Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Altsächsisches Uunstgewerbe zehnten, fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert an. Um die Kirche als die Bis auf geringe Ausnahmen, wie etwa das lauschige Hermamistädter Ein größeres Gebiet als der Baukunst stand dem Kunsthandwerk offen. Altsächsisches Uunstgewerbe zehnten, fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert an. Um die Kirche als die Bis auf geringe Ausnahmen, wie etwa das lauschige Hermamistädter Ein größeres Gebiet als der Baukunst stand dem Kunsthandwerk offen. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0579" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231749"/> <fw type="header" place="top"> Altsächsisches Uunstgewerbe</fw><lb/> <p xml:id="ID_1896" prev="#ID_1895"> zehnten, fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert an. Um die Kirche als die<lb/> erhaltende Kraft ihres nationalen Daseins waren die Sachsen am lebhaftesten<lb/> besorgt. Im Burzenland sind sie, der Anlage des Dorfes gemäß errichtet, von<lb/> geradezu erstaunlicher Widerstandsfähigkeit. Das größte der sächsischen Kirchen-<lb/> kastelle ist das in Tartlau. Eine Hauptmauer von drei bis fünf Metern Dicke,<lb/> eine zweite Ringmauer und ein Wassergraben umgeben es; ja in der Gemeinde<lb/> Petersberg zieht sich noch um den Graben eine dritte Mauer. Das an Türmen<lb/> reichste Kastell mag Neustadt mit seinen neun, dan» Honigberg mit sieben<lb/> Türmen sein. Die Jnnenwand der Ringmauer ist zwei, drei Stockwerk hoch<lb/> und in Kammern geteilt, die nach der Hofseite durch einen hölzernen Rund¬<lb/> gang verbunden sind. Dorthin flüchteten die Landleute in unruhigen Zeiten<lb/> mit ihrer Habe, die im Vorhof Unterkunft fand. Brunnen, Backofen, selbst<lb/> Roßmühlen durften nicht fehlen. Während in den Kirchenkastellen der Cha¬<lb/> rakter der Kirche als Vethaus immerhin nach Möglichkeit gewahrt blieb, wich<lb/> er bei dem Bau der Verteivignngskirchen beinahe vollständig zu Gunsten der<lb/> Verteidigung. Um Kastelle mit Mauer und Graben anzulegen, fehlte das<lb/> Geld; so befestigte die ärmere Gemeinde die Kirche. Man verengte die Fenster<lb/> oder ließ sie an gefährdeten Punkten ganz fort. In einigen Ortschaften führte<lb/> man rechts und links plumpe Verteidigungstürme auf. An der Keisder und<lb/> der Klosdvrfer Kirchcuburg wiederum bilden die aus den Strebepfeilern<lb/> ruhenden Rundbogen einen sogenannten Umlauf für die Verteidiger. In Denn-<lb/> dorf diente die erhöhte Anlage des Chors, in Radeln schon das Schiff zur<lb/> Verteidigung. Ganz vereinzelt, ohne im geringsten an die Anlage einer Kirche<lb/> zu erinnern, stehn die Kirchen zu Baaßen und Schweischer da; es sind einfache<lb/> klotzige Türme, in denen dem Chor nur ein sehr bescheidner Raum gegönnt<lb/> worden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1897"> Bis auf geringe Ausnahmen, wie etwa das lauschige Hermamistädter<lb/> Rathaus, das ehedem ein Privntbau war, hat man künstlerische Profanbauten<lb/> während des Mittelalters auf dem Königsboten kaum aufgeführt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1898"> Ein größeres Gebiet als der Baukunst stand dem Kunsthandwerk offen.<lb/> Allerdings bethätigte es sich zu Anfang vornehmlich im Dienste der wohl¬<lb/> habenden und prachtliebenden Kirche. Als aber dank des Fleißes und der<lb/> Umsicht der Sachsen nach und nach Wohlhabenheit im deutschen Bürgertum<lb/> allgemeiner wurde, und das langsame Eindringen des Humanismus und der<lb/> Renaissance veredelnd auf die Ansprüche des Lebens zu wirken begann, wurde<lb/> die Kleinkunst von den begüterten Städtern besonders gepflegt und gefördert.<lb/> Der große Aufschwung des sächsischen Handels, der sich bis Venedig und<lb/> Bhzanz, bis Krcckau und Danzig, bis Köln und Basel Hinanswagen durfte,<lb/> schuf auch dem Gewerbe eine ungeahnte Entwicklung. Und im Handel wie im<lb/> Gewerbe zeigte sich andauernd die Befruchtung vom deutschen Mutterlande.<lb/> In Hermannstadt, dem Borort des eingewnnderten Stammes, in Kronstäbe,<lb/> in Mediasch, Schäßburg, Broos und Mühlbach, selbst in Klausenburg, überall<lb/> blühte das Handwerk und die von ihm gepflegte Kleinkunst. Die sieben-<lb/> bürgischen Sachsen, die im „Reich" Umschau hielten, um ihr Wissen zu mehren<lb/> und dann die Volksgenossen zu unterweisen, brachten von ihrer Reise als<lb/> schönste Gabe die Kunde vom neuen Geschmack und von seinen Schönheitsgesetzen,<lb/> und die wohl kärglich aber stetig sickernde Nachcinwanderung aus den ver¬<lb/> schiedenstem deutschen Gauen lehrte die Sachsen ihre kunstgewerblichen Arbeiten<lb/> immer mehr ausgestalten und vervollkommnen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0579]
Altsächsisches Uunstgewerbe
zehnten, fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert an. Um die Kirche als die
erhaltende Kraft ihres nationalen Daseins waren die Sachsen am lebhaftesten
besorgt. Im Burzenland sind sie, der Anlage des Dorfes gemäß errichtet, von
geradezu erstaunlicher Widerstandsfähigkeit. Das größte der sächsischen Kirchen-
kastelle ist das in Tartlau. Eine Hauptmauer von drei bis fünf Metern Dicke,
eine zweite Ringmauer und ein Wassergraben umgeben es; ja in der Gemeinde
Petersberg zieht sich noch um den Graben eine dritte Mauer. Das an Türmen
reichste Kastell mag Neustadt mit seinen neun, dan» Honigberg mit sieben
Türmen sein. Die Jnnenwand der Ringmauer ist zwei, drei Stockwerk hoch
und in Kammern geteilt, die nach der Hofseite durch einen hölzernen Rund¬
gang verbunden sind. Dorthin flüchteten die Landleute in unruhigen Zeiten
mit ihrer Habe, die im Vorhof Unterkunft fand. Brunnen, Backofen, selbst
Roßmühlen durften nicht fehlen. Während in den Kirchenkastellen der Cha¬
rakter der Kirche als Vethaus immerhin nach Möglichkeit gewahrt blieb, wich
er bei dem Bau der Verteivignngskirchen beinahe vollständig zu Gunsten der
Verteidigung. Um Kastelle mit Mauer und Graben anzulegen, fehlte das
Geld; so befestigte die ärmere Gemeinde die Kirche. Man verengte die Fenster
oder ließ sie an gefährdeten Punkten ganz fort. In einigen Ortschaften führte
man rechts und links plumpe Verteidigungstürme auf. An der Keisder und
der Klosdvrfer Kirchcuburg wiederum bilden die aus den Strebepfeilern
ruhenden Rundbogen einen sogenannten Umlauf für die Verteidiger. In Denn-
dorf diente die erhöhte Anlage des Chors, in Radeln schon das Schiff zur
Verteidigung. Ganz vereinzelt, ohne im geringsten an die Anlage einer Kirche
zu erinnern, stehn die Kirchen zu Baaßen und Schweischer da; es sind einfache
klotzige Türme, in denen dem Chor nur ein sehr bescheidner Raum gegönnt
worden ist.
Bis auf geringe Ausnahmen, wie etwa das lauschige Hermamistädter
Rathaus, das ehedem ein Privntbau war, hat man künstlerische Profanbauten
während des Mittelalters auf dem Königsboten kaum aufgeführt.
Ein größeres Gebiet als der Baukunst stand dem Kunsthandwerk offen.
Allerdings bethätigte es sich zu Anfang vornehmlich im Dienste der wohl¬
habenden und prachtliebenden Kirche. Als aber dank des Fleißes und der
Umsicht der Sachsen nach und nach Wohlhabenheit im deutschen Bürgertum
allgemeiner wurde, und das langsame Eindringen des Humanismus und der
Renaissance veredelnd auf die Ansprüche des Lebens zu wirken begann, wurde
die Kleinkunst von den begüterten Städtern besonders gepflegt und gefördert.
Der große Aufschwung des sächsischen Handels, der sich bis Venedig und
Bhzanz, bis Krcckau und Danzig, bis Köln und Basel Hinanswagen durfte,
schuf auch dem Gewerbe eine ungeahnte Entwicklung. Und im Handel wie im
Gewerbe zeigte sich andauernd die Befruchtung vom deutschen Mutterlande.
In Hermannstadt, dem Borort des eingewnnderten Stammes, in Kronstäbe,
in Mediasch, Schäßburg, Broos und Mühlbach, selbst in Klausenburg, überall
blühte das Handwerk und die von ihm gepflegte Kleinkunst. Die sieben-
bürgischen Sachsen, die im „Reich" Umschau hielten, um ihr Wissen zu mehren
und dann die Volksgenossen zu unterweisen, brachten von ihrer Reise als
schönste Gabe die Kunde vom neuen Geschmack und von seinen Schönheitsgesetzen,
und die wohl kärglich aber stetig sickernde Nachcinwanderung aus den ver¬
schiedenstem deutschen Gauen lehrte die Sachsen ihre kunstgewerblichen Arbeiten
immer mehr ausgestalten und vervollkommnen.
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