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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Deutsche Kinderlieder und Kinderspiele

schildert, wie es ähnlich etwa Gustav Freytag im Nest der Zaunkönige aus dem
Kloster des heiligen Wigbert zu Hersfeld zu erzählen weiß. Ebenso könnten wir
fragen, wem wohl die angeführten Schmähworte gegolten haben mögen, bevor ein
böswilliger Einfall sie auf die Person Luthers übertrug. Aber statt die schon an¬
geführten Verschen zu wiederholen, wollen wir uns lieber zu einem andern Bei¬
spiele wenden. Es hat den Vorzug, uns wohl allgemein in irgend einer Fassung
bekannt zu sein.

Nicht eben ein zartsinniges Familienbild, doch lassen wir uns das einmal nicht
verdrießen. Dieses ehemalige Tanzlied Erwachsener ist hundertmal umgestaltet
worden, teils freier:^

teils in engerm Anschlusse, nur mit anderen Scherze:^

so übrigens nicht etwa in Kaffeesachsen, sondern im österreichische" Schlesien zu
Hause.

Im sächsischen Erzgebirges dagegen mit einem noch drolligern Einfall zum
Schluß:

Neumodischer als diese Schlnmperliedchen, die sich die Kinderwelt angeeignet hat,
kann doch kaum etwas klingen, etwa von Couplets abgesehen. Darum habe ich
ohne Verwunderung darunter vor kurzem in einer Sammlung/) gelesen: "Soll um
1350 in Sachsen entstanden sein." So zugestutzt, vielleicht auch mit seiner be¬
kannten Tanzweise verbunden, mag es meinetwegen um diese Zeit irgendwo in
Nord- oder Mitteldeutschland gesungen worden sein, deun diesem Bereiche gehören
die bisher erwähnten Fassungen an. Entstanden aber ist es ganz gewiß um diese
Zeit nicht erst. Davon wird uns ein Blick nach Süddeutschlnnd überzeugen. Da
weiß man nämlich zwar nichts von "de Lott ist tot, de Lott ist tot" und "Hmmchen
kommt, Hmmchen kommt," sondern es heißt:"-)







>) Peter 65, 160.
2) Peter 96, 234; andre Umwandlungen finden sich z. B. bei Wegener 993. Frisch¬
eier 95Z5. Firmcnich I, 431.
Müller 168, 141.
'
) K. Franke a. a. O., S. 33.
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1 Birlinger, Aus Schwaben I, S. 206.
Deutsche Kinderlieder und Kinderspiele

schildert, wie es ähnlich etwa Gustav Freytag im Nest der Zaunkönige aus dem
Kloster des heiligen Wigbert zu Hersfeld zu erzählen weiß. Ebenso könnten wir
fragen, wem wohl die angeführten Schmähworte gegolten haben mögen, bevor ein
böswilliger Einfall sie auf die Person Luthers übertrug. Aber statt die schon an¬
geführten Verschen zu wiederholen, wollen wir uns lieber zu einem andern Bei¬
spiele wenden. Es hat den Vorzug, uns wohl allgemein in irgend einer Fassung
bekannt zu sein.

Nicht eben ein zartsinniges Familienbild, doch lassen wir uns das einmal nicht
verdrießen. Dieses ehemalige Tanzlied Erwachsener ist hundertmal umgestaltet
worden, teils freier:^

teils in engerm Anschlusse, nur mit anderen Scherze:^

so übrigens nicht etwa in Kaffeesachsen, sondern im österreichische» Schlesien zu
Hause.

Im sächsischen Erzgebirges dagegen mit einem noch drolligern Einfall zum
Schluß:

Neumodischer als diese Schlnmperliedchen, die sich die Kinderwelt angeeignet hat,
kann doch kaum etwas klingen, etwa von Couplets abgesehen. Darum habe ich
ohne Verwunderung darunter vor kurzem in einer Sammlung/) gelesen: „Soll um
1350 in Sachsen entstanden sein." So zugestutzt, vielleicht auch mit seiner be¬
kannten Tanzweise verbunden, mag es meinetwegen um diese Zeit irgendwo in
Nord- oder Mitteldeutschland gesungen worden sein, deun diesem Bereiche gehören
die bisher erwähnten Fassungen an. Entstanden aber ist es ganz gewiß um diese
Zeit nicht erst. Davon wird uns ein Blick nach Süddeutschlnnd überzeugen. Da
weiß man nämlich zwar nichts von „de Lott ist tot, de Lott ist tot" und „Hmmchen
kommt, Hmmchen kommt," sondern es heißt:"-)







>) Peter 65, 160.
2) Peter 96, 234; andre Umwandlungen finden sich z. B. bei Wegener 993. Frisch¬
eier 95Z5. Firmcnich I, 431.
Müller 168, 141.
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1 Birlinger, Aus Schwaben I, S. 206.
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[0372] Deutsche Kinderlieder und Kinderspiele schildert, wie es ähnlich etwa Gustav Freytag im Nest der Zaunkönige aus dem Kloster des heiligen Wigbert zu Hersfeld zu erzählen weiß. Ebenso könnten wir fragen, wem wohl die angeführten Schmähworte gegolten haben mögen, bevor ein böswilliger Einfall sie auf die Person Luthers übertrug. Aber statt die schon an¬ geführten Verschen zu wiederholen, wollen wir uns lieber zu einem andern Bei¬ spiele wenden. Es hat den Vorzug, uns wohl allgemein in irgend einer Fassung bekannt zu sein. Nicht eben ein zartsinniges Familienbild, doch lassen wir uns das einmal nicht verdrießen. Dieses ehemalige Tanzlied Erwachsener ist hundertmal umgestaltet worden, teils freier:^ teils in engerm Anschlusse, nur mit anderen Scherze:^ so übrigens nicht etwa in Kaffeesachsen, sondern im österreichische» Schlesien zu Hause. Im sächsischen Erzgebirges dagegen mit einem noch drolligern Einfall zum Schluß: Neumodischer als diese Schlnmperliedchen, die sich die Kinderwelt angeeignet hat, kann doch kaum etwas klingen, etwa von Couplets abgesehen. Darum habe ich ohne Verwunderung darunter vor kurzem in einer Sammlung/) gelesen: „Soll um 1350 in Sachsen entstanden sein." So zugestutzt, vielleicht auch mit seiner be¬ kannten Tanzweise verbunden, mag es meinetwegen um diese Zeit irgendwo in Nord- oder Mitteldeutschland gesungen worden sein, deun diesem Bereiche gehören die bisher erwähnten Fassungen an. Entstanden aber ist es ganz gewiß um diese Zeit nicht erst. Davon wird uns ein Blick nach Süddeutschlnnd überzeugen. Da weiß man nämlich zwar nichts von „de Lott ist tot, de Lott ist tot" und „Hmmchen kommt, Hmmchen kommt," sondern es heißt:"-) >) Peter 65, 160. 2) Peter 96, 234; andre Umwandlungen finden sich z. B. bei Wegener 993. Frisch¬ eier 95Z5. Firmcnich I, 431. Müller 168, 141. ' ) K. Franke a. a. O., S. 33. ' 1 Birlinger, Aus Schwaben I, S. 206.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/372>, abgerufen am 15.01.2025.