Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.(Okkultismus und Buddhismus Die lebhafte Beschäftigung mit den Zuständen der Seele vor und nach Der Mensch besteht aus sieben Grundteilen, die zwar alle eigentlich das des eben so ungesunden Spiritualismus mit allein möglichen Aberglauben folgen werde (sie ist
eben schon eingetreten); das; aber dann "ein verständig gesundes, historisch gut begründetes, glaubcnssestes und männliches Christentum, das sich aber nicht einbildet, Gott und Christus zu "erklären", oder gar durch eine heutige Bildung meistern zu können, die vorherrschende Religion der wahrhaft gebildeten Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts in seiner zweiten .Hälfte sein wird, und damit zugleich mich die Grundlage eines Staats, welcher mit Recht den Namen einer viviws voi tragen darf." (Okkultismus und Buddhismus Die lebhafte Beschäftigung mit den Zuständen der Seele vor und nach Der Mensch besteht aus sieben Grundteilen, die zwar alle eigentlich das des eben so ungesunden Spiritualismus mit allein möglichen Aberglauben folgen werde (sie ist
eben schon eingetreten); das; aber dann „ein verständig gesundes, historisch gut begründetes, glaubcnssestes und männliches Christentum, das sich aber nicht einbildet, Gott und Christus zu »erklären«, oder gar durch eine heutige Bildung meistern zu können, die vorherrschende Religion der wahrhaft gebildeten Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts in seiner zweiten .Hälfte sein wird, und damit zugleich mich die Grundlage eines Staats, welcher mit Recht den Namen einer viviws voi tragen darf." <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0550" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231720"/> <fw type="header" place="top"> (Okkultismus und Buddhismus</fw><lb/> <p xml:id="ID_1774"> Die lebhafte Beschäftigung mit den Zuständen der Seele vor und nach<lb/> ihrem Erdenleben hat die Blicke der Okkultisten nach Indien gelenkt. Vom<lb/> Buddhismus müßten sie sich eigentlich abgestoßen fühlen, denn ihrer Gier nach<lb/> Aufschlüsse!? übers Jenseits, nach dein Verkehr mit Geistern und nach eigner<lb/> Fortdauer kann doch nichts schärfer entgegengesetzt sein, als das buddhistische<lb/> Streben nach Vernichtung. Aber sie haben sich einen Geheimbuddhismns<lb/> angeschafft, der die wahre Meinung Buddhas zu kennen vorgiebt und den<lb/> Populärbuddhismus (von dem wiederum die in wüsten Götzendienst ausgeartete<lb/> buddhistische Volksreligion zu unterscheiden ist) für Irrtum erklärt. Ein Eng¬<lb/> länder, A. P. Sinnett (Pseudonym?) hat sich in Indien einweihen lassen,<lb/> und seine Lehrer haben ihm erlaubt, die wichtigsten der Geheimlehren zu<lb/> veröffentlichen. Sein vor sechzehn Jahren erschienenes Buch: Die esoterische<lb/> Lehre oder Geheimbuddhismus hat in England acht Auflagen erlebt,<lb/> und von der deutschen Ausgabe ist soeben bei Th. Grieben in Leipzig die<lb/> zweite Auflage erschienen. Die Kantische Lehre, daß der Mensch auf keinem<lb/> andern Wege Erfahrung erwerben könne als durch die logische Verarbeitung<lb/> des von den Sinnen dargebotnen Stoffes, bestreitet Sinnett. Die höchste<lb/> Vernunftthätigkeit bestehe darin, „das Wirken der Natur unmittelbar durch<lb/> deren einströmende höhere Kräfte zu erkennen," d. h. durch Hellsehen. Insofern<lb/> entspricht dieser Geheimbuddhismus dem gewöhnlichen, als er atheistisch ist;<lb/> ein von der Natur verschiednes Jenseits giebt es nicht; aber diese unendlich<lb/> große Natur, die alles in allem und das einzige Seiende ist, enthält unzählige<lb/> unirdische Daseinsweisen, und über diese weiß nun der Geheimbuddhist genaue<lb/> Auskunft zu geben. Das Leben bewegt sich in einem ewigen Kreislauf von<lb/> reiner Geistigkeit zur Verkörperlichung und von da wieder zurück zur Ver¬<lb/> geistigung. Oder vielmehr in unzähligen solchen Kreislaufen, denn jedes<lb/> Planetensystem macht seine Runden für sich. Die Verkörperlichungen und<lb/> Vergeistigungen schaffen jene Entwicklung, von der Darwin einen kleinen Teil<lb/> aufgedeckt hat. Die Entwicklung des Affen zum Menschen geht nicht auf<lb/> einem und demselben Planeten vor sich, sondern nachdem sich die riesenhaften<lb/> lockern Gebilde des einen Planeten auf einem zweiten zu affenartigen Wesen<lb/> verdichtet haben, werden deren Seelen auf einem dritten Planeten als Menschen<lb/> wiedergeboren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1775" next="#ID_1776"> Der Mensch besteht aus sieben Grundteilen, die zwar alle eigentlich das<lb/> eine Urwesen, aber dieses UrWesen auf verschiednen Entwicklungsstufen sind:</p><lb/> <note xml:id="FID_220" prev="#FID_219" place="foot"> des eben so ungesunden Spiritualismus mit allein möglichen Aberglauben folgen werde (sie ist<lb/> eben schon eingetreten); das; aber dann „ein verständig gesundes, historisch gut begründetes,<lb/> glaubcnssestes und männliches Christentum, das sich aber nicht einbildet, Gott und Christus zu<lb/> »erklären«, oder gar durch eine heutige Bildung meistern zu können, die vorherrschende Religion<lb/> der wahrhaft gebildeten Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts in seiner zweiten .Hälfte sein<lb/> wird, und damit zugleich mich die Grundlage eines Staats, welcher mit Recht den Namen einer<lb/> viviws voi tragen darf."</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0550]
(Okkultismus und Buddhismus
Die lebhafte Beschäftigung mit den Zuständen der Seele vor und nach
ihrem Erdenleben hat die Blicke der Okkultisten nach Indien gelenkt. Vom
Buddhismus müßten sie sich eigentlich abgestoßen fühlen, denn ihrer Gier nach
Aufschlüsse!? übers Jenseits, nach dein Verkehr mit Geistern und nach eigner
Fortdauer kann doch nichts schärfer entgegengesetzt sein, als das buddhistische
Streben nach Vernichtung. Aber sie haben sich einen Geheimbuddhismns
angeschafft, der die wahre Meinung Buddhas zu kennen vorgiebt und den
Populärbuddhismus (von dem wiederum die in wüsten Götzendienst ausgeartete
buddhistische Volksreligion zu unterscheiden ist) für Irrtum erklärt. Ein Eng¬
länder, A. P. Sinnett (Pseudonym?) hat sich in Indien einweihen lassen,
und seine Lehrer haben ihm erlaubt, die wichtigsten der Geheimlehren zu
veröffentlichen. Sein vor sechzehn Jahren erschienenes Buch: Die esoterische
Lehre oder Geheimbuddhismus hat in England acht Auflagen erlebt,
und von der deutschen Ausgabe ist soeben bei Th. Grieben in Leipzig die
zweite Auflage erschienen. Die Kantische Lehre, daß der Mensch auf keinem
andern Wege Erfahrung erwerben könne als durch die logische Verarbeitung
des von den Sinnen dargebotnen Stoffes, bestreitet Sinnett. Die höchste
Vernunftthätigkeit bestehe darin, „das Wirken der Natur unmittelbar durch
deren einströmende höhere Kräfte zu erkennen," d. h. durch Hellsehen. Insofern
entspricht dieser Geheimbuddhismus dem gewöhnlichen, als er atheistisch ist;
ein von der Natur verschiednes Jenseits giebt es nicht; aber diese unendlich
große Natur, die alles in allem und das einzige Seiende ist, enthält unzählige
unirdische Daseinsweisen, und über diese weiß nun der Geheimbuddhist genaue
Auskunft zu geben. Das Leben bewegt sich in einem ewigen Kreislauf von
reiner Geistigkeit zur Verkörperlichung und von da wieder zurück zur Ver¬
geistigung. Oder vielmehr in unzähligen solchen Kreislaufen, denn jedes
Planetensystem macht seine Runden für sich. Die Verkörperlichungen und
Vergeistigungen schaffen jene Entwicklung, von der Darwin einen kleinen Teil
aufgedeckt hat. Die Entwicklung des Affen zum Menschen geht nicht auf
einem und demselben Planeten vor sich, sondern nachdem sich die riesenhaften
lockern Gebilde des einen Planeten auf einem zweiten zu affenartigen Wesen
verdichtet haben, werden deren Seelen auf einem dritten Planeten als Menschen
wiedergeboren.
Der Mensch besteht aus sieben Grundteilen, die zwar alle eigentlich das
eine Urwesen, aber dieses UrWesen auf verschiednen Entwicklungsstufen sind:
des eben so ungesunden Spiritualismus mit allein möglichen Aberglauben folgen werde (sie ist
eben schon eingetreten); das; aber dann „ein verständig gesundes, historisch gut begründetes,
glaubcnssestes und männliches Christentum, das sich aber nicht einbildet, Gott und Christus zu
»erklären«, oder gar durch eine heutige Bildung meistern zu können, die vorherrschende Religion
der wahrhaft gebildeten Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts in seiner zweiten .Hälfte sein
wird, und damit zugleich mich die Grundlage eines Staats, welcher mit Recht den Namen einer
viviws voi tragen darf."
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