Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Ein deutsches Künstlerleben gegeben, teils in den Text eingefügt sind, freuen, daß dieser bescheidne und Mit dem Herausgeber muß man wünschen, es möchte diese Veröffentlichung Außer beim Porträt hielten ihn, wie er berichtet, Natur, Gewohnheit und Ein deutsches Künstlerleben gegeben, teils in den Text eingefügt sind, freuen, daß dieser bescheidne und Mit dem Herausgeber muß man wünschen, es möchte diese Veröffentlichung Außer beim Porträt hielten ihn, wie er berichtet, Natur, Gewohnheit und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0423" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231593"/> <fw type="header" place="top"> Ein deutsches Künstlerleben</fw><lb/> <p xml:id="ID_1360" prev="#ID_1359"> gegeben, teils in den Text eingefügt sind, freuen, daß dieser bescheidne und<lb/> echte Künstler, der beinahe ein halbes Jahrhundert unbeachtet und unverstanden<lb/> fern von der Heimat ohne jede künstlerische Anregung in den einfachsten Ver¬<lb/> hältnissen in Meran verbrachte, einer unverdienten Vergessenheit entrissen<lb/> worden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1361"> Mit dem Herausgeber muß man wünschen, es möchte diese Veröffentlichung<lb/> der Anlaß sein, daß noch manche unbekannte Arbeit Wasmanns, die sich in<lb/> Privatbesitz findet, ans Tageslicht befördert werde. Zumal die Stadt Hamburg<lb/> dürfte noch so manches Werk ihres begabten Sohnes bergen, das sicherlich in<lb/> ihrer Kunsthalle eine Stelle verdient. Seine Begabung und die äußern Ver¬<lb/> hältnisse wiesen Wasmann auf das Porträt- und Genrefach. Porträtaufträge<lb/> hatte er mit kurzen Unterbrechungen in Fülle. So stellte er in Meran in<lb/> seiner Wohnung Porträts von Stadthonoratioren und Damen aus, „wobei<lb/> die gebildete Welt sich treppauf treppab den ganzen Tag ablöste." Als eins<lb/> seiner besten Porträts bezeichnet er das eines Meraner adlichen Herrn. Die<lb/> Porträts seiner Mutter, seiner Schwester, seiner Freunde und Gönner, die dem<lb/> genannten Buch in Abbildung beigegeben sind, sind zwar nicht die Arbeiten<lb/> eines Genies im Porträtfach, aber sie gewähren eine echte Freude durch die<lb/> schlichte Feinheit der Auffassung, durch die leise Melancholie des Ausdrucks,<lb/> die die feste, in sich ruhende Bürgerlichkeit dieser Porträts mit einer zarten<lb/> Poesie umkleidet. Die prachtvollen Aktzeichnungen erwecken das lebhafteste Be¬<lb/> dauern, daß eine fortwährende Kränklichkeit den Künstler, wie er sagt, nie zum<lb/> rechten Genuß des Schaffens und zur tüchtigen Durchführung einer größern<lb/> Arbeit kommen ließen. Aber nicht nur Kränklichkeit war es, die seiner künst¬<lb/> lerischen Entwicklung einen Riegel vorschob und seine praktische Kunstthätigkeit<lb/> monatelang unterbrach, sondern anch seine mit dem Alter immer mehr zu¬<lb/> nehmende streng katholische, stark frömmelnde Lebensauffassung, weil er „gering<lb/> achtete, was er früher angebetet hatte," nämlich die heitere Schönheit der<lb/> Natur, die Welt der Formen, die eine künstlerische Gestaltung heischen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1362" next="#ID_1363"> Außer beim Porträt hielten ihn, wie er berichtet, Natur, Gewohnheit und<lb/> die Notwendigkeit, Geld zu verdienen, beim Genrefach fest. Leider sind dem<lb/> Buche zu wenig Abbildungen dieser Art beigegeben, als daß wir uns ein sichres<lb/> Urteil über sie bilden könnten. Die Aufgabe, die er sich bei Entwürfen und<lb/> Ausführungen von Genrebildern stellte, war, die Weise wiederzugeben, wie sich<lb/> Natur und Außenwelt in seinem innern Auge spiegelten. Sie sollten also<lb/> nicht nur Darstellungen äußerer Vorgänge, sondern Stimmungsbilder seines<lb/> Seelenlebens werden. Als das gelungenste bezeichnet er ein Bild, das das<lb/> Innere einer Küche darstellt, in der ein Landmädchen in Halbfigur, den Kopf<lb/> auf den Arm gelegt, neben sich eine schwarze Katze, am Herde bei verglimmenden<lb/> Kohlen eingeschlummert ist; durch die auf einen Söller geöffnete Thür sieht<lb/> man duftenden Flieder und eine hereinschwirrende Fledermaus und weiter im</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0423]
Ein deutsches Künstlerleben
gegeben, teils in den Text eingefügt sind, freuen, daß dieser bescheidne und
echte Künstler, der beinahe ein halbes Jahrhundert unbeachtet und unverstanden
fern von der Heimat ohne jede künstlerische Anregung in den einfachsten Ver¬
hältnissen in Meran verbrachte, einer unverdienten Vergessenheit entrissen
worden ist.
Mit dem Herausgeber muß man wünschen, es möchte diese Veröffentlichung
der Anlaß sein, daß noch manche unbekannte Arbeit Wasmanns, die sich in
Privatbesitz findet, ans Tageslicht befördert werde. Zumal die Stadt Hamburg
dürfte noch so manches Werk ihres begabten Sohnes bergen, das sicherlich in
ihrer Kunsthalle eine Stelle verdient. Seine Begabung und die äußern Ver¬
hältnisse wiesen Wasmann auf das Porträt- und Genrefach. Porträtaufträge
hatte er mit kurzen Unterbrechungen in Fülle. So stellte er in Meran in
seiner Wohnung Porträts von Stadthonoratioren und Damen aus, „wobei
die gebildete Welt sich treppauf treppab den ganzen Tag ablöste." Als eins
seiner besten Porträts bezeichnet er das eines Meraner adlichen Herrn. Die
Porträts seiner Mutter, seiner Schwester, seiner Freunde und Gönner, die dem
genannten Buch in Abbildung beigegeben sind, sind zwar nicht die Arbeiten
eines Genies im Porträtfach, aber sie gewähren eine echte Freude durch die
schlichte Feinheit der Auffassung, durch die leise Melancholie des Ausdrucks,
die die feste, in sich ruhende Bürgerlichkeit dieser Porträts mit einer zarten
Poesie umkleidet. Die prachtvollen Aktzeichnungen erwecken das lebhafteste Be¬
dauern, daß eine fortwährende Kränklichkeit den Künstler, wie er sagt, nie zum
rechten Genuß des Schaffens und zur tüchtigen Durchführung einer größern
Arbeit kommen ließen. Aber nicht nur Kränklichkeit war es, die seiner künst¬
lerischen Entwicklung einen Riegel vorschob und seine praktische Kunstthätigkeit
monatelang unterbrach, sondern anch seine mit dem Alter immer mehr zu¬
nehmende streng katholische, stark frömmelnde Lebensauffassung, weil er „gering
achtete, was er früher angebetet hatte," nämlich die heitere Schönheit der
Natur, die Welt der Formen, die eine künstlerische Gestaltung heischen.
Außer beim Porträt hielten ihn, wie er berichtet, Natur, Gewohnheit und
die Notwendigkeit, Geld zu verdienen, beim Genrefach fest. Leider sind dem
Buche zu wenig Abbildungen dieser Art beigegeben, als daß wir uns ein sichres
Urteil über sie bilden könnten. Die Aufgabe, die er sich bei Entwürfen und
Ausführungen von Genrebildern stellte, war, die Weise wiederzugeben, wie sich
Natur und Außenwelt in seinem innern Auge spiegelten. Sie sollten also
nicht nur Darstellungen äußerer Vorgänge, sondern Stimmungsbilder seines
Seelenlebens werden. Als das gelungenste bezeichnet er ein Bild, das das
Innere einer Küche darstellt, in der ein Landmädchen in Halbfigur, den Kopf
auf den Arm gelegt, neben sich eine schwarze Katze, am Herde bei verglimmenden
Kohlen eingeschlummert ist; durch die auf einen Söller geöffnete Thür sieht
man duftenden Flieder und eine hereinschwirrende Fledermaus und weiter im
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