, verzweifelnd, hoffnungslos. - - Ich sehe einen Mann
durch dieses Volk geh», der mit heißen Augen das Elend seiner Brüder sieht, deren
befehlet ihn jammert. Ich sehe diesen Mann, wie er in den Brand und die Ein¬
samkeit der Wüste geflohen ist, um dort die Läuterung, die Klarheit und die Über¬
windung zu finden, die er braucht, um das Retterwerk zu vollführen, zu dem er
steh berufen fühlt. Ich sehe diesen Mann mit wenig Getreuen, die an ihn und
sein Werk glauben, dnrch das Land ziehn, predigend, verheißend, Wunden heilend,


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[0261] Maßgebliches und Unmaßgebliches Ich begnügte mich damit, die Achseln zu zucken, denn ich wußte, so gescheit ^ ist, hier beginnt er zu spinnen. Nun habe ich Sie richtig geärgert, begann er mich einer Weile wieder. Ich habe jn nnr sagen wollen, daß man das Volk »in die Freude einer schönen Feier gebracht habe. Wir können ja die Streitfrage ruhig beiseite lassen. Aber der Kaiser hatte doch nun einmal den Wunsch, daß alle Glocken im Reiche dem Volk das Gefühl eines großen Augenblicks ins Herz läuten sollten. Ware man so ver¬ nünftig gewesen, auf diese schöne Absicht einzugehn, so wäre es wie ein Stnrmes- rauschen dnrch das Volk gegangen, das Gefühl, daß wir in einer großen Zeit stehn, und die Ahnung, daß wir Größeres sehen werden, als das vergangne Jahr¬ hundert mit Gottes Segen erfüllt hat. Die Jungen, die diese Feier mitgemacht hatten, würden noch ihren Enkeln davon erzählt haben, wie ihre jungen Herzen gezittert hätten. Und was hat man jetzt erreicht mit dem bürgerlich stolzen: Nun gerade nicht? Daß der Kaiser allein und einsam mit seinen Paladinen Gott gedankt hat, und daß der Spießbürger sich mit dem schönen Vorsatz aufs Ohr gelegt hat: Übers Jahr, da wollen wir zeigen, an welchen Gott wir glauben! Übers Jahr Werden Tausende von Kegelgesellschaften, städtischen, Kränzchen nud Gesangvereinen das alte neue Jahrhundert zu begießen versuchen. Aber eine wirkliche, schone große Jahrhundertfeier des ganzen Volks, wie sie vor hundert Jahren gefeiert wordeu ist? Ohne Kaiser, Heer, Beamtenschaft, Kirche und Schule? Es wird großartig werden! Er hatte wieder den Kopf gesenkt und sah ans den Weg nieder. Es ist ja schließlich gleichgiltig, hub er dann von neuem an; die Weltgeschichte geht ruhig ihre» Schritt weiter, ob man nnn Feuerwerke abgebrannt und illuminiert hat oder nicht; ob die Studentenschaft und die Gewerkschaften Fnckelzüge abgehalten und auf dem Marktplatze ein Riesenfeuer entfacht haben unter dem Gesang der aka¬ demischen und der bürgerlichen Gesangvereine und unter den Klängen der Regiments¬ musik oder nicht, ob der alte Bürgermeister einen bewegenden Rückblick auf das Vergangne und der neue einen schwungvollen Ausblick in die Zukunft von dem Nnthansnltan herab gethan hat oder nicht. Man würde das alles ja mit Freude und mit Erhebung mitgemacht haben, und es ist schade, daß es jetzt verspielt ist. Ich habe aber auf etwas andres zu spreche» komiueu wolle«. Nämlich das andre, was mich wunderlich berührt hat: daß ich bei allen diesen Kundgebungen für und gegen den Anfang des neuen Jahrhunderts nicht einmal der Erwähnung dessen begegnet bin, was denn die Jahrhundertwende eigentlich bedeutet. Ich sah thu fragend an, aber er sprach ohne sich zu mir zu wenden, mit ge¬ senktem Kopf weiter, als spräche er mit sich selbst: Ich sehe ein verkommendes Volk, das sich unter das harte Joch fremder Eroberer beugen muß. Der Thron seiner Könige ist gestürzt, und Herrscher siud ihm aufgezwungen worden, die es verachtet. Der Tempel, worin seine Väter und Urväter gebetet habe», ist zerstört, und der Gott, vor dem dieses Volk gekniet hat, u»d der z» seine» Väter» gesprochen hat, hat steh von ihm abgewandt. El» Volk, dessen Geist von einer hochmütigen Priesterschaft u> Fesseln gehalten wird, die nur dem nachgeht, was ihr frommt. El» »»klarer Traum von einem Heiland, der es erlösen soll, dämmert noch in dem Herzen dieses Volks, aber es liegt im Stande, verzweifelnd, hoffnungslos. - - Ich sehe einen Mann durch dieses Volk geh», der mit heißen Augen das Elend seiner Brüder sieht, deren befehlet ihn jammert. Ich sehe diesen Mann, wie er in den Brand und die Ein¬ samkeit der Wüste geflohen ist, um dort die Läuterung, die Klarheit und die Über¬ windung zu finden, die er braucht, um das Retterwerk zu vollführen, zu dem er steh berufen fühlt. Ich sehe diesen Mann mit wenig Getreuen, die an ihn und sein Werk glauben, dnrch das Land ziehn, predigend, verheißend, Wunden heilend,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/261>, abgerufen am 04.07.2024.