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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Die Aufteilung Afrikas

England glaubte nach diesem Vertrage der Entwicklung der Dinge ruhig
entgegensehen zu können. Denn der baldige Bankrott der Republik schien un¬
vermeidlich. Da trat ein Umstand ein, der die Republik mit einem Schlage
aller finanziellen Sorgen entledigte: In den Jahren 1884 und 1885 wurden
die Goldminen entdeckt. Nun hatten die Buren das Gesetz, daß Mineralien
nicht abgebaut werden dürften. Dieses Gesetz wurde nach hartnäckigem Wider¬
stande eines Teils der Buren doch vom Volksraade aufgehoben, und einigen
Miuengescllschaften wurden Konzessionen erteilt. Transvaal wurde in wenigen
Jahren ein reiches Land, aber mit dem Golde war eine schwere Sorge ins Land
gekommen, das Uitländertum. England war um seine Hoffnungen auf eine
friedliche Annexion Transvaals betrogen, und zugleich erlebte es eine zweite
Unannehmlichkeit: Deutschland erschien als kolonialer Konkurrent in Afrika.

Der Bremer Kaufmann Lüderitz hatte mit sicherm Blick den wirtschaft¬
lichen Wert Südafrikas erkannt und in der Bai von Se. Lucia im Sululande
Besitztitel erworben. Nun suchte" sich auch Buren, die ins Snlulaud gedrungen
waren und hier die "Neue Republik" gegründet hatten, diesen Exporthafen
zu sichern. Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte -- England einigte
sich 1835 mit Bismarck, der die deutscheu Ansprüche fallen ließ. Das Sulu-
lcmd wurde dann 1887 zur britischen Kronkvlonie gemacht, in Transvaal aber
herrschte eine böse Mißstimmung gegen die Deutschen. Bismarck hat jeden¬
falls in der Se. Lueiabai ein überaus wertvolles Besitztum fallen lasten.
England aber hatte damit die Zernierung der Burenstaaten im Süden
abgeschlossen.

Das Erscheinen der deutschen Flagge in Südafrika flößte England bange
Befürchtungen ein: sie äußerten sich in einer wahren Annexionswut. Die Er¬
werbung von Deutsch-Südwestafrika im August 1884 vermochte es trotz leb¬
haftester Proteste nicht zu verhindern. Es suchte aber die Entwicklung der
deutschen Kolonie möglichst zu unterbinden, indem es die Ausbreitung nach
Osten und die Verbindung mit den Burenrepubliken lähmte. Es annektierte
das Vetschnanaland, d. h. nach der amtlichen Mitteilung in der Le. ^"urvs
(^xöttö vom 30. Januar 1885 die Teile Südafrikas, die im Osten von der
südafrikanischen Republik, im Süden von der Kapkolonie, im Westen vom
zwanzigsten Meridian östlicher Länge v. Gr. und im Norden vom zwei-
undzwanzigsten Grad südlicher Breite begrenzt sind und "nicht unter der Juris¬
diktion irgend einer zivilisierten Macht stehen."

Damit war zugleich ein neuer britischer Staatsgrundsatz aufgestellt, nämlich
das; alles "Herreulose" Land ohne weiteres durch einen Federstrich des britischen
Kolonialministers zur englischen Kronkvlonie gemacht werden könne. Ob ein
Engländer je das betreffende Gebiet betreten hat oder nicht, ist dabei ganz
gleichgiltig. Mit diesem lächerlichen Grundsatz hat England zwar das Bet-


Die Aufteilung Afrikas

England glaubte nach diesem Vertrage der Entwicklung der Dinge ruhig
entgegensehen zu können. Denn der baldige Bankrott der Republik schien un¬
vermeidlich. Da trat ein Umstand ein, der die Republik mit einem Schlage
aller finanziellen Sorgen entledigte: In den Jahren 1884 und 1885 wurden
die Goldminen entdeckt. Nun hatten die Buren das Gesetz, daß Mineralien
nicht abgebaut werden dürften. Dieses Gesetz wurde nach hartnäckigem Wider¬
stande eines Teils der Buren doch vom Volksraade aufgehoben, und einigen
Miuengescllschaften wurden Konzessionen erteilt. Transvaal wurde in wenigen
Jahren ein reiches Land, aber mit dem Golde war eine schwere Sorge ins Land
gekommen, das Uitländertum. England war um seine Hoffnungen auf eine
friedliche Annexion Transvaals betrogen, und zugleich erlebte es eine zweite
Unannehmlichkeit: Deutschland erschien als kolonialer Konkurrent in Afrika.

Der Bremer Kaufmann Lüderitz hatte mit sicherm Blick den wirtschaft¬
lichen Wert Südafrikas erkannt und in der Bai von Se. Lucia im Sululande
Besitztitel erworben. Nun suchte» sich auch Buren, die ins Snlulaud gedrungen
waren und hier die „Neue Republik" gegründet hatten, diesen Exporthafen
zu sichern. Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte — England einigte
sich 1835 mit Bismarck, der die deutscheu Ansprüche fallen ließ. Das Sulu-
lcmd wurde dann 1887 zur britischen Kronkvlonie gemacht, in Transvaal aber
herrschte eine böse Mißstimmung gegen die Deutschen. Bismarck hat jeden¬
falls in der Se. Lueiabai ein überaus wertvolles Besitztum fallen lasten.
England aber hatte damit die Zernierung der Burenstaaten im Süden
abgeschlossen.

Das Erscheinen der deutschen Flagge in Südafrika flößte England bange
Befürchtungen ein: sie äußerten sich in einer wahren Annexionswut. Die Er¬
werbung von Deutsch-Südwestafrika im August 1884 vermochte es trotz leb¬
haftester Proteste nicht zu verhindern. Es suchte aber die Entwicklung der
deutschen Kolonie möglichst zu unterbinden, indem es die Ausbreitung nach
Osten und die Verbindung mit den Burenrepubliken lähmte. Es annektierte
das Vetschnanaland, d. h. nach der amtlichen Mitteilung in der Le. ^»urvs
(^xöttö vom 30. Januar 1885 die Teile Südafrikas, die im Osten von der
südafrikanischen Republik, im Süden von der Kapkolonie, im Westen vom
zwanzigsten Meridian östlicher Länge v. Gr. und im Norden vom zwei-
undzwanzigsten Grad südlicher Breite begrenzt sind und „nicht unter der Juris¬
diktion irgend einer zivilisierten Macht stehen."

Damit war zugleich ein neuer britischer Staatsgrundsatz aufgestellt, nämlich
das; alles „Herreulose" Land ohne weiteres durch einen Federstrich des britischen
Kolonialministers zur englischen Kronkvlonie gemacht werden könne. Ob ein
Engländer je das betreffende Gebiet betreten hat oder nicht, ist dabei ganz
gleichgiltig. Mit diesem lächerlichen Grundsatz hat England zwar das Bet-


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[0070] Die Aufteilung Afrikas England glaubte nach diesem Vertrage der Entwicklung der Dinge ruhig entgegensehen zu können. Denn der baldige Bankrott der Republik schien un¬ vermeidlich. Da trat ein Umstand ein, der die Republik mit einem Schlage aller finanziellen Sorgen entledigte: In den Jahren 1884 und 1885 wurden die Goldminen entdeckt. Nun hatten die Buren das Gesetz, daß Mineralien nicht abgebaut werden dürften. Dieses Gesetz wurde nach hartnäckigem Wider¬ stande eines Teils der Buren doch vom Volksraade aufgehoben, und einigen Miuengescllschaften wurden Konzessionen erteilt. Transvaal wurde in wenigen Jahren ein reiches Land, aber mit dem Golde war eine schwere Sorge ins Land gekommen, das Uitländertum. England war um seine Hoffnungen auf eine friedliche Annexion Transvaals betrogen, und zugleich erlebte es eine zweite Unannehmlichkeit: Deutschland erschien als kolonialer Konkurrent in Afrika. Der Bremer Kaufmann Lüderitz hatte mit sicherm Blick den wirtschaft¬ lichen Wert Südafrikas erkannt und in der Bai von Se. Lucia im Sululande Besitztitel erworben. Nun suchte» sich auch Buren, die ins Snlulaud gedrungen waren und hier die „Neue Republik" gegründet hatten, diesen Exporthafen zu sichern. Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte — England einigte sich 1835 mit Bismarck, der die deutscheu Ansprüche fallen ließ. Das Sulu- lcmd wurde dann 1887 zur britischen Kronkvlonie gemacht, in Transvaal aber herrschte eine böse Mißstimmung gegen die Deutschen. Bismarck hat jeden¬ falls in der Se. Lueiabai ein überaus wertvolles Besitztum fallen lasten. England aber hatte damit die Zernierung der Burenstaaten im Süden abgeschlossen. Das Erscheinen der deutschen Flagge in Südafrika flößte England bange Befürchtungen ein: sie äußerten sich in einer wahren Annexionswut. Die Er¬ werbung von Deutsch-Südwestafrika im August 1884 vermochte es trotz leb¬ haftester Proteste nicht zu verhindern. Es suchte aber die Entwicklung der deutschen Kolonie möglichst zu unterbinden, indem es die Ausbreitung nach Osten und die Verbindung mit den Burenrepubliken lähmte. Es annektierte das Vetschnanaland, d. h. nach der amtlichen Mitteilung in der Le. ^»urvs (^xöttö vom 30. Januar 1885 die Teile Südafrikas, die im Osten von der südafrikanischen Republik, im Süden von der Kapkolonie, im Westen vom zwanzigsten Meridian östlicher Länge v. Gr. und im Norden vom zwei- undzwanzigsten Grad südlicher Breite begrenzt sind und „nicht unter der Juris¬ diktion irgend einer zivilisierten Macht stehen." Damit war zugleich ein neuer britischer Staatsgrundsatz aufgestellt, nämlich das; alles „Herreulose" Land ohne weiteres durch einen Federstrich des britischen Kolonialministers zur englischen Kronkvlonie gemacht werden könne. Ob ein Engländer je das betreffende Gebiet betreten hat oder nicht, ist dabei ganz gleichgiltig. Mit diesem lächerlichen Grundsatz hat England zwar das Bet-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/70>, abgerufen am 15.01.2025.