Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.An der Schwelle des Orients für ein so entwickeltes Tier wie einen Moskito glaubt, im besondern schon Uns ließ sie zum Glück am Leben und verschonte uns sogar ganz, als An der Schwelle des Orients für ein so entwickeltes Tier wie einen Moskito glaubt, im besondern schon Uns ließ sie zum Glück am Leben und verschonte uns sogar ganz, als <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0239" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/232791"/> <fw type="header" place="top"> An der Schwelle des Orients</fw><lb/> <p xml:id="ID_732" prev="#ID_731"> für ein so entwickeltes Tier wie einen Moskito glaubt, im besondern schon<lb/> 1848 endgiltig abgewiesen von dem österreichischen Naturforscher Kollar. Wie<lb/> bei den Bakterien haben uns aber alle diese gelehrten Untersuchungen nur<lb/> darüber unterrichtet, wie diese kleinen Verderber und Quäler von Mensch und<lb/> Tier entstehn; wie sie zu verderben und auszurotten wären, hat bis jetzt die<lb/> Forschung noch nicht herausgebracht, obwohl dies dem simpeln Laien Wohl<lb/> wichtiger erscheinen dürfte als das andre. Zum Glück blieben wir selbst<lb/> wenigstens unbelästigt voll dieser gefährlichen Moskitoart, von der Kanitz er¬<lb/> zählt, sie erscheine alljährlich zu Beginn des Frühlings, oft schon im März,<lb/> un> in wolkenartigen Schwärmen das weidende Vieh und die Arbeiter auf dem<lb/> Felde zu überfallen, und zwar „nicht selten in solchen Mengen, daß der ganze<lb/> Körper mehrere Linien dick damit bedeckt ist. Wie Augenzeugen versichern,<lb/> Wühlt die Fliege bei ihrem Augriff vorzüglich die znrteu unbehaarten Teile<lb/> ihrer Schlnchtopfer und setzt sich namentlich in die Winkel der Augen, bei dem<lb/> Vieh — außer andern zarten Stellen — in die Ohren, Nasenhöhluugen,<lb/> ni den Schlund lind in die Luftröhre in solcher Dichtigkeit hinein, daß die<lb/> Tiere buchstäblich ersticken müssen. Jeder Stich, den dieses Insekt versetzt, ver¬<lb/> ursacht brennendes Jucken und eine sehr schmerzende, harte, rasch entstehende<lb/> Geschwulst, die kaum nach acht bis zehn Tagen heilt. Mehrere solche Stiche,<lb/> namentlich wenn sie nahe nebeneinander erfolgen, erregen heftige Entzündungs-<lb/> fieber, bei sehr reizbaren Personen Krümpfe und Konvulsionen und manchmal<lb/> sogar den Tod. Ist der Tod auch uicht immer die unmittelbare Folge, so<lb/> treten bei dein Vieh doch oft langwierige Krankheiten, Mangel an Freßlust,<lb/> Untauglichkeit zur Feldarbeit, Abmagerung bei dem Mastvieh, Verlust der<lb/> Milch bei den Kühen u. a. ein." „Alle bisher gegen diese Verheerungen in Vor¬<lb/> schlag gebrachten Mittel, berichtet Kanitz, beschränken sich auf Palliative, welche<lb/> das Übel zwar lindern, aber nicht radikal zu heilen vermögen. So pflegt man<lb/> im Banat, wenn das Insekt erscheint, Haufen von Stroh, Mist und dürrem<lb/> Reisig anzuzünden. Das geängstigte Vieh sucht Schutz unter dem sich ent¬<lb/> wickelnden Manche, welcher große Niederlagen unter dem anrückenden Feinde<lb/> hervorbringt. Die sich rettenden Reste verursachen jedoch durch ihre sich ent¬<lb/> wickelnde Brut im nächsten Jahre neue Überfälle. Man schloß auch die Öff¬<lb/> nungen der Felsenhöhlen durch Aufführung von Mauern, weil man die Geburts¬<lb/> stätten der Fliegen in diesen vermutete. Bei genauern Beobachtungen stellte<lb/> sich aber heraus, daß die Schwärme nur bei Unwetter in die Höhlen flüchten<lb/> und bei günstiger Witterung aus denselben hervorbrechen." So wird denn<lb/> auch heute noch die „Golubatzer Fliege zu einer wahren Landplage für Serbien<lb/> «Yd das Banat, und in manchen Jahren drang sie auch schon weit über deren<lb/> Grenzen hinaus, wie beispielsweise 1830, wo an der mährischen March viele<lb/> Hunderte Pferde, Kühe und Schweine den Verletzungen durch diese Fliege er¬<lb/> lagen."</p><lb/> <p xml:id="ID_733" next="#ID_734"> Uns ließ sie zum Glück am Leben und verschonte uns sogar ganz, als<lb/> wir uns auf den obersten Teil des Vorderdecks begeben hatten in der Er-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0239]
An der Schwelle des Orients
für ein so entwickeltes Tier wie einen Moskito glaubt, im besondern schon
1848 endgiltig abgewiesen von dem österreichischen Naturforscher Kollar. Wie
bei den Bakterien haben uns aber alle diese gelehrten Untersuchungen nur
darüber unterrichtet, wie diese kleinen Verderber und Quäler von Mensch und
Tier entstehn; wie sie zu verderben und auszurotten wären, hat bis jetzt die
Forschung noch nicht herausgebracht, obwohl dies dem simpeln Laien Wohl
wichtiger erscheinen dürfte als das andre. Zum Glück blieben wir selbst
wenigstens unbelästigt voll dieser gefährlichen Moskitoart, von der Kanitz er¬
zählt, sie erscheine alljährlich zu Beginn des Frühlings, oft schon im März,
un> in wolkenartigen Schwärmen das weidende Vieh und die Arbeiter auf dem
Felde zu überfallen, und zwar „nicht selten in solchen Mengen, daß der ganze
Körper mehrere Linien dick damit bedeckt ist. Wie Augenzeugen versichern,
Wühlt die Fliege bei ihrem Augriff vorzüglich die znrteu unbehaarten Teile
ihrer Schlnchtopfer und setzt sich namentlich in die Winkel der Augen, bei dem
Vieh — außer andern zarten Stellen — in die Ohren, Nasenhöhluugen,
ni den Schlund lind in die Luftröhre in solcher Dichtigkeit hinein, daß die
Tiere buchstäblich ersticken müssen. Jeder Stich, den dieses Insekt versetzt, ver¬
ursacht brennendes Jucken und eine sehr schmerzende, harte, rasch entstehende
Geschwulst, die kaum nach acht bis zehn Tagen heilt. Mehrere solche Stiche,
namentlich wenn sie nahe nebeneinander erfolgen, erregen heftige Entzündungs-
fieber, bei sehr reizbaren Personen Krümpfe und Konvulsionen und manchmal
sogar den Tod. Ist der Tod auch uicht immer die unmittelbare Folge, so
treten bei dein Vieh doch oft langwierige Krankheiten, Mangel an Freßlust,
Untauglichkeit zur Feldarbeit, Abmagerung bei dem Mastvieh, Verlust der
Milch bei den Kühen u. a. ein." „Alle bisher gegen diese Verheerungen in Vor¬
schlag gebrachten Mittel, berichtet Kanitz, beschränken sich auf Palliative, welche
das Übel zwar lindern, aber nicht radikal zu heilen vermögen. So pflegt man
im Banat, wenn das Insekt erscheint, Haufen von Stroh, Mist und dürrem
Reisig anzuzünden. Das geängstigte Vieh sucht Schutz unter dem sich ent¬
wickelnden Manche, welcher große Niederlagen unter dem anrückenden Feinde
hervorbringt. Die sich rettenden Reste verursachen jedoch durch ihre sich ent¬
wickelnde Brut im nächsten Jahre neue Überfälle. Man schloß auch die Öff¬
nungen der Felsenhöhlen durch Aufführung von Mauern, weil man die Geburts¬
stätten der Fliegen in diesen vermutete. Bei genauern Beobachtungen stellte
sich aber heraus, daß die Schwärme nur bei Unwetter in die Höhlen flüchten
und bei günstiger Witterung aus denselben hervorbrechen." So wird denn
auch heute noch die „Golubatzer Fliege zu einer wahren Landplage für Serbien
«Yd das Banat, und in manchen Jahren drang sie auch schon weit über deren
Grenzen hinaus, wie beispielsweise 1830, wo an der mährischen March viele
Hunderte Pferde, Kühe und Schweine den Verletzungen durch diese Fliege er¬
lagen."
Uns ließ sie zum Glück am Leben und verschonte uns sogar ganz, als
wir uns auf den obersten Teil des Vorderdecks begeben hatten in der Er-
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