Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Rentenstellen und Vermögensausgleich

Gewinn erzielen möchte, indem die Invalidenversicherung durch die Neuerungen
des Gesetzes für lange Jahre vor weitern Änderungen und Störungen in ihrer
praktischen Durchführung bewahrt bliebe. Dies vermögen wir aber nicht zu
glauben; wir sind vielmehr überzeugt, daß die Regierung, wenn sie jetzt das
Ziel hat, Teile der Vermögen und Lasten der Versicherungsträger zu vereinigen
und ihre Organe teilweise zu verstaatlichen, um die Invalidenversicherung zu
fördern, nicht auf halbem Wege, bei halben, auf die Dauer sicher unzu¬
reichenden Maßregeln stehen bleiben kann, vielmehr in nicht allzulanger Zeit
zu immer weitern gesetzgeberischen Schritten gedrängt werden wird, um die
Invalidenversicherung allgemein zu verstaatlichen.

Uns scheint die endgiltige Durchführung dieses Gedankens, nachdem ihn
einmal das jetzige Gesetz erfaßt hat, durchaus im Interesse aller Beteiligten
und einer gesunden Weiterentwicklung der Arbeiterversicherung zu liegen, und
es ist nur zu bedauern, daß es nicht schon jetzt soweit gekommen ist.

Was bisher dagegen vorgebracht worden ist, z, B. die Unmöglichkeit,
einen so gewaltigen Vermögenskomplex in fruchtbarer Weise an einer Zentral¬
stelle zu verwalten und zu verwerten, will uns nicht einleuchten. Denn
einerseits giebt es schon andre große Fonds, wie den Reichsinvalidenfonds, die
von einer Zentralbehörde ohne Schwierigkeit verwaltet werden, andrerseits
steht ja gar nichts im Wege, den als Reichs- oder Landesbehörden gedachten
Landesversicherungsanstalten als Verwaltungsstellen -- ähnlich wie es der Fall
ist bei den preußischen Oberbergümtern für den staatlichen Bergwerksbesitz, bei
den Regierungen für den Domänenbesitz ihres Bezirks -- die aus ihren Bezirken
zusammenfließenden Fonds zu überlassen und nur die jährliche Abrechnung und
Verteilung der auf jeden Bezirksfonds entfallenden Nentenbelastung, wie dies
schon jetzt geschieht, einer Zentralrechnungsstelle zu übertragen. Alsdann würden
sich auch die Nentenstellen ohne Schwierigkeit -- und unter voller Wahrung
des mit ihnen beabsichtigten Zwecks als untergeordneter Verwaltungsstellen der
Versicherungsanstalten mit den ihnen von der Regierung zugedachten Befug¬
nissen -- in die Organisation einfügen lassen; dann hätte auch die Belastung der
einzelnen Anstaltsfonds mit den gesamten Verwaltungskosten der Versicherungs¬
anstalten und Rentenstellen nichts befremdendes mehr.

Die Organisation könnte in diesem Falle auch wesentlich einfacher gemacht
werden als bisher. Es würden in Rentensachen drei Instanzen zu schaffen
sein: die Nebenstelle als erste, die Versicherungsanstalt oder die bei dieser ein¬
zurichtende, im Entwurf vorgesehen gewesene Spruchkammer als Berufungs¬
instanz, das Reichsversicherungsamt als Revisionsinstanz; in Erstattungssachen
zwei Instanzen (Nentenstelle und Versicherungsanstalt). Die Schiedsgerichte
könnten wegfallen und ebenso -- zum Vorteil einer einheitlichen Recht¬
sprechung -- die bisher zur Feststellung der Verhinderungspflicht und zur Ent¬
scheidung von Beitragsstreitigkeiten bestehenden Instanzen (untere und obere


Rentenstellen und Vermögensausgleich

Gewinn erzielen möchte, indem die Invalidenversicherung durch die Neuerungen
des Gesetzes für lange Jahre vor weitern Änderungen und Störungen in ihrer
praktischen Durchführung bewahrt bliebe. Dies vermögen wir aber nicht zu
glauben; wir sind vielmehr überzeugt, daß die Regierung, wenn sie jetzt das
Ziel hat, Teile der Vermögen und Lasten der Versicherungsträger zu vereinigen
und ihre Organe teilweise zu verstaatlichen, um die Invalidenversicherung zu
fördern, nicht auf halbem Wege, bei halben, auf die Dauer sicher unzu¬
reichenden Maßregeln stehen bleiben kann, vielmehr in nicht allzulanger Zeit
zu immer weitern gesetzgeberischen Schritten gedrängt werden wird, um die
Invalidenversicherung allgemein zu verstaatlichen.

Uns scheint die endgiltige Durchführung dieses Gedankens, nachdem ihn
einmal das jetzige Gesetz erfaßt hat, durchaus im Interesse aller Beteiligten
und einer gesunden Weiterentwicklung der Arbeiterversicherung zu liegen, und
es ist nur zu bedauern, daß es nicht schon jetzt soweit gekommen ist.

Was bisher dagegen vorgebracht worden ist, z, B. die Unmöglichkeit,
einen so gewaltigen Vermögenskomplex in fruchtbarer Weise an einer Zentral¬
stelle zu verwalten und zu verwerten, will uns nicht einleuchten. Denn
einerseits giebt es schon andre große Fonds, wie den Reichsinvalidenfonds, die
von einer Zentralbehörde ohne Schwierigkeit verwaltet werden, andrerseits
steht ja gar nichts im Wege, den als Reichs- oder Landesbehörden gedachten
Landesversicherungsanstalten als Verwaltungsstellen — ähnlich wie es der Fall
ist bei den preußischen Oberbergümtern für den staatlichen Bergwerksbesitz, bei
den Regierungen für den Domänenbesitz ihres Bezirks — die aus ihren Bezirken
zusammenfließenden Fonds zu überlassen und nur die jährliche Abrechnung und
Verteilung der auf jeden Bezirksfonds entfallenden Nentenbelastung, wie dies
schon jetzt geschieht, einer Zentralrechnungsstelle zu übertragen. Alsdann würden
sich auch die Nentenstellen ohne Schwierigkeit — und unter voller Wahrung
des mit ihnen beabsichtigten Zwecks als untergeordneter Verwaltungsstellen der
Versicherungsanstalten mit den ihnen von der Regierung zugedachten Befug¬
nissen — in die Organisation einfügen lassen; dann hätte auch die Belastung der
einzelnen Anstaltsfonds mit den gesamten Verwaltungskosten der Versicherungs¬
anstalten und Rentenstellen nichts befremdendes mehr.

Die Organisation könnte in diesem Falle auch wesentlich einfacher gemacht
werden als bisher. Es würden in Rentensachen drei Instanzen zu schaffen
sein: die Nebenstelle als erste, die Versicherungsanstalt oder die bei dieser ein¬
zurichtende, im Entwurf vorgesehen gewesene Spruchkammer als Berufungs¬
instanz, das Reichsversicherungsamt als Revisionsinstanz; in Erstattungssachen
zwei Instanzen (Nentenstelle und Versicherungsanstalt). Die Schiedsgerichte
könnten wegfallen und ebenso — zum Vorteil einer einheitlichen Recht¬
sprechung — die bisher zur Feststellung der Verhinderungspflicht und zur Ent¬
scheidung von Beitragsstreitigkeiten bestehenden Instanzen (untere und obere


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0588" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231758"/>
          <fw type="header" place="top"> Rentenstellen und Vermögensausgleich</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1926" prev="#ID_1925"> Gewinn erzielen möchte, indem die Invalidenversicherung durch die Neuerungen<lb/>
des Gesetzes für lange Jahre vor weitern Änderungen und Störungen in ihrer<lb/>
praktischen Durchführung bewahrt bliebe. Dies vermögen wir aber nicht zu<lb/>
glauben; wir sind vielmehr überzeugt, daß die Regierung, wenn sie jetzt das<lb/>
Ziel hat, Teile der Vermögen und Lasten der Versicherungsträger zu vereinigen<lb/>
und ihre Organe teilweise zu verstaatlichen, um die Invalidenversicherung zu<lb/>
fördern, nicht auf halbem Wege, bei halben, auf die Dauer sicher unzu¬<lb/>
reichenden Maßregeln stehen bleiben kann, vielmehr in nicht allzulanger Zeit<lb/>
zu immer weitern gesetzgeberischen Schritten gedrängt werden wird, um die<lb/>
Invalidenversicherung allgemein zu verstaatlichen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1927"> Uns scheint die endgiltige Durchführung dieses Gedankens, nachdem ihn<lb/>
einmal das jetzige Gesetz erfaßt hat, durchaus im Interesse aller Beteiligten<lb/>
und einer gesunden Weiterentwicklung der Arbeiterversicherung zu liegen, und<lb/>
es ist nur zu bedauern, daß es nicht schon jetzt soweit gekommen ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1928"> Was bisher dagegen vorgebracht worden ist, z, B. die Unmöglichkeit,<lb/>
einen so gewaltigen Vermögenskomplex in fruchtbarer Weise an einer Zentral¬<lb/>
stelle zu verwalten und zu verwerten, will uns nicht einleuchten. Denn<lb/>
einerseits giebt es schon andre große Fonds, wie den Reichsinvalidenfonds, die<lb/>
von einer Zentralbehörde ohne Schwierigkeit verwaltet werden, andrerseits<lb/>
steht ja gar nichts im Wege, den als Reichs- oder Landesbehörden gedachten<lb/>
Landesversicherungsanstalten als Verwaltungsstellen &#x2014; ähnlich wie es der Fall<lb/>
ist bei den preußischen Oberbergümtern für den staatlichen Bergwerksbesitz, bei<lb/>
den Regierungen für den Domänenbesitz ihres Bezirks &#x2014; die aus ihren Bezirken<lb/>
zusammenfließenden Fonds zu überlassen und nur die jährliche Abrechnung und<lb/>
Verteilung der auf jeden Bezirksfonds entfallenden Nentenbelastung, wie dies<lb/>
schon jetzt geschieht, einer Zentralrechnungsstelle zu übertragen. Alsdann würden<lb/>
sich auch die Nentenstellen ohne Schwierigkeit &#x2014; und unter voller Wahrung<lb/>
des mit ihnen beabsichtigten Zwecks als untergeordneter Verwaltungsstellen der<lb/>
Versicherungsanstalten mit den ihnen von der Regierung zugedachten Befug¬<lb/>
nissen &#x2014; in die Organisation einfügen lassen; dann hätte auch die Belastung der<lb/>
einzelnen Anstaltsfonds mit den gesamten Verwaltungskosten der Versicherungs¬<lb/>
anstalten und Rentenstellen nichts befremdendes mehr.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1929" next="#ID_1930"> Die Organisation könnte in diesem Falle auch wesentlich einfacher gemacht<lb/>
werden als bisher. Es würden in Rentensachen drei Instanzen zu schaffen<lb/>
sein: die Nebenstelle als erste, die Versicherungsanstalt oder die bei dieser ein¬<lb/>
zurichtende, im Entwurf vorgesehen gewesene Spruchkammer als Berufungs¬<lb/>
instanz, das Reichsversicherungsamt als Revisionsinstanz; in Erstattungssachen<lb/>
zwei Instanzen (Nentenstelle und Versicherungsanstalt). Die Schiedsgerichte<lb/>
könnten wegfallen und ebenso &#x2014; zum Vorteil einer einheitlichen Recht¬<lb/>
sprechung &#x2014; die bisher zur Feststellung der Verhinderungspflicht und zur Ent¬<lb/>
scheidung von Beitragsstreitigkeiten bestehenden Instanzen (untere und obere</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0588] Rentenstellen und Vermögensausgleich Gewinn erzielen möchte, indem die Invalidenversicherung durch die Neuerungen des Gesetzes für lange Jahre vor weitern Änderungen und Störungen in ihrer praktischen Durchführung bewahrt bliebe. Dies vermögen wir aber nicht zu glauben; wir sind vielmehr überzeugt, daß die Regierung, wenn sie jetzt das Ziel hat, Teile der Vermögen und Lasten der Versicherungsträger zu vereinigen und ihre Organe teilweise zu verstaatlichen, um die Invalidenversicherung zu fördern, nicht auf halbem Wege, bei halben, auf die Dauer sicher unzu¬ reichenden Maßregeln stehen bleiben kann, vielmehr in nicht allzulanger Zeit zu immer weitern gesetzgeberischen Schritten gedrängt werden wird, um die Invalidenversicherung allgemein zu verstaatlichen. Uns scheint die endgiltige Durchführung dieses Gedankens, nachdem ihn einmal das jetzige Gesetz erfaßt hat, durchaus im Interesse aller Beteiligten und einer gesunden Weiterentwicklung der Arbeiterversicherung zu liegen, und es ist nur zu bedauern, daß es nicht schon jetzt soweit gekommen ist. Was bisher dagegen vorgebracht worden ist, z, B. die Unmöglichkeit, einen so gewaltigen Vermögenskomplex in fruchtbarer Weise an einer Zentral¬ stelle zu verwalten und zu verwerten, will uns nicht einleuchten. Denn einerseits giebt es schon andre große Fonds, wie den Reichsinvalidenfonds, die von einer Zentralbehörde ohne Schwierigkeit verwaltet werden, andrerseits steht ja gar nichts im Wege, den als Reichs- oder Landesbehörden gedachten Landesversicherungsanstalten als Verwaltungsstellen — ähnlich wie es der Fall ist bei den preußischen Oberbergümtern für den staatlichen Bergwerksbesitz, bei den Regierungen für den Domänenbesitz ihres Bezirks — die aus ihren Bezirken zusammenfließenden Fonds zu überlassen und nur die jährliche Abrechnung und Verteilung der auf jeden Bezirksfonds entfallenden Nentenbelastung, wie dies schon jetzt geschieht, einer Zentralrechnungsstelle zu übertragen. Alsdann würden sich auch die Nentenstellen ohne Schwierigkeit — und unter voller Wahrung des mit ihnen beabsichtigten Zwecks als untergeordneter Verwaltungsstellen der Versicherungsanstalten mit den ihnen von der Regierung zugedachten Befug¬ nissen — in die Organisation einfügen lassen; dann hätte auch die Belastung der einzelnen Anstaltsfonds mit den gesamten Verwaltungskosten der Versicherungs¬ anstalten und Rentenstellen nichts befremdendes mehr. Die Organisation könnte in diesem Falle auch wesentlich einfacher gemacht werden als bisher. Es würden in Rentensachen drei Instanzen zu schaffen sein: die Nebenstelle als erste, die Versicherungsanstalt oder die bei dieser ein¬ zurichtende, im Entwurf vorgesehen gewesene Spruchkammer als Berufungs¬ instanz, das Reichsversicherungsamt als Revisionsinstanz; in Erstattungssachen zwei Instanzen (Nentenstelle und Versicherungsanstalt). Die Schiedsgerichte könnten wegfallen und ebenso — zum Vorteil einer einheitlichen Recht¬ sprechung — die bisher zur Feststellung der Verhinderungspflicht und zur Ent¬ scheidung von Beitragsstreitigkeiten bestehenden Instanzen (untere und obere

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/588
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/588>, abgerufen am 15.01.2025.