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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Die große" Berliner Uunstansstellungen

Malerei hat von jeher einen internationalen Zug gehabt, und er hat sich noch
verstärkt, seitdem die Berliner Bevölkerung ein unerfreuliches Gemisch aus den
verschiedensten deutschen Volksstümmen und anslündischen Elementen geworden
ist, worin das eigentliche Berlinertnm mit seinen großen Tugenden und großen
Fehlern, die auch schon das Erzeugnis einer Mischung aus germanischem,
wendischen und französischem Blute sind, nur noch einen kleinen Teil ausmacht.
Was in Berlin an genrehaften Darstellungen hervorgebracht wird, ist fast aus¬
schließlich für den Bedarf der illustrierte,: Blätter bestimmt. Eine mit der
großen Ausstellung verbundne Souderausstelluug des Verbands deutscher Illu¬
stratoren klärt uns -- wir können nicht einmal sagen: in erfreulicher Weise --
darüber auf, wie viel künstlerisches Kapital durch den Masseuhnnger dieser
Blätter verschlungen wird, ohne daß die Kapitalanlage von sichtlichem Vor¬
teil ist, weder für die künstlerische Bildung der Leser, noch für eine aufwärts
führende Entwicklung der Maler und Zeichner, die sich in den Dienst dieser
Industrie gestellt haben, die ihnen eine wenn auch kärgliche, so doch sichere
und bequeme Versorgung gewährt. Wir sehen mit Schrecken, wie viel wirk¬
liche Talente durch diese Massenproduktion in geistlose Manieriertheit versinken
oder ganz zu Gründe gehn.

Aber auch in Düsseldorf, wo die Maler schon seit den dreißiger Jahren
dieses Jahrhunderts enge Fühlung mit dem Bolkstum in den Rheinlanden, in
Westfalen, in Hessen und im badischen Schwarzwalde gewonnen hatten, ist die
Genremalerei in den letzten Jahren ganz auffallend zurückgegangen, und diese
Erscheinung spiegelt sich auch in der Düsseldorfer Abteilung der Berliner Kunst¬
ausstellung wieder, die sichtlich mit großer Sorgfalt und feiner Auswahl zu¬
sammengestellt ist, aber fast ausschließlich Landschaften enthält, Man hat diese
Erscheinung daraus erklären wollen, daß während der beiden letzten Jahrzehnte
aus der rheinischen Musenstadt eine moderne Industrie- und Fabrikstadt ge¬
worden ist, deren Lebensäußerungen einen großen Teil der Maler von einer
weitern "Einkehr in das Bolkstum," wie das Schlagwort lautet, abgeschreckt
haben. Es hat dann aber auch nicht an Künstlern gefehlt, die in dieser Um¬
wandlung Düsseldorfs eine dankenswerte Erweiterung ihres Anschannngskreises
sahen und froh waren, daß sie nun auch wie die Pariser, die Belgier und die
Berliner die "Helden der Arbeit" und ihre ganze Gefolgschaft bis hinab zum
elendesten Proletariat nach der Natur malen konnten. Es scheint jedoch, daß
diese Art von Malerei weder in Düsseldorf noch anderswo einen Beifall ge¬
sunden hat, der ihren weitern Betrieb ersprießlich machte. Weder sie, noch
die mit ihr eng Verbündete moderne Richtung sind in Düsseldorf auf das
richtige Verständnis gestoßen, und es ist dort schon, wie aus Berichte" über
die örtlichen Ausstellungen der letztem Jahre hervorgeht, eine Reaktion im
Gange, die darauf abzielt, der Düsseldorfer Genremalerei wieder ihren alten
Ehrenplatz in der deutschen Kunst zu erringen.


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Die große» Berliner Uunstansstellungen

Malerei hat von jeher einen internationalen Zug gehabt, und er hat sich noch
verstärkt, seitdem die Berliner Bevölkerung ein unerfreuliches Gemisch aus den
verschiedensten deutschen Volksstümmen und anslündischen Elementen geworden
ist, worin das eigentliche Berlinertnm mit seinen großen Tugenden und großen
Fehlern, die auch schon das Erzeugnis einer Mischung aus germanischem,
wendischen und französischem Blute sind, nur noch einen kleinen Teil ausmacht.
Was in Berlin an genrehaften Darstellungen hervorgebracht wird, ist fast aus¬
schließlich für den Bedarf der illustrierte,: Blätter bestimmt. Eine mit der
großen Ausstellung verbundne Souderausstelluug des Verbands deutscher Illu¬
stratoren klärt uns — wir können nicht einmal sagen: in erfreulicher Weise —
darüber auf, wie viel künstlerisches Kapital durch den Masseuhnnger dieser
Blätter verschlungen wird, ohne daß die Kapitalanlage von sichtlichem Vor¬
teil ist, weder für die künstlerische Bildung der Leser, noch für eine aufwärts
führende Entwicklung der Maler und Zeichner, die sich in den Dienst dieser
Industrie gestellt haben, die ihnen eine wenn auch kärgliche, so doch sichere
und bequeme Versorgung gewährt. Wir sehen mit Schrecken, wie viel wirk¬
liche Talente durch diese Massenproduktion in geistlose Manieriertheit versinken
oder ganz zu Gründe gehn.

Aber auch in Düsseldorf, wo die Maler schon seit den dreißiger Jahren
dieses Jahrhunderts enge Fühlung mit dem Bolkstum in den Rheinlanden, in
Westfalen, in Hessen und im badischen Schwarzwalde gewonnen hatten, ist die
Genremalerei in den letzten Jahren ganz auffallend zurückgegangen, und diese
Erscheinung spiegelt sich auch in der Düsseldorfer Abteilung der Berliner Kunst¬
ausstellung wieder, die sichtlich mit großer Sorgfalt und feiner Auswahl zu¬
sammengestellt ist, aber fast ausschließlich Landschaften enthält, Man hat diese
Erscheinung daraus erklären wollen, daß während der beiden letzten Jahrzehnte
aus der rheinischen Musenstadt eine moderne Industrie- und Fabrikstadt ge¬
worden ist, deren Lebensäußerungen einen großen Teil der Maler von einer
weitern „Einkehr in das Bolkstum," wie das Schlagwort lautet, abgeschreckt
haben. Es hat dann aber auch nicht an Künstlern gefehlt, die in dieser Um¬
wandlung Düsseldorfs eine dankenswerte Erweiterung ihres Anschannngskreises
sahen und froh waren, daß sie nun auch wie die Pariser, die Belgier und die
Berliner die „Helden der Arbeit" und ihre ganze Gefolgschaft bis hinab zum
elendesten Proletariat nach der Natur malen konnten. Es scheint jedoch, daß
diese Art von Malerei weder in Düsseldorf noch anderswo einen Beifall ge¬
sunden hat, der ihren weitern Betrieb ersprießlich machte. Weder sie, noch
die mit ihr eng Verbündete moderne Richtung sind in Düsseldorf auf das
richtige Verständnis gestoßen, und es ist dort schon, wie aus Berichte« über
die örtlichen Ausstellungen der letztem Jahre hervorgeht, eine Reaktion im
Gange, die darauf abzielt, der Düsseldorfer Genremalerei wieder ihren alten
Ehrenplatz in der deutschen Kunst zu erringen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/41>, abgerufen am 15.01.2025.