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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Die Aufteilung Afrikas

sodaß dieses Land fast nur noch von Kaffern bewohnt war. Während nun
Natal friedlicher englischer Besitz blieb und keine politische Rolle mehr gespielt
hat, erhoben sich die Buren im Orcmjefreistacit, wurden aber besiegt, und eine
englische Garnison in Boomplaats hielt die Ruhe nach Möglichkeit aufrecht.
Indessen hatte England soviel Scherereien und Unkosten in seinem neuen Besitz,
daß er 1854 aufgegeben wurde. So gab es denn in diesem Jahre zwei un¬
abhängige Burenstcmtcn in Südafrika: Transvaal, dessen Unabhängigkeit schon
1848 bestätigt war und das seit September 1853 den Namen "Südafrikanische
Republik" annahm, und den Orcmjefreistaat.

England hat nun über zwei Jahrzehnte die Buren sich selbst überlassen,
lockten doch die Landesprodukte damals zu wenig, als daß England ihretwegen
soviel Verluste an Gut und Blut hätte wagen sollen. Auch waren die Re¬
publiken so in innere Kämpfe verwickelt, daß es im geeigneten Augenblick nicht
schwer fallen konnte, die fallengelassenen Zügel wieder aufzunehmen, wie das
ja auch später geschehen ist.

England hatte zudem in den fünfziger und sechziger Jahren andre Inter¬
essen, vor denen die afrikanischen zurücktrete" mußten. Der Orientkrieg, der
Aufstand in Indien und die Verwicklungen in China nahmen die Kräfte
Britanniens vollkommen in Anspruch. Es gab bis 1869 nur zwei britische
Kolonien in Südafrika: die eigentliche Kapkolonie im Osten und Natal im
Westen, dazwischen freie Kaffernreiche. Im Jahre 1869 aber wurden die
Diamantenfelder im Gebiete des Zusammenflusses des Vaal und Oranje ent¬
deckt. Da lagen Milliarden auf der Straße, und die stachen den Engländern
in die Augen. Die Diamantenfelder gehörten zum Teil dem unabhängigen Misch¬
volke der Griqua, zum Teil dem Oranjcfreistaat (Kimberley). England nahm
ohne Ziererei das Diamauteuland in Beschlag. Mit der Entdeckung des Reich¬
tums von Südafrika hob sich Englands Interesse an Südafrika wunderbar
schnell. Es machte sich daran, im Osten von Kapland die freien Kaffernreiche
zu unterdrücken. Allerdings hatte es auch eine wichtige Veranlassung dazu,
die Kaffernstämme bedrohten die weiße Bevölkerung unaufhörlich und brachte"
so eine andauernde Unsicherheit der Zustände hervor. Zudem war es bei der
wachsenden Bedeutung des Kaplandes gefährlich, das Nachbarland "herrenlos"
zu lassen. Bis zum Ende der siebziger Jahre war England in den Besitz des
ganzen Gebiets zwischen Oranje und Tugelci, wenigstens nominell, gelangt.
Denn als es die thatsächliche Beherrschung durchführen wollte, erklärten die
Basuto (1880) deu Krieg und erzielten nach drei Jahren siegreicher Kämpfe
im Friedensschlüsse sehr günstige Bedingungen. England hat nnr das Recht,
einen Residenten im Basntolande zu halten, und zahlt außerdem zu den Staats¬
ausgaben des Landes einen beträchtlichen Beitrag. Außer Missionaren uno
Beamten duldet dieses kraftvolle Negervolk keine Europäer in seinem ungemein


Die Aufteilung Afrikas

sodaß dieses Land fast nur noch von Kaffern bewohnt war. Während nun
Natal friedlicher englischer Besitz blieb und keine politische Rolle mehr gespielt
hat, erhoben sich die Buren im Orcmjefreistacit, wurden aber besiegt, und eine
englische Garnison in Boomplaats hielt die Ruhe nach Möglichkeit aufrecht.
Indessen hatte England soviel Scherereien und Unkosten in seinem neuen Besitz,
daß er 1854 aufgegeben wurde. So gab es denn in diesem Jahre zwei un¬
abhängige Burenstcmtcn in Südafrika: Transvaal, dessen Unabhängigkeit schon
1848 bestätigt war und das seit September 1853 den Namen „Südafrikanische
Republik" annahm, und den Orcmjefreistaat.

England hat nun über zwei Jahrzehnte die Buren sich selbst überlassen,
lockten doch die Landesprodukte damals zu wenig, als daß England ihretwegen
soviel Verluste an Gut und Blut hätte wagen sollen. Auch waren die Re¬
publiken so in innere Kämpfe verwickelt, daß es im geeigneten Augenblick nicht
schwer fallen konnte, die fallengelassenen Zügel wieder aufzunehmen, wie das
ja auch später geschehen ist.

England hatte zudem in den fünfziger und sechziger Jahren andre Inter¬
essen, vor denen die afrikanischen zurücktrete» mußten. Der Orientkrieg, der
Aufstand in Indien und die Verwicklungen in China nahmen die Kräfte
Britanniens vollkommen in Anspruch. Es gab bis 1869 nur zwei britische
Kolonien in Südafrika: die eigentliche Kapkolonie im Osten und Natal im
Westen, dazwischen freie Kaffernreiche. Im Jahre 1869 aber wurden die
Diamantenfelder im Gebiete des Zusammenflusses des Vaal und Oranje ent¬
deckt. Da lagen Milliarden auf der Straße, und die stachen den Engländern
in die Augen. Die Diamantenfelder gehörten zum Teil dem unabhängigen Misch¬
volke der Griqua, zum Teil dem Oranjcfreistaat (Kimberley). England nahm
ohne Ziererei das Diamauteuland in Beschlag. Mit der Entdeckung des Reich¬
tums von Südafrika hob sich Englands Interesse an Südafrika wunderbar
schnell. Es machte sich daran, im Osten von Kapland die freien Kaffernreiche
zu unterdrücken. Allerdings hatte es auch eine wichtige Veranlassung dazu,
die Kaffernstämme bedrohten die weiße Bevölkerung unaufhörlich und brachte»
so eine andauernde Unsicherheit der Zustände hervor. Zudem war es bei der
wachsenden Bedeutung des Kaplandes gefährlich, das Nachbarland „herrenlos"
zu lassen. Bis zum Ende der siebziger Jahre war England in den Besitz des
ganzen Gebiets zwischen Oranje und Tugelci, wenigstens nominell, gelangt.
Denn als es die thatsächliche Beherrschung durchführen wollte, erklärten die
Basuto (1880) deu Krieg und erzielten nach drei Jahren siegreicher Kämpfe
im Friedensschlüsse sehr günstige Bedingungen. England hat nnr das Recht,
einen Residenten im Basntolande zu halten, und zahlt außerdem zu den Staats¬
ausgaben des Landes einen beträchtlichen Beitrag. Außer Missionaren uno
Beamten duldet dieses kraftvolle Negervolk keine Europäer in seinem ungemein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/68>, abgerufen am 15.01.2025.