Verlangen des Gesandten war nämlich durch eine Flottendemonstration im Persischen Meerbusen der nötige Nachdruck gegeben worden, indem fünf Kriegs¬ schiffe dort einliefen und auf der Insel Charak Truppen landeten.
Zweierlei wird durch diese Ereignisse klar, erstens der Einfluß Persiens auf die Geschicke Indiens, und zweitens der Wert, der schon damals auf die Unabhängigkeit Herats gelegt wurde. Mac-Real war einer der ersten, der wegen der gefahrdrohenden Annäherung der Russen Lärm schlug und vor ihren Tücken warnte; nach ihm thaten es Rawlinson, Goldsmith, Vambery, dieser geschworne Feind Rußlands, und in letzter Zeit Curzon, der augenblickliche Vizekönig von Indien, sowie Mac-Gregor, früher Chef des Stabes der ost¬ indischen Truppen.
"Für den Bestand der englischen Herrschaft, sagt Oberstleutnant Curry (der sich in seiner 1875 erschienenen Schrift: Lb.g,an>of ok ooinivA sveiM or ins SÄstsrn mkHÄes hauptsächlich auf die ersten vier der ebengenannten Auto¬ ritäten bezieht), ist ein Punkt von der höchsten Wichtigkeit, ein Punkt, der nicht aus den Augen gelassen werden darf: nämlich England kann nicht zulassen, daß Herat dem unvermuteten Angriff eines russischen Heeres erliegt, denn es ist der Schlüssel Indiens. Wenn die Russen Herat bedrohen, müssen die Eng¬ länder sofort ein Korps zu seinem Schutze vorrücken lassen. Persien hat zweimal auf Anstiften Rußlands Herat nehmen wollen, 1838 und 1857; in persischen Händen würde Herat eine russische Stadt werden; jetzt ist es ein Stapelplatz für Persien, Turkestan, Kabul und Indien." "Herat russischen Händen überlassen, heißt Indien die Kehle zuschnüren; einer Besetzung durch die Russen müssen die Engländer zuvorkommen," meinte Rawlinson. "Mit dem Tage, an dem Herat uns verloren geht, so setzt Mac-Gregor diesen Ge¬ dankengang fort, erleidet unser Ansetzn einen schweren Stoß, und die Folgen sind Wirren mitten in Indien, an denen unsre offnen und heimlichen Feinde eine helle Freude haben werden. Alle Ehrgeizigen, alle Unzufriednen, alle nichts¬ nutzigen Subjekte in Indien werden eine neue Zeit herankommen sehen; sie werden sich zusammenthun zu einem allgemeinen Freudengeheul und gespannt nach dem ersten Aufblitzen russischer Bajonette ausschauen."
2
Die Möglichkeit eines Zusammenstoßes der Russen und Engländer an den Ufern des Indus ist in dem letzten Vierteljahrhundert nicht nur von deu speziell beteiligten Kreisen, sondern ganz allgemein in Europa, selbst in der amerikanischen und chinesischen Presse immer häufiger erörtert worden, und zwar immer mehr, je weiter sich die Überzeugung von der unredlichen Politik Albions verbreitet hat. Noch 1881 schrieb Skobeljew an Katkow: "Ein dauerhaftes und unter vorteilhaften Bedingungen mit England abgeschlossenes Bündnis wiegt ganz Mittelasten auf." Aber ein solches Bündnis ist England
Russen und Engländer in Zentralasien
Verlangen des Gesandten war nämlich durch eine Flottendemonstration im Persischen Meerbusen der nötige Nachdruck gegeben worden, indem fünf Kriegs¬ schiffe dort einliefen und auf der Insel Charak Truppen landeten.
Zweierlei wird durch diese Ereignisse klar, erstens der Einfluß Persiens auf die Geschicke Indiens, und zweitens der Wert, der schon damals auf die Unabhängigkeit Herats gelegt wurde. Mac-Real war einer der ersten, der wegen der gefahrdrohenden Annäherung der Russen Lärm schlug und vor ihren Tücken warnte; nach ihm thaten es Rawlinson, Goldsmith, Vambery, dieser geschworne Feind Rußlands, und in letzter Zeit Curzon, der augenblickliche Vizekönig von Indien, sowie Mac-Gregor, früher Chef des Stabes der ost¬ indischen Truppen.
„Für den Bestand der englischen Herrschaft, sagt Oberstleutnant Curry (der sich in seiner 1875 erschienenen Schrift: Lb.g,an>of ok ooinivA sveiM or ins SÄstsrn mkHÄes hauptsächlich auf die ersten vier der ebengenannten Auto¬ ritäten bezieht), ist ein Punkt von der höchsten Wichtigkeit, ein Punkt, der nicht aus den Augen gelassen werden darf: nämlich England kann nicht zulassen, daß Herat dem unvermuteten Angriff eines russischen Heeres erliegt, denn es ist der Schlüssel Indiens. Wenn die Russen Herat bedrohen, müssen die Eng¬ länder sofort ein Korps zu seinem Schutze vorrücken lassen. Persien hat zweimal auf Anstiften Rußlands Herat nehmen wollen, 1838 und 1857; in persischen Händen würde Herat eine russische Stadt werden; jetzt ist es ein Stapelplatz für Persien, Turkestan, Kabul und Indien." „Herat russischen Händen überlassen, heißt Indien die Kehle zuschnüren; einer Besetzung durch die Russen müssen die Engländer zuvorkommen," meinte Rawlinson. „Mit dem Tage, an dem Herat uns verloren geht, so setzt Mac-Gregor diesen Ge¬ dankengang fort, erleidet unser Ansetzn einen schweren Stoß, und die Folgen sind Wirren mitten in Indien, an denen unsre offnen und heimlichen Feinde eine helle Freude haben werden. Alle Ehrgeizigen, alle Unzufriednen, alle nichts¬ nutzigen Subjekte in Indien werden eine neue Zeit herankommen sehen; sie werden sich zusammenthun zu einem allgemeinen Freudengeheul und gespannt nach dem ersten Aufblitzen russischer Bajonette ausschauen."
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Die Möglichkeit eines Zusammenstoßes der Russen und Engländer an den Ufern des Indus ist in dem letzten Vierteljahrhundert nicht nur von deu speziell beteiligten Kreisen, sondern ganz allgemein in Europa, selbst in der amerikanischen und chinesischen Presse immer häufiger erörtert worden, und zwar immer mehr, je weiter sich die Überzeugung von der unredlichen Politik Albions verbreitet hat. Noch 1881 schrieb Skobeljew an Katkow: „Ein dauerhaftes und unter vorteilhaften Bedingungen mit England abgeschlossenes Bündnis wiegt ganz Mittelasten auf." Aber ein solches Bündnis ist England
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Russen und Engländer in Zentralasien
Verlangen des Gesandten war nämlich durch eine Flottendemonstration im
Persischen Meerbusen der nötige Nachdruck gegeben worden, indem fünf Kriegs¬
schiffe dort einliefen und auf der Insel Charak Truppen landeten.
Zweierlei wird durch diese Ereignisse klar, erstens der Einfluß Persiens
auf die Geschicke Indiens, und zweitens der Wert, der schon damals auf die
Unabhängigkeit Herats gelegt wurde. Mac-Real war einer der ersten, der
wegen der gefahrdrohenden Annäherung der Russen Lärm schlug und vor ihren
Tücken warnte; nach ihm thaten es Rawlinson, Goldsmith, Vambery, dieser
geschworne Feind Rußlands, und in letzter Zeit Curzon, der augenblickliche
Vizekönig von Indien, sowie Mac-Gregor, früher Chef des Stabes der ost¬
indischen Truppen.
„Für den Bestand der englischen Herrschaft, sagt Oberstleutnant Curry
(der sich in seiner 1875 erschienenen Schrift: Lb.g,an>of ok ooinivA sveiM or
ins SÄstsrn mkHÄes hauptsächlich auf die ersten vier der ebengenannten Auto¬
ritäten bezieht), ist ein Punkt von der höchsten Wichtigkeit, ein Punkt, der nicht
aus den Augen gelassen werden darf: nämlich England kann nicht zulassen,
daß Herat dem unvermuteten Angriff eines russischen Heeres erliegt, denn es
ist der Schlüssel Indiens. Wenn die Russen Herat bedrohen, müssen die Eng¬
länder sofort ein Korps zu seinem Schutze vorrücken lassen. Persien hat
zweimal auf Anstiften Rußlands Herat nehmen wollen, 1838 und 1857; in
persischen Händen würde Herat eine russische Stadt werden; jetzt ist es ein
Stapelplatz für Persien, Turkestan, Kabul und Indien." „Herat russischen
Händen überlassen, heißt Indien die Kehle zuschnüren; einer Besetzung durch
die Russen müssen die Engländer zuvorkommen," meinte Rawlinson. „Mit
dem Tage, an dem Herat uns verloren geht, so setzt Mac-Gregor diesen Ge¬
dankengang fort, erleidet unser Ansetzn einen schweren Stoß, und die Folgen sind
Wirren mitten in Indien, an denen unsre offnen und heimlichen Feinde eine
helle Freude haben werden. Alle Ehrgeizigen, alle Unzufriednen, alle nichts¬
nutzigen Subjekte in Indien werden eine neue Zeit herankommen sehen; sie
werden sich zusammenthun zu einem allgemeinen Freudengeheul und gespannt
nach dem ersten Aufblitzen russischer Bajonette ausschauen."
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Die Möglichkeit eines Zusammenstoßes der Russen und Engländer an den
Ufern des Indus ist in dem letzten Vierteljahrhundert nicht nur von deu
speziell beteiligten Kreisen, sondern ganz allgemein in Europa, selbst in der
amerikanischen und chinesischen Presse immer häufiger erörtert worden, und
zwar immer mehr, je weiter sich die Überzeugung von der unredlichen Politik
Albions verbreitet hat. Noch 1881 schrieb Skobeljew an Katkow: „Ein
dauerhaftes und unter vorteilhaften Bedingungen mit England abgeschlossenes
Bündnis wiegt ganz Mittelasten auf." Aber ein solches Bündnis ist England
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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/402>, abgerufen am 23.01.2025.
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