Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Thüringer Märchen eines Weinstocks Latten quer angenagelt, und einen Fuß weit unter der Dachrinne Aber der "Hannnnchel" schlief nicht, und noch viel weniger träumte er, ob¬ Die beiden Kameraden unter der Ofenbank, der Stiefelknecht und das Katzen¬ Dieser Spaß war dem "Hannnnchel doch zu toll -- denn er sah alles nur Und Moosfried, der Spielmann, hatte schnell die Fiedel ins Säcklein gesteckt Aber an dem Zwergenbrünnlein steht heute noch keine neue Tcmzbuche wieder, Gott weiß, wo sich dieses Spielmannsgeschlecht nun herumtreibt. 2. Der Ahorn Es war einmal ein Büttner in dem Dorfe Eifenhein, den hießen sie den Thüringer Märchen eines Weinstocks Latten quer angenagelt, und einen Fuß weit unter der Dachrinne Aber der „Hannnnchel" schlief nicht, und noch viel weniger träumte er, ob¬ Die beiden Kameraden unter der Ofenbank, der Stiefelknecht und das Katzen¬ Dieser Spaß war dem „Hannnnchel doch zu toll — denn er sah alles nur Und Moosfried, der Spielmann, hatte schnell die Fiedel ins Säcklein gesteckt Aber an dem Zwergenbrünnlein steht heute noch keine neue Tcmzbuche wieder, Gott weiß, wo sich dieses Spielmannsgeschlecht nun herumtreibt. 2. Der Ahorn Es war einmal ein Büttner in dem Dorfe Eifenhein, den hießen sie den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0383" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231553"/> <fw type="header" place="top"> Thüringer Märchen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1238" prev="#ID_1237"> eines Weinstocks Latten quer angenagelt, und einen Fuß weit unter der Dachrinne<lb/> guckte eine Rede zum Luftloch hinein. Das war reichlich so groß, daß eine alte<lb/> Katze hindurch hätte kriechen können. Mvosfried hatte scharfe Augen und übersah<lb/> das alles ganz pfiffig und kletterte, das Geigensäcklein auf dem Rücken, an der<lb/> Wand hinauf, von einer Weinlatte zur andern bis zum Luftloch und schlüpfte<lb/> hinein und lauschte, ob da in der Bauernstube auch die Luft rein sei. Der Mond<lb/> schien in die Stube so schon hell, daß der Moosfried ganz deutlich scheu konnte,<lb/> wie der „Hannnnchel" auf der Ruhebank lag. Und weil der kleine Fiedler glaubte,<lb/> der „Hannnnchel" schlafe, setzte er sich solcher Art ins Luftloch, daß er die Beinchen<lb/> in die Stube hineinbaumeln ließ, zog die Fiedel aus dem Sack und sing an, lustig<lb/> aufzuspielen zu dem vermeintlichen Bauerntraum.</p><lb/> <p xml:id="ID_1239"> Aber der „Hannnnchel" schlief nicht, und noch viel weniger träumte er, ob¬<lb/> gleich er die Augen geschlossen hielt. Als nun das zarte, allerliebste Zwergen-<lb/> liedleiu nnhub, sprang der „Hannnnchel" etwa nicht gleich auf. Deal ein Bauer<lb/> erschrickt nicht gleich vor jeder Kleinigkeit, hat aber immer ein wenig Schlauheit<lb/> vorrätig. Der „Hannnnchel" fing mit seinen Augen schlau an zu zwinkern und<lb/> entdeckte auch bald den kleinen Musikanten im Luftloch. Der aber hatte davon<lb/> keine Ahnung und glaubte immer, der Bauer schliefe, weil er sich uicht rührte und<lb/> regte. Und so spielte der Moosfried andächtig weiter.</p><lb/> <p xml:id="ID_1240"> Die beiden Kameraden unter der Ofenbank, der Stiefelknecht und das Katzen¬<lb/> tröglein, hatten schon längst mit einander geflüstert von ihrem traurigen Dasein.<lb/> Als nun die alte liebe Musik ertönte, da ward es ihnen ganz fröhlich und tanzerig<lb/> in ihrem Inwendigen. Und es dauerte gar nicht lange, so stieg die Lust in ihnen<lb/> zu einer solchen Höhe, daß sich der Stiefelknecht aufrichtete und sich vor dem<lb/> Katzentröglein vornehm verneigte wie ein Herr vor eiuer Dame, die er zum Tanz<lb/> auffordert. Auch das Katzentröglein erhob sich und machte ein Knickslein, und der<lb/> Stiefelknecht umfaßte es, und — heidi! — walzten sie mit einander in der Stube<lb/> herum im Mondenschein, als feierten sie ihre Hochzeit.<lb/> "</p><lb/> <p xml:id="ID_1241"> Dieser Spaß war dem „Hannnnchel doch zu toll — denn er sah alles nur<lb/> zu deutlich —, sodaß er laut zu lachen anfing. Hopphopp! waren Stiefelknecht<lb/> und Katzentröglein wieder unter der Ofenbank und rührten sich nicht und thaten,<lb/> als wüßten sie von der ganzen Geschichte nichts.</p><lb/> <p xml:id="ID_1242"> Und Moosfried, der Spielmann, hatte schnell die Fiedel ins Säcklein gesteckt<lb/> und war auf und davon, als der Bauer Johann Michael Sauermilch sich damisch<lb/> erhob und sich bedächtig hinter dem Ohr kratzte. So etwas war ihm noch nicht<lb/> vorgekommen und auch sonst Wohl niemand.</p><lb/> <p xml:id="ID_1243"> Aber an dem Zwergenbrünnlein steht heute noch keine neue Tcmzbuche wieder,<lb/> obwohl Zeit genug vergangen ist, daß nunmehr eine größere dastehn könnte, als<lb/> jene war, die der „Hannmichel" umgemacht hat. Heute stehn da nur Kiefern, und<lb/> die sind den Zwergen zu stachelig.</p><lb/> <p xml:id="ID_1244"> Gott weiß, wo sich dieses Spielmannsgeschlecht nun herumtreibt.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> 2. Der Ahorn</head><lb/> <p xml:id="ID_1245" next="#ID_1246"> Es war einmal ein Büttner in dem Dorfe Eifenhein, den hießen sie den<lb/> Baumschinder. Das durfte er aber nicht hören, weil er sonst in Wut geriet. Den<lb/> Namen Bartel ließ er sich gefallen, obgleich er nicht auf Bartholomäus getauft<lb/> war. Sondern sie nannten ihn so, weil er immer eine Barte mit sich trug. Das<lb/> ist ein kleines Beil. Wenn er an einem Baum vorbeiging: Finsch! hieb er damit<lb/> von der Rinde einen Fetzen weg. Das konnte er gar nicht anders, und wenn ihm<lb/> mich angst dabei wurde. Er war schon mehrmals deswegen von den Schöppen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0383]
Thüringer Märchen
eines Weinstocks Latten quer angenagelt, und einen Fuß weit unter der Dachrinne
guckte eine Rede zum Luftloch hinein. Das war reichlich so groß, daß eine alte
Katze hindurch hätte kriechen können. Mvosfried hatte scharfe Augen und übersah
das alles ganz pfiffig und kletterte, das Geigensäcklein auf dem Rücken, an der
Wand hinauf, von einer Weinlatte zur andern bis zum Luftloch und schlüpfte
hinein und lauschte, ob da in der Bauernstube auch die Luft rein sei. Der Mond
schien in die Stube so schon hell, daß der Moosfried ganz deutlich scheu konnte,
wie der „Hannnnchel" auf der Ruhebank lag. Und weil der kleine Fiedler glaubte,
der „Hannnnchel" schlafe, setzte er sich solcher Art ins Luftloch, daß er die Beinchen
in die Stube hineinbaumeln ließ, zog die Fiedel aus dem Sack und sing an, lustig
aufzuspielen zu dem vermeintlichen Bauerntraum.
Aber der „Hannnnchel" schlief nicht, und noch viel weniger träumte er, ob¬
gleich er die Augen geschlossen hielt. Als nun das zarte, allerliebste Zwergen-
liedleiu nnhub, sprang der „Hannnnchel" etwa nicht gleich auf. Deal ein Bauer
erschrickt nicht gleich vor jeder Kleinigkeit, hat aber immer ein wenig Schlauheit
vorrätig. Der „Hannnnchel" fing mit seinen Augen schlau an zu zwinkern und
entdeckte auch bald den kleinen Musikanten im Luftloch. Der aber hatte davon
keine Ahnung und glaubte immer, der Bauer schliefe, weil er sich uicht rührte und
regte. Und so spielte der Moosfried andächtig weiter.
Die beiden Kameraden unter der Ofenbank, der Stiefelknecht und das Katzen¬
tröglein, hatten schon längst mit einander geflüstert von ihrem traurigen Dasein.
Als nun die alte liebe Musik ertönte, da ward es ihnen ganz fröhlich und tanzerig
in ihrem Inwendigen. Und es dauerte gar nicht lange, so stieg die Lust in ihnen
zu einer solchen Höhe, daß sich der Stiefelknecht aufrichtete und sich vor dem
Katzentröglein vornehm verneigte wie ein Herr vor eiuer Dame, die er zum Tanz
auffordert. Auch das Katzentröglein erhob sich und machte ein Knickslein, und der
Stiefelknecht umfaßte es, und — heidi! — walzten sie mit einander in der Stube
herum im Mondenschein, als feierten sie ihre Hochzeit.
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Dieser Spaß war dem „Hannnnchel doch zu toll — denn er sah alles nur
zu deutlich —, sodaß er laut zu lachen anfing. Hopphopp! waren Stiefelknecht
und Katzentröglein wieder unter der Ofenbank und rührten sich nicht und thaten,
als wüßten sie von der ganzen Geschichte nichts.
Und Moosfried, der Spielmann, hatte schnell die Fiedel ins Säcklein gesteckt
und war auf und davon, als der Bauer Johann Michael Sauermilch sich damisch
erhob und sich bedächtig hinter dem Ohr kratzte. So etwas war ihm noch nicht
vorgekommen und auch sonst Wohl niemand.
Aber an dem Zwergenbrünnlein steht heute noch keine neue Tcmzbuche wieder,
obwohl Zeit genug vergangen ist, daß nunmehr eine größere dastehn könnte, als
jene war, die der „Hannmichel" umgemacht hat. Heute stehn da nur Kiefern, und
die sind den Zwergen zu stachelig.
Gott weiß, wo sich dieses Spielmannsgeschlecht nun herumtreibt.
2. Der Ahorn
Es war einmal ein Büttner in dem Dorfe Eifenhein, den hießen sie den
Baumschinder. Das durfte er aber nicht hören, weil er sonst in Wut geriet. Den
Namen Bartel ließ er sich gefallen, obgleich er nicht auf Bartholomäus getauft
war. Sondern sie nannten ihn so, weil er immer eine Barte mit sich trug. Das
ist ein kleines Beil. Wenn er an einem Baum vorbeiging: Finsch! hieb er damit
von der Rinde einen Fetzen weg. Das konnte er gar nicht anders, und wenn ihm
mich angst dabei wurde. Er war schon mehrmals deswegen von den Schöppen
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