Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Der Römerstaat er sie ihm. Der Calvin" (2, 4) schreibt er, sie dürfe sich nicht fürchten, ihres Die wüste und liederliche*) Wirtschaft der letzten beiden republikanischen *) Zum Nichtshabcn fehlten ihm noch 26 Millionen Denare, scherzte Cäsar, als ihn die
Gläubiger nicht in seine spanische Provinz fortlassen wollten. Der Römerstaat er sie ihm. Der Calvin« (2, 4) schreibt er, sie dürfe sich nicht fürchten, ihres Die wüste und liederliche*) Wirtschaft der letzten beiden republikanischen *) Zum Nichtshabcn fehlten ihm noch 26 Millionen Denare, scherzte Cäsar, als ihn die
Gläubiger nicht in seine spanische Provinz fortlassen wollten. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0419" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231589"/> <fw type="header" place="top"> Der Römerstaat</fw><lb/> <p xml:id="ID_1352" prev="#ID_1351"> er sie ihm. Der Calvin« (2, 4) schreibt er, sie dürfe sich nicht fürchten, ihres<lb/> sehr verschuldet verstorbnen Vaters Erbschaft anzutreten; wie er schon zu ihrer<lb/> Mitgift 100000 Sesterzien beigesteuert habe, so werde er jetzt auch die<lb/> Schulden ihres Vaters bezahlen; sie möge also nicht zögern, den guten Namen<lb/> und die Ehre ihres Vaters zu retten. Er sei ja nicht reich, und seine Würde<lb/> (vielleicht ist der Brief im Jahre seines Konsulats geschrieben) erfordre Auf¬<lb/> wand, aber was ihm an Einkommen abgebe, das ersetze er durch Wirtschaft¬<lb/> lichkeit. Eine Sabina hat ihn mit Sabinus zusammen zum Erben eingesetzt;<lb/> einem Sklaven hat sie ein Legat vermacht mit dem Zusatz: „dem Motesens,<lb/> den ich für frei erklärt habe." Der Miterbe Sabinus schreibt, Motesens sei<lb/> nicht freigelassen worden, und als Sklave könne er nicht erben. Daraus ant¬<lb/> wortet Plinius (4, 10): Der Wille der Verstorbnen müsse heilig gehalten<lb/> werden; die Formalität der Freilassung, die Sabina vorzunehmen offenbar<lb/> vergessen habe, müsse also nachgeholt und dem Manne das Legat ausgezahlt<lb/> werden. Seiner Amme schenkt er (6, 3) ein 100000 Sesterzien (17000 Mark)<lb/> werdes Gütlein. Dem Quinctilian, dessen Tochter heiraten soll, schreibt er<lb/> (6, 32): „Ich weiß, du bist reicher an Zufriedenheit als an Vermögen; darum<lb/> erlaube, daß ich einen Teil deiner Last auf mich nehme und als Mitvater<lb/> unsrer Tochter 50000 Sesterzien schenke. Ich würde mehr geben, wenn ich<lb/> nicht wüßte, daß du bei deiner Bescheidenheit nur durch die Geringfügigkeit<lb/> der Gabe bestimmt werden kannst, sie anzunehmen." Auf einem seiner Land¬<lb/> güter steht ein alter kleiner Cerestempel, zu dem jeden 13. September viele<lb/> Landleute pilgern, die dort ihre Andacht verrichten und bei dieser Gelegenheit<lb/> auch viele Geschäfte erledigen. Sie haben aber dort keinen Schutz vor Regen<lb/> und Sonne. Er will daher einen Neubau aufführen und außer dem Tempel<lb/> für die Göttin auch eine Säulenhalle für die Menschen herstellen lassen.<lb/> Nustikus (ein Baumeister?) soll ihm (9, 39) zunächst vier Marmorsäulen,<lb/> Marmor für den Fußboden und die Bekleidung der Tempelwände und eine<lb/> neue Statue der Göttin besorgen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1353" next="#ID_1354"> Die wüste und liederliche*) Wirtschaft der letzten beiden republikanischen<lb/> Jahrhunderte und eine solche Gesinnung der Vornehmen, wie sie in des<lb/> Plinius Briefen hervortritt und von der öffentlichen Meinung als Standes¬<lb/> pflicht gefordert wurde, in der Kaiserzeit, sorgten mit den gebräuchlichen zahl¬<lb/> reichen Adoptionen und Emanzipationen dafür, daß sich der Reichtum nicht in<lb/> einer Kaste festsetzte, sondern als echte Fortunakugel in raschem Wechsel von<lb/> einem zum andern rollte. Es blieb demnach auch immer Raum für die Neu¬<lb/> begründung kleiner und mittlerer Vermögen. Alles in allem genommen, er¬<lb/> scheint der heutige Kapitalismus sittlich gerechtfertigter als der altrömische,</p><lb/> <note xml:id="FID_195" place="foot"> *) Zum Nichtshabcn fehlten ihm noch 26 Millionen Denare, scherzte Cäsar, als ihn die<lb/> Gläubiger nicht in seine spanische Provinz fortlassen wollten.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0419]
Der Römerstaat
er sie ihm. Der Calvin« (2, 4) schreibt er, sie dürfe sich nicht fürchten, ihres
sehr verschuldet verstorbnen Vaters Erbschaft anzutreten; wie er schon zu ihrer
Mitgift 100000 Sesterzien beigesteuert habe, so werde er jetzt auch die
Schulden ihres Vaters bezahlen; sie möge also nicht zögern, den guten Namen
und die Ehre ihres Vaters zu retten. Er sei ja nicht reich, und seine Würde
(vielleicht ist der Brief im Jahre seines Konsulats geschrieben) erfordre Auf¬
wand, aber was ihm an Einkommen abgebe, das ersetze er durch Wirtschaft¬
lichkeit. Eine Sabina hat ihn mit Sabinus zusammen zum Erben eingesetzt;
einem Sklaven hat sie ein Legat vermacht mit dem Zusatz: „dem Motesens,
den ich für frei erklärt habe." Der Miterbe Sabinus schreibt, Motesens sei
nicht freigelassen worden, und als Sklave könne er nicht erben. Daraus ant¬
wortet Plinius (4, 10): Der Wille der Verstorbnen müsse heilig gehalten
werden; die Formalität der Freilassung, die Sabina vorzunehmen offenbar
vergessen habe, müsse also nachgeholt und dem Manne das Legat ausgezahlt
werden. Seiner Amme schenkt er (6, 3) ein 100000 Sesterzien (17000 Mark)
werdes Gütlein. Dem Quinctilian, dessen Tochter heiraten soll, schreibt er
(6, 32): „Ich weiß, du bist reicher an Zufriedenheit als an Vermögen; darum
erlaube, daß ich einen Teil deiner Last auf mich nehme und als Mitvater
unsrer Tochter 50000 Sesterzien schenke. Ich würde mehr geben, wenn ich
nicht wüßte, daß du bei deiner Bescheidenheit nur durch die Geringfügigkeit
der Gabe bestimmt werden kannst, sie anzunehmen." Auf einem seiner Land¬
güter steht ein alter kleiner Cerestempel, zu dem jeden 13. September viele
Landleute pilgern, die dort ihre Andacht verrichten und bei dieser Gelegenheit
auch viele Geschäfte erledigen. Sie haben aber dort keinen Schutz vor Regen
und Sonne. Er will daher einen Neubau aufführen und außer dem Tempel
für die Göttin auch eine Säulenhalle für die Menschen herstellen lassen.
Nustikus (ein Baumeister?) soll ihm (9, 39) zunächst vier Marmorsäulen,
Marmor für den Fußboden und die Bekleidung der Tempelwände und eine
neue Statue der Göttin besorgen.
Die wüste und liederliche*) Wirtschaft der letzten beiden republikanischen
Jahrhunderte und eine solche Gesinnung der Vornehmen, wie sie in des
Plinius Briefen hervortritt und von der öffentlichen Meinung als Standes¬
pflicht gefordert wurde, in der Kaiserzeit, sorgten mit den gebräuchlichen zahl¬
reichen Adoptionen und Emanzipationen dafür, daß sich der Reichtum nicht in
einer Kaste festsetzte, sondern als echte Fortunakugel in raschem Wechsel von
einem zum andern rollte. Es blieb demnach auch immer Raum für die Neu¬
begründung kleiner und mittlerer Vermögen. Alles in allem genommen, er¬
scheint der heutige Kapitalismus sittlich gerechtfertigter als der altrömische,
*) Zum Nichtshabcn fehlten ihm noch 26 Millionen Denare, scherzte Cäsar, als ihn die
Gläubiger nicht in seine spanische Provinz fortlassen wollten.
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