Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Die großen Berliner Kunstausstellungen Berliner Sezession ausgestellten Bilder und Skizzen wieder einmal veran¬ Als Leiht zu Anfang der siebziger Jahre wieder seinen Wohnsitz in Durch die Heranziehung Leibls, dessen Kunst aus der der alten Meister Die großen Berliner Kunstausstellungen Berliner Sezession ausgestellten Bilder und Skizzen wieder einmal veran¬ Als Leiht zu Anfang der siebziger Jahre wieder seinen Wohnsitz in Durch die Heranziehung Leibls, dessen Kunst aus der der alten Meister <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0474" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231644"/> <fw type="header" place="top"> Die großen Berliner Kunstausstellungen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1570" prev="#ID_1569"> Berliner Sezession ausgestellten Bilder und Skizzen wieder einmal veran¬<lb/> schaulicht wird, schlechterdings nicht zu den Modernen gerechnet werden. Leiht<lb/> hängt vielmehr durch enge, unzerreißbare Bande mit den alten Meistern zu¬<lb/> sammen, und wenn er sich gelegentlich auch in der skizzenhaften Behandlung<lb/> dieses oder jenes Bildes den Modernen zu nähern scheint, so kehrt er doch<lb/> immer wieder zu seiner alten Liebe zurück. Schon als der junge Anfänger<lb/> durch Piloth in die Geheimnisse des malerischen Handwerks eingeführt wurde,<lb/> interessierte ihn bald van Dhck mehr als sein Lehrmeister, und als er 186ö<lb/> einen Aufenthalt in Paris nahm, der erst durch den Krieg unterbrochen wurde,<lb/> waren es in Paris wieder die alten Meister, die ihn zum Studium und zur<lb/> Nachahmung zwangen. Diesmal die Spanier, Velazquez und Ribera an der<lb/> Spitze, und neben ihnen die modernen Franzosen, die in der Art dieser<lb/> Spanier malten. In der Gestalt einer alten Pariser Frau, die ihren Rosen¬<lb/> kranz betet, und eines mit flottem Pinsel ungemein geistreich charakterisierten<lb/> „Revolutionshelden" hat unsre Ausstellung zwei Bilder auszuweisen, die für<lb/> die Richtung von Leibls Pariser Studien bezeichnend sind, und wenn in seinen<lb/> spätern Bildern noch hie und da naturalistische Neigungen zum Durchbruch<lb/> gekommen sind, so sind sie nicht auf moderne Einflüsse, sondern, wie aus unsrer<lb/> Ausstellung klar hervorgeht, auf Pariser Erinnerungen, zumeist auf die klas¬<lb/> sischen, zurückzuführen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1571"> Als Leiht zu Anfang der siebziger Jahre wieder seinen Wohnsitz in<lb/> München genommen hatte, trat Holbein in seinen Gesichtskreis, und dessen<lb/> schlichter, ruhiger Realismus, der sich in strenger Objektivität nur an die<lb/> Außenseite der Menschen und Dinge hält, war viele Jahre lang Leibls künst¬<lb/> lerisches Ideal. Am glänzendsten wird diese Richtung seiner Kunst auf unsrer<lb/> Ausstellung durch das zu Anfang der achtziger Jahre gemalte Bild „Dorf¬<lb/> politiker" vertreten, eine Gesellschaft von fünf Bauern, die in vollkommner<lb/> Gelassenheit, ohne eine Spur von Erregung, über irgend ein Ereignis reden,<lb/> das einer von ihnen aus einer Zeitung herausgelesen hat. Einige kleinere<lb/> Genrebilder, Innenräume mit Figuren, Charakterköpfe und Gewandstudicn lassen<lb/> erkennen, daß sich Leiht dieser Richtung in neuster Zeit wieder zugewandt hat,<lb/> in den Jnnenrüumen nur mit stärkerer Betonung des koloristischen Elements,<lb/> des Helldunkels und der sonstigen Lichterscheinungen. Aber mit dem Wachs¬<lb/> tum seiner technischen Fähigkeit ist seine Empfindung nicht stärker geworden.<lb/> Bei voller Wahrheit in der äußern Erscheinung haben seine Figuren immer<lb/> etwas Lebloses und stumpfsinniges. Mau glaubt ihnen nicht, daß sie jemals<lb/> lachen oder weinen können, und über diesen seelischen Mangel hilft selbst die<lb/> glänzendste malerische Virtuosität nicht hinweg. Damit werden sich nur die<lb/> Leute begnügen, die sich schon zu dem neusten ästhetischen Dogma bekehrt haben,<lb/> wonach die Kunst der Malerei mit dem Malenkönnen schon ihr höchstes und<lb/> letztes Ziel erreicht hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1572" next="#ID_1573"> Durch die Heranziehung Leibls, dessen Kunst aus der der alten Meister<lb/> herausgewachsen ist, hat sich die Ausstellung der Berliner Sezession also mit<lb/> erborgten Glänze umgeben, und auch sonst zeigt diese erste Ausstellung, daß<lb/> die Berliner Sezession weder an Zahl noch an Bedeutung kräftig genug ist,<lb/> ihre sechs Ausstellungsräume, von denen nur einer den Namen „Saal" ver¬<lb/> dient, aus eignen Mitteln zu füllen. Sie hat in kluger Voraussicht eines<lb/> möglichen Mißerfolgs die Sezession und die Luitpoldgruppe in München, die<lb/> sczessionistischen Künstlervereine in Dresden und Karlsruhe und die Mitglieder</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0474]
Die großen Berliner Kunstausstellungen
Berliner Sezession ausgestellten Bilder und Skizzen wieder einmal veran¬
schaulicht wird, schlechterdings nicht zu den Modernen gerechnet werden. Leiht
hängt vielmehr durch enge, unzerreißbare Bande mit den alten Meistern zu¬
sammen, und wenn er sich gelegentlich auch in der skizzenhaften Behandlung
dieses oder jenes Bildes den Modernen zu nähern scheint, so kehrt er doch
immer wieder zu seiner alten Liebe zurück. Schon als der junge Anfänger
durch Piloth in die Geheimnisse des malerischen Handwerks eingeführt wurde,
interessierte ihn bald van Dhck mehr als sein Lehrmeister, und als er 186ö
einen Aufenthalt in Paris nahm, der erst durch den Krieg unterbrochen wurde,
waren es in Paris wieder die alten Meister, die ihn zum Studium und zur
Nachahmung zwangen. Diesmal die Spanier, Velazquez und Ribera an der
Spitze, und neben ihnen die modernen Franzosen, die in der Art dieser
Spanier malten. In der Gestalt einer alten Pariser Frau, die ihren Rosen¬
kranz betet, und eines mit flottem Pinsel ungemein geistreich charakterisierten
„Revolutionshelden" hat unsre Ausstellung zwei Bilder auszuweisen, die für
die Richtung von Leibls Pariser Studien bezeichnend sind, und wenn in seinen
spätern Bildern noch hie und da naturalistische Neigungen zum Durchbruch
gekommen sind, so sind sie nicht auf moderne Einflüsse, sondern, wie aus unsrer
Ausstellung klar hervorgeht, auf Pariser Erinnerungen, zumeist auf die klas¬
sischen, zurückzuführen.
Als Leiht zu Anfang der siebziger Jahre wieder seinen Wohnsitz in
München genommen hatte, trat Holbein in seinen Gesichtskreis, und dessen
schlichter, ruhiger Realismus, der sich in strenger Objektivität nur an die
Außenseite der Menschen und Dinge hält, war viele Jahre lang Leibls künst¬
lerisches Ideal. Am glänzendsten wird diese Richtung seiner Kunst auf unsrer
Ausstellung durch das zu Anfang der achtziger Jahre gemalte Bild „Dorf¬
politiker" vertreten, eine Gesellschaft von fünf Bauern, die in vollkommner
Gelassenheit, ohne eine Spur von Erregung, über irgend ein Ereignis reden,
das einer von ihnen aus einer Zeitung herausgelesen hat. Einige kleinere
Genrebilder, Innenräume mit Figuren, Charakterköpfe und Gewandstudicn lassen
erkennen, daß sich Leiht dieser Richtung in neuster Zeit wieder zugewandt hat,
in den Jnnenrüumen nur mit stärkerer Betonung des koloristischen Elements,
des Helldunkels und der sonstigen Lichterscheinungen. Aber mit dem Wachs¬
tum seiner technischen Fähigkeit ist seine Empfindung nicht stärker geworden.
Bei voller Wahrheit in der äußern Erscheinung haben seine Figuren immer
etwas Lebloses und stumpfsinniges. Mau glaubt ihnen nicht, daß sie jemals
lachen oder weinen können, und über diesen seelischen Mangel hilft selbst die
glänzendste malerische Virtuosität nicht hinweg. Damit werden sich nur die
Leute begnügen, die sich schon zu dem neusten ästhetischen Dogma bekehrt haben,
wonach die Kunst der Malerei mit dem Malenkönnen schon ihr höchstes und
letztes Ziel erreicht hat.
Durch die Heranziehung Leibls, dessen Kunst aus der der alten Meister
herausgewachsen ist, hat sich die Ausstellung der Berliner Sezession also mit
erborgten Glänze umgeben, und auch sonst zeigt diese erste Ausstellung, daß
die Berliner Sezession weder an Zahl noch an Bedeutung kräftig genug ist,
ihre sechs Ausstellungsräume, von denen nur einer den Namen „Saal" ver¬
dient, aus eignen Mitteln zu füllen. Sie hat in kluger Voraussicht eines
möglichen Mißerfolgs die Sezession und die Luitpoldgruppe in München, die
sczessionistischen Künstlervereine in Dresden und Karlsruhe und die Mitglieder
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