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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Die großen Berliner Uunstcmsstellungen

er scholl 1863, erst dreiunddreißig Jahre alt, starb. Die wenigen Bilder, die
er hinterlassen hat, waren von Kennern und Sammlern von jeher ihrem Werte
nach geschätzt worden, namentlich wegen des goldig warmen, fast leidenschaftlich
glühenden Kolorits und wegen der dramatischen Kraft, mit der Schmitson das
Leben der ungarischen Pußta mit ihren wilden Pferde- und Rinderherden, mit
ihren Czikos und Zigeunern zu schildern gewußt hat. Darum kommen seine Bilder
mir selten in den Handel, und um so dankbarer müssen wir seinem Kollegen, dem
Berliner Tiermaler Paul Meyerheim sein, der eine stattliche Sammlung seiner
Werke ans Privatbesitz zusammengebracht hat. Wir lernen in der That in
Schmitson, der sich anscheinend nach den alten Niederländern gebildet hat, einen
Kvlvristen kennen, der seiner Zeit weit vorausgeeilt war. Er sah die Natur
mit offnen, unbefangnen Augen und gab sie schlicht und ohne verschönernde
Zuthaten wieder, und das galt in einer Zeit, wo alles stilisiert und kompo¬
niert sein mußte, als eine Versündigung gegen den heiligen Geist der Kunst.
Heute zwingt uns gerade die Ehrfurcht, mit der er sich der Natur unterordnete,
die höchste Achtung vor seinen Absichten und Fähigkeiten ab, und wir wünschten
uns recht viele solcher "Naturalisten," die sich mit Eifer und Andacht so innig
in das Studium der Natur versenken, wie er es gethan hat.

Acht andre Sammelausstellungen gewähren uns teils einen Einblick in das
Schaffen von Künstlern, die eine gewisse Höhe ihres Lebens und ihrer Kunst
erreicht haben, von der aus sich el" Rückblick rechtfertigt und lohnt, teils bieten
sie uns die gesammelten Früchte von Studienreisen, auf denen ein begrenztes
Gebiet durchwandert und künstlerisch ausgebeutet worden ist. Solche Samm¬
lungen von Studien und danach ausgeführten Bildern, die nur bestimmte Ziele
verfolgen, enthalten die Ausstellungen des Marinemalers Hans Bohrdt, der
sich besonders die Wiedergabe der atmosphärischen Erscheinungen an den Küsten
der nördlichen Meere mit allen Mitteln einer reich und fein entwickelten Technik
zur Aufgabe gestellt hat, des Genre- und Landschaftsmalers Karl Breitbach, der
die Modelle zu seinen Stndienköpfen, die Motive zu seinen anmutigen, freund-
lichen Landschaftsbildern und zu seine" architektonischen Interieurs meist in
Sttdtirol findet, des Genre- und Landschaftsmalers Ernst Hausmann, der die
Ergebnisse mehrerer italienischen und niederländischen Studienreisen ausgestellt
hat, und des Orientmcilers Max Rades. Auch dieser bietet die Früchte mehrerer
Studienreisen, deren letzte er im Gefolge des deutsche" Kaiserpaares auf seiner
Palästinafahrt unternommen hat. Was er dort gesehen hat, hat er schnell und
geschickt erfaßt und wiedergegeben, und man darf an seinen Skizzen rühmen,
daß er dank der koloristischen Gewandtheit, die er sich durch seine frühern
Reisen erworben, über dem gegenständlichen Reiz seiner Schilderungen die rein
künstlerischen Interessen nicht vernachlässigt hat. Einen weitern Zeitraum,
etwa ein Dutzend Jahre, scheinen die landschaftlichen und figürlichen Studien,
meist Pastellzcichnungen, des einsam in Frcmcavilla a Mare schaffenden Jta¬
lieners Francesco Paolo Michetti zu umfassen, der sich, im Gegensatz zu der
Mehrzahl seiner Landsleute, in neuerer Zeit vorwiegend mit dem Studium
der atmosphärischen Erscheinungen beschäftigt und dabei zugleich auf die Wieder¬
gabe kräftiger Stimmungen ausgeht.Die Sammelausstellung von Werken
Josef Scheurenbergs gewährt einen Überblick über die vielseitige Thätigkeit
dieses gediegnen, immer ans gründliche Durchbildung der Form bedachten
Künstlers von seiner letzten Düsseldorfer Zeit bis auf die Gegenwart in Genre¬
bildern, in Entwürfen für Wandgemälde, in Bildnissen und in landschaftlichen


Die großen Berliner Uunstcmsstellungen

er scholl 1863, erst dreiunddreißig Jahre alt, starb. Die wenigen Bilder, die
er hinterlassen hat, waren von Kennern und Sammlern von jeher ihrem Werte
nach geschätzt worden, namentlich wegen des goldig warmen, fast leidenschaftlich
glühenden Kolorits und wegen der dramatischen Kraft, mit der Schmitson das
Leben der ungarischen Pußta mit ihren wilden Pferde- und Rinderherden, mit
ihren Czikos und Zigeunern zu schildern gewußt hat. Darum kommen seine Bilder
mir selten in den Handel, und um so dankbarer müssen wir seinem Kollegen, dem
Berliner Tiermaler Paul Meyerheim sein, der eine stattliche Sammlung seiner
Werke ans Privatbesitz zusammengebracht hat. Wir lernen in der That in
Schmitson, der sich anscheinend nach den alten Niederländern gebildet hat, einen
Kvlvristen kennen, der seiner Zeit weit vorausgeeilt war. Er sah die Natur
mit offnen, unbefangnen Augen und gab sie schlicht und ohne verschönernde
Zuthaten wieder, und das galt in einer Zeit, wo alles stilisiert und kompo¬
niert sein mußte, als eine Versündigung gegen den heiligen Geist der Kunst.
Heute zwingt uns gerade die Ehrfurcht, mit der er sich der Natur unterordnete,
die höchste Achtung vor seinen Absichten und Fähigkeiten ab, und wir wünschten
uns recht viele solcher „Naturalisten," die sich mit Eifer und Andacht so innig
in das Studium der Natur versenken, wie er es gethan hat.

Acht andre Sammelausstellungen gewähren uns teils einen Einblick in das
Schaffen von Künstlern, die eine gewisse Höhe ihres Lebens und ihrer Kunst
erreicht haben, von der aus sich el» Rückblick rechtfertigt und lohnt, teils bieten
sie uns die gesammelten Früchte von Studienreisen, auf denen ein begrenztes
Gebiet durchwandert und künstlerisch ausgebeutet worden ist. Solche Samm¬
lungen von Studien und danach ausgeführten Bildern, die nur bestimmte Ziele
verfolgen, enthalten die Ausstellungen des Marinemalers Hans Bohrdt, der
sich besonders die Wiedergabe der atmosphärischen Erscheinungen an den Küsten
der nördlichen Meere mit allen Mitteln einer reich und fein entwickelten Technik
zur Aufgabe gestellt hat, des Genre- und Landschaftsmalers Karl Breitbach, der
die Modelle zu seinen Stndienköpfen, die Motive zu seinen anmutigen, freund-
lichen Landschaftsbildern und zu seine» architektonischen Interieurs meist in
Sttdtirol findet, des Genre- und Landschaftsmalers Ernst Hausmann, der die
Ergebnisse mehrerer italienischen und niederländischen Studienreisen ausgestellt
hat, und des Orientmcilers Max Rades. Auch dieser bietet die Früchte mehrerer
Studienreisen, deren letzte er im Gefolge des deutsche» Kaiserpaares auf seiner
Palästinafahrt unternommen hat. Was er dort gesehen hat, hat er schnell und
geschickt erfaßt und wiedergegeben, und man darf an seinen Skizzen rühmen,
daß er dank der koloristischen Gewandtheit, die er sich durch seine frühern
Reisen erworben, über dem gegenständlichen Reiz seiner Schilderungen die rein
künstlerischen Interessen nicht vernachlässigt hat. Einen weitern Zeitraum,
etwa ein Dutzend Jahre, scheinen die landschaftlichen und figürlichen Studien,
meist Pastellzcichnungen, des einsam in Frcmcavilla a Mare schaffenden Jta¬
lieners Francesco Paolo Michetti zu umfassen, der sich, im Gegensatz zu der
Mehrzahl seiner Landsleute, in neuerer Zeit vorwiegend mit dem Studium
der atmosphärischen Erscheinungen beschäftigt und dabei zugleich auf die Wieder¬
gabe kräftiger Stimmungen ausgeht.Die Sammelausstellung von Werken
Josef Scheurenbergs gewährt einen Überblick über die vielseitige Thätigkeit
dieses gediegnen, immer ans gründliche Durchbildung der Form bedachten
Künstlers von seiner letzten Düsseldorfer Zeit bis auf die Gegenwart in Genre¬
bildern, in Entwürfen für Wandgemälde, in Bildnissen und in landschaftlichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/478>, abgerufen am 15.01.2025.