Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Aufteilung Afrikas
Hans Wagner vonin

hier und Europa ringen seit Jahrtausenden um die Hegemonie,
ohne daß der Kampf völlig entschieden wäre. Asiens Macht
sind seine ungezählten Menschenmassen, Europa schöpfte die Kraft
zum Widerstände aus der individuelle" Fähigkeit seiner Bewohner.
Wie ein starkes Schiff unter tausendfältig brandenden Wogen
Stand hält und immer wieder auftaucht aus dem Gischt der Wellen, so über¬
wand die weiße Nasse die Völkerfluten der Perser, Hunnen, Mongolen und
Türken. Zwar versuchte auch Europa in den Ruhepausen der asiatischen Be¬
wegung von der Abwehr zum Angriff überzugehn, aber dazu waren seine
Kräfte zu schwach. Die Züge Alexanders des Großen, auch die Kreuzzüge be¬
rührten nnr kleine Teile des größten Kontinents, und ihre Erfolge hatten
keinen Bestand. Die gelbe Rasse selbst haben sie nicht erschüttert. Erst das
neunzehnte Jahrhundert hat den Sieg Enropas und der weißen Nasse gebracht.
Der russische Doppeladler hat den Norden des Kontinents bis zum Gelben
Meer, die weiten Reiche Dhingiskhcms überflogen, im Süden herrscht Albion,
in Hinterindien Frankreich, und nun hadern die Völker Europas um das
Türkcnerbe und um die Beute im Osten. Noch ist der Kampf nicht.,, ent¬
schieden. Noch können Jahrzehnte vergehn, ehe Asien Europas Szepter völlig
gehorcht, und noch ist die Gefahr nicht entschwunden, daß das mongolische
Völkermeer von neuem über die Ufer schlage.

Wie anders Afrika!

Noch vor einem Dutzend Jahren erfreute sich dieser Erdteil in stiller Ab¬
geschiedenheit der Gleichgiltigkeit Europas. Einige Naturforscher zogen in das
Dunkel des Kontinents hinein, um der Wissenschaft zu dienen, und brachten
der staunenden Menge der Neuigkeiten viel. Der Staatsmann aber würdigte
den Kontinent nur selten eines Blickes. Da brachte das Jahr 1884 einen
erstaunlichen Umschwung der Gefühle für Afrika. Mit einem Schlage stand
Afrika im Vordergrunde der Weltpolitik. Das Lsinpör aliamä novi "zx ^krieg,
erhielt eine neue ungeahnte Bestätigung, und kaum waren ein Dutzend Jahre
ins Land gegangen, da war Afrika aufgeteilt, und die weiße Karte dieses Kon¬
tinents vollkommen bedeckt mit den Farben der europäischen Staaten!




Die Aufteilung Afrikas
Hans Wagner vonin

hier und Europa ringen seit Jahrtausenden um die Hegemonie,
ohne daß der Kampf völlig entschieden wäre. Asiens Macht
sind seine ungezählten Menschenmassen, Europa schöpfte die Kraft
zum Widerstände aus der individuelle» Fähigkeit seiner Bewohner.
Wie ein starkes Schiff unter tausendfältig brandenden Wogen
Stand hält und immer wieder auftaucht aus dem Gischt der Wellen, so über¬
wand die weiße Nasse die Völkerfluten der Perser, Hunnen, Mongolen und
Türken. Zwar versuchte auch Europa in den Ruhepausen der asiatischen Be¬
wegung von der Abwehr zum Angriff überzugehn, aber dazu waren seine
Kräfte zu schwach. Die Züge Alexanders des Großen, auch die Kreuzzüge be¬
rührten nnr kleine Teile des größten Kontinents, und ihre Erfolge hatten
keinen Bestand. Die gelbe Rasse selbst haben sie nicht erschüttert. Erst das
neunzehnte Jahrhundert hat den Sieg Enropas und der weißen Nasse gebracht.
Der russische Doppeladler hat den Norden des Kontinents bis zum Gelben
Meer, die weiten Reiche Dhingiskhcms überflogen, im Süden herrscht Albion,
in Hinterindien Frankreich, und nun hadern die Völker Europas um das
Türkcnerbe und um die Beute im Osten. Noch ist der Kampf nicht.,, ent¬
schieden. Noch können Jahrzehnte vergehn, ehe Asien Europas Szepter völlig
gehorcht, und noch ist die Gefahr nicht entschwunden, daß das mongolische
Völkermeer von neuem über die Ufer schlage.

Wie anders Afrika!

Noch vor einem Dutzend Jahren erfreute sich dieser Erdteil in stiller Ab¬
geschiedenheit der Gleichgiltigkeit Europas. Einige Naturforscher zogen in das
Dunkel des Kontinents hinein, um der Wissenschaft zu dienen, und brachten
der staunenden Menge der Neuigkeiten viel. Der Staatsmann aber würdigte
den Kontinent nur selten eines Blickes. Da brachte das Jahr 1884 einen
erstaunlichen Umschwung der Gefühle für Afrika. Mit einem Schlage stand
Afrika im Vordergrunde der Weltpolitik. Das Lsinpör aliamä novi «zx ^krieg,
erhielt eine neue ungeahnte Bestätigung, und kaum waren ein Dutzend Jahre
ins Land gegangen, da war Afrika aufgeteilt, und die weiße Karte dieses Kon¬
tinents vollkommen bedeckt mit den Farben der europäischen Staaten!


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0066" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231236"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341869_231169/figures/grenzboten_341869_231169_231236_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Aufteilung Afrikas<lb/><note type="byline"> Hans Wagner </note> vonin</head><lb/>
          <p xml:id="ID_174"> hier und Europa ringen seit Jahrtausenden um die Hegemonie,<lb/>
ohne daß der Kampf völlig entschieden wäre. Asiens Macht<lb/>
sind seine ungezählten Menschenmassen, Europa schöpfte die Kraft<lb/>
zum Widerstände aus der individuelle» Fähigkeit seiner Bewohner.<lb/>
Wie ein starkes Schiff unter tausendfältig brandenden Wogen<lb/>
Stand hält und immer wieder auftaucht aus dem Gischt der Wellen, so über¬<lb/>
wand die weiße Nasse die Völkerfluten der Perser, Hunnen, Mongolen und<lb/>
Türken. Zwar versuchte auch Europa in den Ruhepausen der asiatischen Be¬<lb/>
wegung von der Abwehr zum Angriff überzugehn, aber dazu waren seine<lb/>
Kräfte zu schwach. Die Züge Alexanders des Großen, auch die Kreuzzüge be¬<lb/>
rührten nnr kleine Teile des größten Kontinents, und ihre Erfolge hatten<lb/>
keinen Bestand. Die gelbe Rasse selbst haben sie nicht erschüttert. Erst das<lb/>
neunzehnte Jahrhundert hat den Sieg Enropas und der weißen Nasse gebracht.<lb/>
Der russische Doppeladler hat den Norden des Kontinents bis zum Gelben<lb/>
Meer, die weiten Reiche Dhingiskhcms überflogen, im Süden herrscht Albion,<lb/>
in Hinterindien Frankreich, und nun hadern die Völker Europas um das<lb/>
Türkcnerbe und um die Beute im Osten. Noch ist der Kampf nicht.,, ent¬<lb/>
schieden. Noch können Jahrzehnte vergehn, ehe Asien Europas Szepter völlig<lb/>
gehorcht, und noch ist die Gefahr nicht entschwunden, daß das mongolische<lb/>
Völkermeer von neuem über die Ufer schlage.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_175"> Wie anders Afrika!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_176"> Noch vor einem Dutzend Jahren erfreute sich dieser Erdteil in stiller Ab¬<lb/>
geschiedenheit der Gleichgiltigkeit Europas. Einige Naturforscher zogen in das<lb/>
Dunkel des Kontinents hinein, um der Wissenschaft zu dienen, und brachten<lb/>
der staunenden Menge der Neuigkeiten viel. Der Staatsmann aber würdigte<lb/>
den Kontinent nur selten eines Blickes. Da brachte das Jahr 1884 einen<lb/>
erstaunlichen Umschwung der Gefühle für Afrika. Mit einem Schlage stand<lb/>
Afrika im Vordergrunde der Weltpolitik. Das Lsinpör aliamä novi «zx ^krieg,<lb/>
erhielt eine neue ungeahnte Bestätigung, und kaum waren ein Dutzend Jahre<lb/>
ins Land gegangen, da war Afrika aufgeteilt, und die weiße Karte dieses Kon¬<lb/>
tinents vollkommen bedeckt mit den Farben der europäischen Staaten!</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0066] [Abbildung] Die Aufteilung Afrikas Hans Wagner vonin hier und Europa ringen seit Jahrtausenden um die Hegemonie, ohne daß der Kampf völlig entschieden wäre. Asiens Macht sind seine ungezählten Menschenmassen, Europa schöpfte die Kraft zum Widerstände aus der individuelle» Fähigkeit seiner Bewohner. Wie ein starkes Schiff unter tausendfältig brandenden Wogen Stand hält und immer wieder auftaucht aus dem Gischt der Wellen, so über¬ wand die weiße Nasse die Völkerfluten der Perser, Hunnen, Mongolen und Türken. Zwar versuchte auch Europa in den Ruhepausen der asiatischen Be¬ wegung von der Abwehr zum Angriff überzugehn, aber dazu waren seine Kräfte zu schwach. Die Züge Alexanders des Großen, auch die Kreuzzüge be¬ rührten nnr kleine Teile des größten Kontinents, und ihre Erfolge hatten keinen Bestand. Die gelbe Rasse selbst haben sie nicht erschüttert. Erst das neunzehnte Jahrhundert hat den Sieg Enropas und der weißen Nasse gebracht. Der russische Doppeladler hat den Norden des Kontinents bis zum Gelben Meer, die weiten Reiche Dhingiskhcms überflogen, im Süden herrscht Albion, in Hinterindien Frankreich, und nun hadern die Völker Europas um das Türkcnerbe und um die Beute im Osten. Noch ist der Kampf nicht.,, ent¬ schieden. Noch können Jahrzehnte vergehn, ehe Asien Europas Szepter völlig gehorcht, und noch ist die Gefahr nicht entschwunden, daß das mongolische Völkermeer von neuem über die Ufer schlage. Wie anders Afrika! Noch vor einem Dutzend Jahren erfreute sich dieser Erdteil in stiller Ab¬ geschiedenheit der Gleichgiltigkeit Europas. Einige Naturforscher zogen in das Dunkel des Kontinents hinein, um der Wissenschaft zu dienen, und brachten der staunenden Menge der Neuigkeiten viel. Der Staatsmann aber würdigte den Kontinent nur selten eines Blickes. Da brachte das Jahr 1884 einen erstaunlichen Umschwung der Gefühle für Afrika. Mit einem Schlage stand Afrika im Vordergrunde der Weltpolitik. Das Lsinpör aliamä novi «zx ^krieg, erhielt eine neue ungeahnte Bestätigung, und kaum waren ein Dutzend Jahre ins Land gegangen, da war Afrika aufgeteilt, und die weiße Karte dieses Kon¬ tinents vollkommen bedeckt mit den Farben der europäischen Staaten!

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/66
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/66>, abgerufen am 15.01.2025.