Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Der Römerstaat Gutssklave ein Meier mit Gewinnbeteiligung oder freigelassen und Pächter Daß die alten Staaten an der Sklaverei zu Grnnde gegangen wären, ist ") Am Nachmittage des Tages, an dessen Morgen nur das geschrieben hatten, lasen mir
in Viktor Hehns "Kulturpflanzen und Haustiere" (S, Z!9L der 4. Auflage) folgendes: "Zu den Gründen, die den Untergang der antiken Gesellschaft herbeiführten, hat man sich gewöhnt, vorzugsweise die Sklaverei zu rechnen. Gewiß ist diese mit der höchsten industriellen Entwick- Der Römerstaat Gutssklave ein Meier mit Gewinnbeteiligung oder freigelassen und Pächter Daß die alten Staaten an der Sklaverei zu Grnnde gegangen wären, ist ") Am Nachmittage des Tages, an dessen Morgen nur das geschrieben hatten, lasen mir
in Viktor Hehns „Kulturpflanzen und Haustiere" (S, Z!9L der 4. Auflage) folgendes: „Zu den Gründen, die den Untergang der antiken Gesellschaft herbeiführten, hat man sich gewöhnt, vorzugsweise die Sklaverei zu rechnen. Gewiß ist diese mit der höchsten industriellen Entwick- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0512" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231682"/> <fw type="header" place="top"> Der Römerstaat</fw><lb/> <p xml:id="ID_1680" prev="#ID_1679"> Gutssklave ein Meier mit Gewinnbeteiligung oder freigelassen und Pächter<lb/> eines Gütchens wurde. So gingen aus der Sklavenschaft allmählich drei neue<lb/> Stände von halb und ganz freien Leuten hervor: aus den Ackerbausklaven die<lb/> bäuerlichen Kolonen: Meier, Pächter und kleine Eigentümer, aus den Fabrik-<lb/> uud Manufaktursklaven und den oMuN'us die freien Handwerker, Künstler und<lb/> Krämer, ans den Offizicinten (Verwaltern, Rentmeistern, Hausmeistern, Sekre¬<lb/> tären usw.) zunächst des Mischen Hanfes die Staatsbeamten, die Glieder der<lb/> kaiserlichen Bureaukratie.</p><lb/> <p xml:id="ID_1681" next="#ID_1682"> Daß die alten Staaten an der Sklaverei zu Grnnde gegangen wären, ist<lb/> demnach nur in einem sehr beschränkten Sinne zuzugeben. Die Sklaverei be¬<lb/> günstigt — was nicht weitläufig nachgewiesen zu werden braucht — alle Arten<lb/> von Ausschweifung, und diese schwächt die Energie; Schwächung der Energie<lb/> ist eine der vielen Ursachen des Untergangs der alten Welt gewesen. Eine<lb/> zweite Ursache war die schwache Volksvermehrung, und daran war die Sklaverei<lb/> zwar nicht allein aber mit schuld. Und diese Schädigungen hat die Sklaverei<lb/> den Völkern des Mittelmeerreichs mehr in den letzten Zeiten der Republik als<lb/> in der Kaiserzeit zugefügt; sie hat also nur dazu beigetragen, den Untergang<lb/> von weitem vorzubereiten. Wenn die Sklaverei für sich allein ein Volk, einen<lb/> Staat zu Grunde richtete, so hätten auch die Germanen zu Grnnde gehn<lb/> müssen, denn sie hatten von Haus aus Sklaven und übernahmen dazu alle<lb/> Formen der Sklaverei, die sie im römischen Reiche vorfanden; die Skandinavier<lb/> waren Mcnschenrciuber größten Stils, und Sklavenmärkte hat es im Norden<lb/> wie im Süden Europas bis ins elfte Jahrhundert gegeben. Die Römer haben<lb/> die ärgsten Formen und die schlimmsten Wirkungen der Sklaverei ans eigner<lb/> Kraft überwunden und haben ihr zuletzt die Gestalt und Einrichtung gegeben,<lb/> die für die neu zu gründenden germanischen Staaten geeignet war. Wie unsre<lb/> moderne Industrie nicht hätte entstehen können, wenn nicht Massen von<lb/> Menschen von ihrer Scholle losgerissen und in Fabriken und Gruben getrieben<lb/> worden wären, wo sich ihre Lage nur dem Recht nach aber nicht thatsächlich<lb/> von der Sklaverei unterschied, so wäre noch weit weniger die Kultur der alten<lb/> Völker denkbar gewesen ohne Sklaverei. Insbesondre die römische Sklaverei<lb/> ist das Mittel gewesen, die Landwirtschaft auf eine hohe Stufe der Vollkommen¬<lb/> heit zu heben, die großartigsten Nutzbauten auszuführen, einen Luxus zu er¬<lb/> möglichen, der eine unendliche Fülle von Werken der Kunst und des Kunst-<lb/> Handwerks hervorbrachte, den großen Männern Roms Tausende von Köpfen<lb/> und Händen zur Verfügung zu stellen, die sie gebrauchten wie ihre eignen,<lb/> und mit denen sie den ganzen Süden und Westen Europas romcmisierten.*)</p><lb/> <note xml:id="FID_206" place="foot" next="#FID_207"> ") Am Nachmittage des Tages, an dessen Morgen nur das geschrieben hatten, lasen mir<lb/> in Viktor Hehns „Kulturpflanzen und Haustiere" (S, Z!9L der 4. Auflage) folgendes: „Zu<lb/> den Gründen, die den Untergang der antiken Gesellschaft herbeiführten, hat man sich gewöhnt,<lb/> vorzugsweise die Sklaverei zu rechnen. Gewiß ist diese mit der höchsten industriellen Entwick-</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0512]
Der Römerstaat
Gutssklave ein Meier mit Gewinnbeteiligung oder freigelassen und Pächter
eines Gütchens wurde. So gingen aus der Sklavenschaft allmählich drei neue
Stände von halb und ganz freien Leuten hervor: aus den Ackerbausklaven die
bäuerlichen Kolonen: Meier, Pächter und kleine Eigentümer, aus den Fabrik-
uud Manufaktursklaven und den oMuN'us die freien Handwerker, Künstler und
Krämer, ans den Offizicinten (Verwaltern, Rentmeistern, Hausmeistern, Sekre¬
tären usw.) zunächst des Mischen Hanfes die Staatsbeamten, die Glieder der
kaiserlichen Bureaukratie.
Daß die alten Staaten an der Sklaverei zu Grnnde gegangen wären, ist
demnach nur in einem sehr beschränkten Sinne zuzugeben. Die Sklaverei be¬
günstigt — was nicht weitläufig nachgewiesen zu werden braucht — alle Arten
von Ausschweifung, und diese schwächt die Energie; Schwächung der Energie
ist eine der vielen Ursachen des Untergangs der alten Welt gewesen. Eine
zweite Ursache war die schwache Volksvermehrung, und daran war die Sklaverei
zwar nicht allein aber mit schuld. Und diese Schädigungen hat die Sklaverei
den Völkern des Mittelmeerreichs mehr in den letzten Zeiten der Republik als
in der Kaiserzeit zugefügt; sie hat also nur dazu beigetragen, den Untergang
von weitem vorzubereiten. Wenn die Sklaverei für sich allein ein Volk, einen
Staat zu Grunde richtete, so hätten auch die Germanen zu Grnnde gehn
müssen, denn sie hatten von Haus aus Sklaven und übernahmen dazu alle
Formen der Sklaverei, die sie im römischen Reiche vorfanden; die Skandinavier
waren Mcnschenrciuber größten Stils, und Sklavenmärkte hat es im Norden
wie im Süden Europas bis ins elfte Jahrhundert gegeben. Die Römer haben
die ärgsten Formen und die schlimmsten Wirkungen der Sklaverei ans eigner
Kraft überwunden und haben ihr zuletzt die Gestalt und Einrichtung gegeben,
die für die neu zu gründenden germanischen Staaten geeignet war. Wie unsre
moderne Industrie nicht hätte entstehen können, wenn nicht Massen von
Menschen von ihrer Scholle losgerissen und in Fabriken und Gruben getrieben
worden wären, wo sich ihre Lage nur dem Recht nach aber nicht thatsächlich
von der Sklaverei unterschied, so wäre noch weit weniger die Kultur der alten
Völker denkbar gewesen ohne Sklaverei. Insbesondre die römische Sklaverei
ist das Mittel gewesen, die Landwirtschaft auf eine hohe Stufe der Vollkommen¬
heit zu heben, die großartigsten Nutzbauten auszuführen, einen Luxus zu er¬
möglichen, der eine unendliche Fülle von Werken der Kunst und des Kunst-
Handwerks hervorbrachte, den großen Männern Roms Tausende von Köpfen
und Händen zur Verfügung zu stellen, die sie gebrauchten wie ihre eignen,
und mit denen sie den ganzen Süden und Westen Europas romcmisierten.*)
") Am Nachmittage des Tages, an dessen Morgen nur das geschrieben hatten, lasen mir
in Viktor Hehns „Kulturpflanzen und Haustiere" (S, Z!9L der 4. Auflage) folgendes: „Zu
den Gründen, die den Untergang der antiken Gesellschaft herbeiführten, hat man sich gewöhnt,
vorzugsweise die Sklaverei zu rechnen. Gewiß ist diese mit der höchsten industriellen Entwick-
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