Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.An der Schmölle des (Orients roten Felswänden hindurch in tosendein Ungestüm erzwingt, indem er mit ver¬ Es war ein klarer, sonnenglnnzendcr Tag, an dem wir um ^12 Uhr von An der Schmölle des (Orients roten Felswänden hindurch in tosendein Ungestüm erzwingt, indem er mit ver¬ Es war ein klarer, sonnenglnnzendcr Tag, an dem wir um ^12 Uhr von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0238" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/232790"/> <fw type="header" place="top"> An der Schmölle des (Orients</fw><lb/> <p xml:id="ID_730" prev="#ID_729"> roten Felswänden hindurch in tosendein Ungestüm erzwingt, indem er mit ver¬<lb/> doppelter Hast seine sich bäumenden Wellen dahinjngt. Ähnlich verhält es<lb/> sich mit dem Eisernen Thor der Donan. Der große zusammenhängende Ge-<lb/> birgszug, dessen nördlicher Teil, die Karpathen, in weitem Bogen Ungarn und<lb/> Siebenbürgen umziehn und gegen das galizisch-polnische und rumänisch-russische<lb/> Hügel- und Flachland absperren, wird im Eisernen Thor von Orsowa von<lb/> der Donau durchbrochen; jenseits streicht er zunächst in den östlichen Gebirgs-<lb/> zügen von Serbien nach Süden, wendet sich dann wieder östlich, erhebt sich<lb/> im Berkowitza- und Etropolbalkan mehr und mehr, am höchsten aber im Chodscha-<lb/> balkan und türmt sich zu der langen von Westen nach Osten parallel der Donau<lb/> laufenden Mauer auf, die Nord- und Südbnlgarien voneinander trennt, und<lb/> deren Übersteigung den Russen 1877/78 nächst dem Kampfe von Plewna die<lb/> furchtbarsten Opfer kosten sollte. Während aber das eigentliche Eiserne Thor<lb/> der Donau, die Strecke zwischen Orsowa und Turm-Severin mit dem des<lb/> Wardar wohl die starke Strömung und die tosende» Wellen, nicht aber die<lb/> herrlichen Felspartien dicht zusammentretender Berge gemein hat, liegen die<lb/> schönsten Stellen und großartigsten Partien des Gcbirgsdnrchbruchs der Donau<lb/> zwischen den Karpathen und ihrer südlichen Fortsetzung zum Balkan etwas weiter<lb/> oben auf der Strecke zwischen Golubaz und Ogrcidina; zweimal tritt hier auf<lb/> lungern Strecken das Gebirge auf ungarischer und serbischer Seite dicht an den<lb/> majestätischen Strom heran, zuerst in dem entzückenden sogenannten kleinen<lb/> Eisernen Thor von Golubaz bis zum Grebenfelsen, wonach sich der Fluß zu<lb/> einem weiten Meere bei Milanowaz verbreitert, und dann eine Zeit lang zwischen<lb/> dem beiderseits etwas weiter zurücktretenden, sich in duftiger Luftperspektive<lb/> staffelförmig erhebenden Gebirge dem engsten und großartigsten Durchpaß zu¬<lb/> strömt, der Kazanenge, in der sich himmelaustrebeud beiderseits die gewaltigen<lb/> Kalkfelsen und schroffen Bergabstürze, bewuchert von üppigem Grün, erheben,<lb/> indem sie nur einmal in der Mitte der Enge auf ungarischer Seite etwas<lb/> zurücktreten, bei dem Dörfchen Dubowa.</p><lb/> <p xml:id="ID_731" next="#ID_732"> Es war ein klarer, sonnenglnnzendcr Tag, an dem wir um ^12 Uhr von<lb/> Golubaz abfuhren. So klein und unbedeutend der Ort ist, so hat sich sein<lb/> Name doch eine Zeit lang weithin, vor allem in der gelehrten Welt, einen<lb/> Ruf verschafft. Der Träger dieser allerdings etwas Übeln Berühmtheit war<lb/> die „Kolumbatscher Mücke." Ihre „Geschichte" schrieb zuerst 1793 ein Dr. Schön¬<lb/> bauer. seiner Annahme, dieses bösartige Insekt entstehe ohne Eier und Larven<lb/> frei aus dem Wusser, schloß sich später ein Dr. Mcdovic an, der sie, wenn<lb/> auch nicht ans dem Wasser selber, so doch aus einem gelblich weißen Schleime<lb/> in den hier der Donau zufließenden serbischen Bächen entstehn läßt; nachdem<lb/> aber schon 1821 die Untersuchungen des Dr. Verdat und dann die eines<lb/> schwedischen Naturforschers die nahe Verwandtschaft dieses Golubazer Moskitos<lb/> mit dem Liinuliurn Lvrioeuni und dem Lirnuliuni Luhn-las erwiesen hatten,<lb/> wurde die Vermutung einer freien Zeugung, an die jn heute nach dem<lb/> Durchdringen von Darwins Anschauungen niemand mehr und vollends nicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0238]
An der Schmölle des (Orients
roten Felswänden hindurch in tosendein Ungestüm erzwingt, indem er mit ver¬
doppelter Hast seine sich bäumenden Wellen dahinjngt. Ähnlich verhält es
sich mit dem Eisernen Thor der Donan. Der große zusammenhängende Ge-
birgszug, dessen nördlicher Teil, die Karpathen, in weitem Bogen Ungarn und
Siebenbürgen umziehn und gegen das galizisch-polnische und rumänisch-russische
Hügel- und Flachland absperren, wird im Eisernen Thor von Orsowa von
der Donau durchbrochen; jenseits streicht er zunächst in den östlichen Gebirgs-
zügen von Serbien nach Süden, wendet sich dann wieder östlich, erhebt sich
im Berkowitza- und Etropolbalkan mehr und mehr, am höchsten aber im Chodscha-
balkan und türmt sich zu der langen von Westen nach Osten parallel der Donau
laufenden Mauer auf, die Nord- und Südbnlgarien voneinander trennt, und
deren Übersteigung den Russen 1877/78 nächst dem Kampfe von Plewna die
furchtbarsten Opfer kosten sollte. Während aber das eigentliche Eiserne Thor
der Donau, die Strecke zwischen Orsowa und Turm-Severin mit dem des
Wardar wohl die starke Strömung und die tosende» Wellen, nicht aber die
herrlichen Felspartien dicht zusammentretender Berge gemein hat, liegen die
schönsten Stellen und großartigsten Partien des Gcbirgsdnrchbruchs der Donau
zwischen den Karpathen und ihrer südlichen Fortsetzung zum Balkan etwas weiter
oben auf der Strecke zwischen Golubaz und Ogrcidina; zweimal tritt hier auf
lungern Strecken das Gebirge auf ungarischer und serbischer Seite dicht an den
majestätischen Strom heran, zuerst in dem entzückenden sogenannten kleinen
Eisernen Thor von Golubaz bis zum Grebenfelsen, wonach sich der Fluß zu
einem weiten Meere bei Milanowaz verbreitert, und dann eine Zeit lang zwischen
dem beiderseits etwas weiter zurücktretenden, sich in duftiger Luftperspektive
staffelförmig erhebenden Gebirge dem engsten und großartigsten Durchpaß zu¬
strömt, der Kazanenge, in der sich himmelaustrebeud beiderseits die gewaltigen
Kalkfelsen und schroffen Bergabstürze, bewuchert von üppigem Grün, erheben,
indem sie nur einmal in der Mitte der Enge auf ungarischer Seite etwas
zurücktreten, bei dem Dörfchen Dubowa.
Es war ein klarer, sonnenglnnzendcr Tag, an dem wir um ^12 Uhr von
Golubaz abfuhren. So klein und unbedeutend der Ort ist, so hat sich sein
Name doch eine Zeit lang weithin, vor allem in der gelehrten Welt, einen
Ruf verschafft. Der Träger dieser allerdings etwas Übeln Berühmtheit war
die „Kolumbatscher Mücke." Ihre „Geschichte" schrieb zuerst 1793 ein Dr. Schön¬
bauer. seiner Annahme, dieses bösartige Insekt entstehe ohne Eier und Larven
frei aus dem Wusser, schloß sich später ein Dr. Mcdovic an, der sie, wenn
auch nicht ans dem Wasser selber, so doch aus einem gelblich weißen Schleime
in den hier der Donau zufließenden serbischen Bächen entstehn läßt; nachdem
aber schon 1821 die Untersuchungen des Dr. Verdat und dann die eines
schwedischen Naturforschers die nahe Verwandtschaft dieses Golubazer Moskitos
mit dem Liinuliurn Lvrioeuni und dem Lirnuliuni Luhn-las erwiesen hatten,
wurde die Vermutung einer freien Zeugung, an die jn heute nach dem
Durchdringen von Darwins Anschauungen niemand mehr und vollends nicht
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