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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Ein deutsches Rünstlerleben

Staats als Ausbeuter und Ausgebeutete gegenüber, sondern einerseits die
Freien und die Sklaven, die ja gar keine Mitglieder des Staats waren,
andrerseits die herrschende Bürgerschaft und ihre Unterthanen in den Pro¬
vinzen, besonders die an despotisches Regiment, Ausplünderung und Mi߬
handlungen gewöhnten Bewohner Kleinasiens und Syriens; die italischen
Bundesgenossen nahmen eine mittlere Stellung ein. Die armen Bürger
waren nicht Ausgebeutete, denn sie arbeiteten gar nicht, sondern schmarotzende
Kostgänger des Kapitals. Daraus erklärt sich der eigentümliche Charakter der
sozialen Bewegungen dieser Periode. Es waren teils Sklavenaufstände, die
hauptsächlich von Ackerbau- und Grubensklaven und Gladiatoren unternommen
wurden, während die städtischen Sklaven, namentlich die der Reichshauptstadt,*)
mehr und mehr in das Interesse der Reichen, denen sie dienten, hineingezogen
wurden, teils politische Kämpfe, die nicht sowohl vom bürgerlichen Proletariat,
als von einsichtigen Staatsmännern zum Zweck der Beseitigung dieses Prole¬
tariats geführt wurden. Die übrigen innern Kämpfe der Periode gehören
teils, wie der Bundesgcnossenkrieg und die Kämpfe der großen Generale um
die Alleinherrschaft, in das nächste Kapitel, teils wie die Streitigkeiten um
Neuordnung des Stimmrechts, der Ämterbesetzung und der Gerichte, als fach¬
wissenschaftlich überhaupt nicht in eine allgemeine Betrachtung.

(Schluß folgt)




Gin deutsches Künstlerleben

n der Kunstwelt, der bildenden, der dichtenden und komponierenden,
giebt es Geister, die, vor der Mitwelt unbekannt, eine Art unter¬
irdisches Leben führen, stille, feine Naturen, nach der Art Ludwig
Richters, Schwinds, Storms, die aber, durch irgendwelche äußere
Umstände oder innere Konflikte in ihrer künstlerischen Entwicklung
gehemmt, gleichsam nicht über die Skizze hinauskommen und sich in ihrem
bruchstückartigen Dasein einem sinnenden und betrachtenden Innenleben hin¬
geben. Solche Menschen beschenken uns dann meistens mit ausgezeichneten
Tagebüchern, Selbstbetrachtungen, Autobiographien und Briefwechseln. Theodor
Storm liebte es, solche nachdenklichen Menschen, die still und ungekannt ihres



*> Als eine der schwierigen Aufgaben, die der Senat nach Sullas Abgang zu lösen hatte,
nennt Mommsen die, in der Hauptstadt ohne Truppen die Massen des internationalen Gesindels
"und der in Rom großenteils in faktischer Freiheit lebenden Sklaven im Zaum zu halten."
Ein deutsches Rünstlerleben

Staats als Ausbeuter und Ausgebeutete gegenüber, sondern einerseits die
Freien und die Sklaven, die ja gar keine Mitglieder des Staats waren,
andrerseits die herrschende Bürgerschaft und ihre Unterthanen in den Pro¬
vinzen, besonders die an despotisches Regiment, Ausplünderung und Mi߬
handlungen gewöhnten Bewohner Kleinasiens und Syriens; die italischen
Bundesgenossen nahmen eine mittlere Stellung ein. Die armen Bürger
waren nicht Ausgebeutete, denn sie arbeiteten gar nicht, sondern schmarotzende
Kostgänger des Kapitals. Daraus erklärt sich der eigentümliche Charakter der
sozialen Bewegungen dieser Periode. Es waren teils Sklavenaufstände, die
hauptsächlich von Ackerbau- und Grubensklaven und Gladiatoren unternommen
wurden, während die städtischen Sklaven, namentlich die der Reichshauptstadt,*)
mehr und mehr in das Interesse der Reichen, denen sie dienten, hineingezogen
wurden, teils politische Kämpfe, die nicht sowohl vom bürgerlichen Proletariat,
als von einsichtigen Staatsmännern zum Zweck der Beseitigung dieses Prole¬
tariats geführt wurden. Die übrigen innern Kämpfe der Periode gehören
teils, wie der Bundesgcnossenkrieg und die Kämpfe der großen Generale um
die Alleinherrschaft, in das nächste Kapitel, teils wie die Streitigkeiten um
Neuordnung des Stimmrechts, der Ämterbesetzung und der Gerichte, als fach¬
wissenschaftlich überhaupt nicht in eine allgemeine Betrachtung.

(Schluß folgt)




Gin deutsches Künstlerleben

n der Kunstwelt, der bildenden, der dichtenden und komponierenden,
giebt es Geister, die, vor der Mitwelt unbekannt, eine Art unter¬
irdisches Leben führen, stille, feine Naturen, nach der Art Ludwig
Richters, Schwinds, Storms, die aber, durch irgendwelche äußere
Umstände oder innere Konflikte in ihrer künstlerischen Entwicklung
gehemmt, gleichsam nicht über die Skizze hinauskommen und sich in ihrem
bruchstückartigen Dasein einem sinnenden und betrachtenden Innenleben hin¬
geben. Solche Menschen beschenken uns dann meistens mit ausgezeichneten
Tagebüchern, Selbstbetrachtungen, Autobiographien und Briefwechseln. Theodor
Storm liebte es, solche nachdenklichen Menschen, die still und ungekannt ihres



*> Als eine der schwierigen Aufgaben, die der Senat nach Sullas Abgang zu lösen hatte,
nennt Mommsen die, in der Hauptstadt ohne Truppen die Massen des internationalen Gesindels
„und der in Rom großenteils in faktischer Freiheit lebenden Sklaven im Zaum zu halten."
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[0421] Ein deutsches Rünstlerleben Staats als Ausbeuter und Ausgebeutete gegenüber, sondern einerseits die Freien und die Sklaven, die ja gar keine Mitglieder des Staats waren, andrerseits die herrschende Bürgerschaft und ihre Unterthanen in den Pro¬ vinzen, besonders die an despotisches Regiment, Ausplünderung und Mi߬ handlungen gewöhnten Bewohner Kleinasiens und Syriens; die italischen Bundesgenossen nahmen eine mittlere Stellung ein. Die armen Bürger waren nicht Ausgebeutete, denn sie arbeiteten gar nicht, sondern schmarotzende Kostgänger des Kapitals. Daraus erklärt sich der eigentümliche Charakter der sozialen Bewegungen dieser Periode. Es waren teils Sklavenaufstände, die hauptsächlich von Ackerbau- und Grubensklaven und Gladiatoren unternommen wurden, während die städtischen Sklaven, namentlich die der Reichshauptstadt,*) mehr und mehr in das Interesse der Reichen, denen sie dienten, hineingezogen wurden, teils politische Kämpfe, die nicht sowohl vom bürgerlichen Proletariat, als von einsichtigen Staatsmännern zum Zweck der Beseitigung dieses Prole¬ tariats geführt wurden. Die übrigen innern Kämpfe der Periode gehören teils, wie der Bundesgcnossenkrieg und die Kämpfe der großen Generale um die Alleinherrschaft, in das nächste Kapitel, teils wie die Streitigkeiten um Neuordnung des Stimmrechts, der Ämterbesetzung und der Gerichte, als fach¬ wissenschaftlich überhaupt nicht in eine allgemeine Betrachtung. (Schluß folgt) Gin deutsches Künstlerleben n der Kunstwelt, der bildenden, der dichtenden und komponierenden, giebt es Geister, die, vor der Mitwelt unbekannt, eine Art unter¬ irdisches Leben führen, stille, feine Naturen, nach der Art Ludwig Richters, Schwinds, Storms, die aber, durch irgendwelche äußere Umstände oder innere Konflikte in ihrer künstlerischen Entwicklung gehemmt, gleichsam nicht über die Skizze hinauskommen und sich in ihrem bruchstückartigen Dasein einem sinnenden und betrachtenden Innenleben hin¬ geben. Solche Menschen beschenken uns dann meistens mit ausgezeichneten Tagebüchern, Selbstbetrachtungen, Autobiographien und Briefwechseln. Theodor Storm liebte es, solche nachdenklichen Menschen, die still und ungekannt ihres *> Als eine der schwierigen Aufgaben, die der Senat nach Sullas Abgang zu lösen hatte, nennt Mommsen die, in der Hauptstadt ohne Truppen die Massen des internationalen Gesindels „und der in Rom großenteils in faktischer Freiheit lebenden Sklaven im Zaum zu halten."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/421>, abgerufen am 15.01.2025.