Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Nikolaus Lenau und Gustav Schwab die mir Stuttgart zum liebsten Ort meiner Erinnerungen macheu. Wels dir Tü¬ Schreibe mir recht bald, lieber Freund! Ich wohne im König von Portugal. Was macht mein Lajos? Deine übrigen liebe" Kinder? virxo cliviua? Beetle Bis in den Tod dein Freund Niembsch. Herzlichen Gruß an Pfizer. Dieser Brief ist ein schönes Zeugnis für den Herzensbund der beiden Nicht unwillkommen dürften dem Leser einige Ergänzungen zu der in Das Verhältnis Lenaus zu der lieblichen Nichte Sophie Schwabs blieb Nikolaus Lenau und Gustav Schwab die mir Stuttgart zum liebsten Ort meiner Erinnerungen macheu. Wels dir Tü¬ Schreibe mir recht bald, lieber Freund! Ich wohne im König von Portugal. Was macht mein Lajos? Deine übrigen liebe» Kinder? virxo cliviua? Beetle Bis in den Tod dein Freund Niembsch. Herzlichen Gruß an Pfizer. Dieser Brief ist ein schönes Zeugnis für den Herzensbund der beiden Nicht unwillkommen dürften dem Leser einige Ergänzungen zu der in Das Verhältnis Lenaus zu der lieblichen Nichte Sophie Schwabs blieb <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0470" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231640"/> <fw type="header" place="top"> Nikolaus Lenau und Gustav Schwab</fw><lb/> <p xml:id="ID_1553" prev="#ID_1552"> die mir Stuttgart zum liebsten Ort meiner Erinnerungen macheu. Wels dir Tü¬<lb/> bingen, ist mir Stuttgart. Mich freut es, daß unsre Paradiese Nachbarn sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1554"> Schreibe mir recht bald, lieber Freund! Ich wohne im König von Portugal.<lb/> Er hat mir zwei Zimmer gegeben um den geringen Preis von 10 se. monatlich.<lb/> Da brauch ich mir keinen Diener zu halten, bin überhaupt sehr gut versorgt. Ich<lb/> wohne überhaupt gerne in Wirtshäusern. Da komme ich mir weniger fixiert vor,<lb/> gleichsam immer auf der Reise. Wandre! Wandre!</p><lb/> <p xml:id="ID_1555"> Was macht mein Lajos? Deine übrigen liebe» Kinder? virxo cliviua? Beetle<lb/> für mich um einige Zeilen von deiner lieben Frau! Unsre liebe Frau nennen die<lb/> Österreicher die Mutter Gottes. Und nun stell ich Euch alle im Geiste zusammen<lb/> und umarme herzlich das ganze Häuflein meiner Lieben.</p><lb/> <note type="closer"> Bis in den Tod dein Freund<note type="bibl"> Niembsch.</note><lb/><p xml:id="ID_1556"> Herzlichen Gruß an Pfizer.</p></note><lb/> <p xml:id="ID_1557"> Dieser Brief ist ein schönes Zeugnis für den Herzensbund der beiden<lb/> Dichter und seiner Familie.</p><lb/> <p xml:id="ID_1558"> Nicht unwillkommen dürften dem Leser einige Ergänzungen zu der in<lb/> diesem Brief bewiesenen Vorliebe für Beethoven sein. In seinem Gedicht<lb/> „Beethovens Büste" nennt Lenen diesen Komponisten den „Wecker eines Mutes,<lb/> der das Schicksal zu fordern wagt." Und ein andres mal meinte er, wir<lb/> hätten in Beethoven das Höchste in der neuern Kunst zu verehren, wie er<lb/> denn auch dem verstorbnen A. L. Fraenkl gegenüber die Bemerkung machte:<lb/> „Dieser Göttliche (Beethoven) durchströmt, wenn ich ihn höre, mein ganzes<lb/> Herz: er wirkt auf mich, wie kein Geist der Erden. Ich nehme selbst Shake¬<lb/> speare nicht aus. Wenn ich ihn lange nicht höre, fühle ich ein Weh im<lb/> Herzen." Aus dieser Verehrung des großen Meisters erklärt sich zum Teil<lb/> der gewaltige Eindruck, den die schüchterne Lotte auf das gefühlsheiße Herz<lb/> des Magyaren machte. Sie ahnte jedenfalls nicht, als sie Lenen die „Adelaide"<lb/> vorsang, wie mächtig gerade dieser Tonkünstler ans Herz des Hörers schlagen<lb/> mußte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1559" next="#ID_1560"> Das Verhältnis Lenaus zu der lieblichen Nichte Sophie Schwabs blieb<lb/> qualvoll für beide Teile. Der Dichter ging in Heidelberg seinem unseligen<lb/> Schwermute nach, der durch das Unvermögen Lenens, Lotte Hand und Herz<lb/> zu bieten, noch gesteigert wurde. Daß durch das zwiespältige Wesen Lenaus<lb/> auch der feinfühlige Schwab und seine ebenso zartsinnige Frau peinlich, ja<lb/> schmerzlich berührt wurden, ist leicht zu verstehen. Die treue, verständnisvolle<lb/> Sophie hatte Recht, wenn sie einmal Lenau wünschte, er möchte etwas mehr<lb/> an das Zeitliche gewiesen sein. Er war eben gar zu sehr Dichter. Mau<lb/> erhebt aber uicht ungestraft beständig das Haupt zu den Höhen dichterischer<lb/> Begeisterung: die neidische wirkliche Welt, deren Bannkreis man sich zu oft<lb/> und zu lange zu entrücken trachtet, zieht uns am Ende doch wieder zu sich<lb/> zurück, und ihre Schwere lastet dann um so drückender auf unsrer Seele.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0470]
Nikolaus Lenau und Gustav Schwab
die mir Stuttgart zum liebsten Ort meiner Erinnerungen macheu. Wels dir Tü¬
bingen, ist mir Stuttgart. Mich freut es, daß unsre Paradiese Nachbarn sind.
Schreibe mir recht bald, lieber Freund! Ich wohne im König von Portugal.
Er hat mir zwei Zimmer gegeben um den geringen Preis von 10 se. monatlich.
Da brauch ich mir keinen Diener zu halten, bin überhaupt sehr gut versorgt. Ich
wohne überhaupt gerne in Wirtshäusern. Da komme ich mir weniger fixiert vor,
gleichsam immer auf der Reise. Wandre! Wandre!
Was macht mein Lajos? Deine übrigen liebe» Kinder? virxo cliviua? Beetle
für mich um einige Zeilen von deiner lieben Frau! Unsre liebe Frau nennen die
Österreicher die Mutter Gottes. Und nun stell ich Euch alle im Geiste zusammen
und umarme herzlich das ganze Häuflein meiner Lieben.
Bis in den Tod dein Freund Niembsch.
Herzlichen Gruß an Pfizer.
Dieser Brief ist ein schönes Zeugnis für den Herzensbund der beiden
Dichter und seiner Familie.
Nicht unwillkommen dürften dem Leser einige Ergänzungen zu der in
diesem Brief bewiesenen Vorliebe für Beethoven sein. In seinem Gedicht
„Beethovens Büste" nennt Lenen diesen Komponisten den „Wecker eines Mutes,
der das Schicksal zu fordern wagt." Und ein andres mal meinte er, wir
hätten in Beethoven das Höchste in der neuern Kunst zu verehren, wie er
denn auch dem verstorbnen A. L. Fraenkl gegenüber die Bemerkung machte:
„Dieser Göttliche (Beethoven) durchströmt, wenn ich ihn höre, mein ganzes
Herz: er wirkt auf mich, wie kein Geist der Erden. Ich nehme selbst Shake¬
speare nicht aus. Wenn ich ihn lange nicht höre, fühle ich ein Weh im
Herzen." Aus dieser Verehrung des großen Meisters erklärt sich zum Teil
der gewaltige Eindruck, den die schüchterne Lotte auf das gefühlsheiße Herz
des Magyaren machte. Sie ahnte jedenfalls nicht, als sie Lenen die „Adelaide"
vorsang, wie mächtig gerade dieser Tonkünstler ans Herz des Hörers schlagen
mußte.
Das Verhältnis Lenaus zu der lieblichen Nichte Sophie Schwabs blieb
qualvoll für beide Teile. Der Dichter ging in Heidelberg seinem unseligen
Schwermute nach, der durch das Unvermögen Lenens, Lotte Hand und Herz
zu bieten, noch gesteigert wurde. Daß durch das zwiespältige Wesen Lenaus
auch der feinfühlige Schwab und seine ebenso zartsinnige Frau peinlich, ja
schmerzlich berührt wurden, ist leicht zu verstehen. Die treue, verständnisvolle
Sophie hatte Recht, wenn sie einmal Lenau wünschte, er möchte etwas mehr
an das Zeitliche gewiesen sein. Er war eben gar zu sehr Dichter. Mau
erhebt aber uicht ungestraft beständig das Haupt zu den Höhen dichterischer
Begeisterung: die neidische wirkliche Welt, deren Bannkreis man sich zu oft
und zu lange zu entrücken trachtet, zieht uns am Ende doch wieder zu sich
zurück, und ihre Schwere lastet dann um so drückender auf unsrer Seele.
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