Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.den Römern nahmen sie nach Polhbius 1, 72 den Bauern die Hülste der ge- Das neue Wirtschaftssystem wurde uach Italien verpflanzt. Raum dafür den Römern nahmen sie nach Polhbius 1, 72 den Bauern die Hülste der ge- Das neue Wirtschaftssystem wurde uach Italien verpflanzt. Raum dafür <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0413" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231583"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1343" prev="#ID_1342"> den Römern nahmen sie nach Polhbius 1, 72 den Bauern die Hülste der ge-<lb/> ernteten Früchte ab, erhöhten die Geldsteuer der Städter auf das Doppelte<lb/> und trieben beides mit unerbittlicher Härte ein, weshalb auch die so aus¬<lb/> gebeuteten Unterthanen Karthagos gleich uach Beendigung des Kriegs zu den<lb/> rebellischen Söldnern abfielen. In Sizilien erhielten die Römer das erste<lb/> Ausbeutungsobjekt, an dem sie die neu erlernte Methode erprobten. Die<lb/> schöne Insel wurde nicht in den italischen Staatsorganismus eingegliedert<lb/> (was bei der Beschaffenheit der aus verdorbnen Griechen und von den Kar¬<lb/> thagern versklavten Ureinwohnern bestehenden Bevölkerung auch gar nicht<lb/> möglich gewesen wäre), sondern sie ließen sie als Provinz, als Amt, wie<lb/> Mommsen das Wort übersetzt, verwalten, und die Verwaltung bedeutete in<lb/> diesem Falle Ausbeutung; eine solche Provinz wurde als xrkuzäwin, Landgut<lb/> des römischen Volks, aufgefaßt. Selbstverständlich ging ein Teil der Grundstücke<lb/> in den unmittelbaren Besitz reicher Römer über, und die neuen Besitzer behielten<lb/> die Wirtschaftsweise der Vorbesitzer bei. Diese war der Plantagenbau, der<lb/> von den Karthagern nach dem Muster ihrer heimischen Wirtschaft mit Sklaven¬<lb/> herden betrieben wurde. Bis dahin hatten anch die reichen Römer als<lb/> Bauern gewirtschaftet; was über den Umfang des Bauernhofes hinausging,<lb/> war entweder als Weide benutzt oder in Parzellen an Sklaven oder arme<lb/> Freie verpachtet worden. Der Unterschied des altrömischen Sklaven vom<lb/> heutigen Bauernknechte im Rechte mochte noch so groß sein, der thatsächliche<lb/> Unterschied beschränkte sich darauf, daß jener den Dienst nicht kündigen durfte,<lb/> sondern lebenslänglich an seinen Herrn gebunden blieb, wenn dieser ihn weder<lb/> verkaufte noch frei ließ. Die Karthager bewirtschafteten Güter, die weit über<lb/> den Umfang eines Bauernhofes hinausgingen, mit Sklaven, die nicht Mit¬<lb/> arbeiter des Herrn waren, sondern unendlich tief unter ihm standen, die in<lb/> Fesseln arbeiteten und des Nachts in einen Zwinger gesperrt wurden. Der<lb/> materielle Ertrag war auf dem fruchtbaren afrikanischen und sizilischen Boden<lb/> bedeutend. Die Karthager waren rationelle Landwirte, und der römische Senat<lb/> ließ die Schrift Magos über die Landwirtschaft ins Lateinische übersetzen, „das<lb/> einzige Beispiel einer von dem römischen Senat veranlaßten litterarischen Unter¬<lb/> nehmung." Von da ab entstand bei den Römern eine einheimische landwirt¬<lb/> schaftliche Litteratur. Diese Ausbeutung der Provinzen und diese Plantagen¬<lb/> wirtschaft bezeichnet Mommsen als das Nessushemd, das die Römer vom<lb/> Feinde geschenkt erhalten hätten. Im Hannibalischen Kriege durften die Römer<lb/> ihre Sklaven gegen den Feind zu bewaffnen wagen; sie hielten sich tapfer und<lb/> wurden mit der Freiheit belohnt. Von der neuen Art Sklaven galt: so viel<lb/> Sklaven, so viel Feinde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1344" next="#ID_1345"> Das neue Wirtschaftssystem wurde uach Italien verpflanzt. Raum dafür<lb/> schuf der Hannibalische Krieg. In politischer Beziehung bedeutet dieser sieb¬<lb/> zehnjährige Krieg gerade das Gegenteil von unserm Dreißigjährigen — dort</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0413]
den Römern nahmen sie nach Polhbius 1, 72 den Bauern die Hülste der ge-
ernteten Früchte ab, erhöhten die Geldsteuer der Städter auf das Doppelte
und trieben beides mit unerbittlicher Härte ein, weshalb auch die so aus¬
gebeuteten Unterthanen Karthagos gleich uach Beendigung des Kriegs zu den
rebellischen Söldnern abfielen. In Sizilien erhielten die Römer das erste
Ausbeutungsobjekt, an dem sie die neu erlernte Methode erprobten. Die
schöne Insel wurde nicht in den italischen Staatsorganismus eingegliedert
(was bei der Beschaffenheit der aus verdorbnen Griechen und von den Kar¬
thagern versklavten Ureinwohnern bestehenden Bevölkerung auch gar nicht
möglich gewesen wäre), sondern sie ließen sie als Provinz, als Amt, wie
Mommsen das Wort übersetzt, verwalten, und die Verwaltung bedeutete in
diesem Falle Ausbeutung; eine solche Provinz wurde als xrkuzäwin, Landgut
des römischen Volks, aufgefaßt. Selbstverständlich ging ein Teil der Grundstücke
in den unmittelbaren Besitz reicher Römer über, und die neuen Besitzer behielten
die Wirtschaftsweise der Vorbesitzer bei. Diese war der Plantagenbau, der
von den Karthagern nach dem Muster ihrer heimischen Wirtschaft mit Sklaven¬
herden betrieben wurde. Bis dahin hatten anch die reichen Römer als
Bauern gewirtschaftet; was über den Umfang des Bauernhofes hinausging,
war entweder als Weide benutzt oder in Parzellen an Sklaven oder arme
Freie verpachtet worden. Der Unterschied des altrömischen Sklaven vom
heutigen Bauernknechte im Rechte mochte noch so groß sein, der thatsächliche
Unterschied beschränkte sich darauf, daß jener den Dienst nicht kündigen durfte,
sondern lebenslänglich an seinen Herrn gebunden blieb, wenn dieser ihn weder
verkaufte noch frei ließ. Die Karthager bewirtschafteten Güter, die weit über
den Umfang eines Bauernhofes hinausgingen, mit Sklaven, die nicht Mit¬
arbeiter des Herrn waren, sondern unendlich tief unter ihm standen, die in
Fesseln arbeiteten und des Nachts in einen Zwinger gesperrt wurden. Der
materielle Ertrag war auf dem fruchtbaren afrikanischen und sizilischen Boden
bedeutend. Die Karthager waren rationelle Landwirte, und der römische Senat
ließ die Schrift Magos über die Landwirtschaft ins Lateinische übersetzen, „das
einzige Beispiel einer von dem römischen Senat veranlaßten litterarischen Unter¬
nehmung." Von da ab entstand bei den Römern eine einheimische landwirt¬
schaftliche Litteratur. Diese Ausbeutung der Provinzen und diese Plantagen¬
wirtschaft bezeichnet Mommsen als das Nessushemd, das die Römer vom
Feinde geschenkt erhalten hätten. Im Hannibalischen Kriege durften die Römer
ihre Sklaven gegen den Feind zu bewaffnen wagen; sie hielten sich tapfer und
wurden mit der Freiheit belohnt. Von der neuen Art Sklaven galt: so viel
Sklaven, so viel Feinde.
Das neue Wirtschaftssystem wurde uach Italien verpflanzt. Raum dafür
schuf der Hannibalische Krieg. In politischer Beziehung bedeutet dieser sieb¬
zehnjährige Krieg gerade das Gegenteil von unserm Dreißigjährigen — dort
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