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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Die Aufteilung Afrikas

Die politische Aufteilung Zentral- und Nordafrikas war in vollem Gange,
sie hüllte sich in den Mantel der Humanität, Bekämpfung des Sklavenhandels
war ihr scheinheiliges Motto. Voran gingen die Belgier. Belgien hat hervor¬
ragende koloniale Interessen. Die Industrie hat das Ländchen reich gemacht,
es hat Überfluß an Kapital und legt dieses mit Vorliebe in Kolonialwerten
an. Belgische Kapitalisten arbeiten in russischen Kolonien ebenso wie in eng¬
lischen, französischen oder deutschen. Eigne Kolonien zu erwerben verbietet dem
Lande seine neutrale politische Stellung, es ist daher darauf angewiesen, in
fremden Kolonien zu arbeiten. Der König der Belgier hat geringe Gelegen¬
heit, sich nach außen politisch zu bethätigen, so ist es natürlich, daß er seine
Thätigkeit der wirtschaftlichen Hebung seines Landes widmet. Schon als
Kronprinz hat der jetzige König, Leopold II., darauf hingewiesen, daß Belgien
im Auslande Absatzgebiete suchen müsse im Interesse seiner Industrie. Am
27. Februar 1860 hielt er als Kronprinz in seiner Eigenschaft als Mitglied
des Senats eine Rede, in der folgender Passus vorkam: "Ich glaube, daß der
Augenblick gekommen ist, uns nach außen auszubreiten. Ich glaube, wir dürfen
keine Zeit verlieren, sonst laufen wir Gefahr, daß die besten Positionen auf
der Erde -- schon heute selten -- von andern Nationen mit Beschlag belegt
werden." Mit Eifer folgte Leopold II. der Erforschung Afrikas. Im Jahre
1873 war eine "deutsche Gesellschaft zur Erforschung Afrikas" gegründet worden.
Sie hatte keine Erfolge, weil sie von Westen her vorging, wo die Schwierig¬
keiten, in das Innere des dunkeln Kontinents zu dringen, am größten waren.
Da nahm Leopold II. die Angelegenheit in die Hand. In einer Konferenz in
Brüssel vom 12. bis 14. September 1876 beschlossen die von ihm dazu ein-
geladnen Mächte, das Deutsche Reich, Österreich, Belgien, England, Frankreich,
Italien, Rußland, Holland, die Schweiz und Spanien, die Sklaverei in Zentral¬
afrika zu unterdrücken. Es wurde die "Internationale Afrikagesellschaft" ge¬
gründet, die indessen mit ihren sieben Expeditionen keine praktischen Erfolge
erzielte. Das sollte erst einem Manne gelingen, der einen ganz neuen Typus
von Forschungsreisenden darstellte, den wirtschaftlichen Forschungsreisenden.
Stanley war im August 1877 von seiner großen Kongoreise zurückgekehrt und
trachtete danach, seine von dem wirtschaftlichen Wert Jnnerafrikcis gewonnenen
Anschauungen praktisch nutzbar zu machen. Er wandte sich zunächst an die
großen Baumwollweber in Manchester, für die das Kongobecken ein großartiges
Absatzgebiet hätte werden müssen. Aber er fand bei ihnen kein Verständnis,
und die englischen Zeitungen überschütteten ihn mit Hohn und Spott. Stanley
wandte sich nun an die ^8Looig.ti0n intörnat,1eins.l6 atrie,g,ius, ohne auch hier
zum Ziele zu kommen. Auch Leopold II. hatte die Wertlosigkeit dieser Assozia-
tion eingesehen; er beschloß selbständig vorzugehn und begründete das Oomitö
ä'Muäes an Haut vcmAd, deren Angelegenheiten als Privatsache des Königs
behandelt wurden. Stanley trat in Leopolds II. Dienste. Unter dem Vor-


Die Aufteilung Afrikas

Die politische Aufteilung Zentral- und Nordafrikas war in vollem Gange,
sie hüllte sich in den Mantel der Humanität, Bekämpfung des Sklavenhandels
war ihr scheinheiliges Motto. Voran gingen die Belgier. Belgien hat hervor¬
ragende koloniale Interessen. Die Industrie hat das Ländchen reich gemacht,
es hat Überfluß an Kapital und legt dieses mit Vorliebe in Kolonialwerten
an. Belgische Kapitalisten arbeiten in russischen Kolonien ebenso wie in eng¬
lischen, französischen oder deutschen. Eigne Kolonien zu erwerben verbietet dem
Lande seine neutrale politische Stellung, es ist daher darauf angewiesen, in
fremden Kolonien zu arbeiten. Der König der Belgier hat geringe Gelegen¬
heit, sich nach außen politisch zu bethätigen, so ist es natürlich, daß er seine
Thätigkeit der wirtschaftlichen Hebung seines Landes widmet. Schon als
Kronprinz hat der jetzige König, Leopold II., darauf hingewiesen, daß Belgien
im Auslande Absatzgebiete suchen müsse im Interesse seiner Industrie. Am
27. Februar 1860 hielt er als Kronprinz in seiner Eigenschaft als Mitglied
des Senats eine Rede, in der folgender Passus vorkam: „Ich glaube, daß der
Augenblick gekommen ist, uns nach außen auszubreiten. Ich glaube, wir dürfen
keine Zeit verlieren, sonst laufen wir Gefahr, daß die besten Positionen auf
der Erde — schon heute selten — von andern Nationen mit Beschlag belegt
werden." Mit Eifer folgte Leopold II. der Erforschung Afrikas. Im Jahre
1873 war eine „deutsche Gesellschaft zur Erforschung Afrikas" gegründet worden.
Sie hatte keine Erfolge, weil sie von Westen her vorging, wo die Schwierig¬
keiten, in das Innere des dunkeln Kontinents zu dringen, am größten waren.
Da nahm Leopold II. die Angelegenheit in die Hand. In einer Konferenz in
Brüssel vom 12. bis 14. September 1876 beschlossen die von ihm dazu ein-
geladnen Mächte, das Deutsche Reich, Österreich, Belgien, England, Frankreich,
Italien, Rußland, Holland, die Schweiz und Spanien, die Sklaverei in Zentral¬
afrika zu unterdrücken. Es wurde die „Internationale Afrikagesellschaft" ge¬
gründet, die indessen mit ihren sieben Expeditionen keine praktischen Erfolge
erzielte. Das sollte erst einem Manne gelingen, der einen ganz neuen Typus
von Forschungsreisenden darstellte, den wirtschaftlichen Forschungsreisenden.
Stanley war im August 1877 von seiner großen Kongoreise zurückgekehrt und
trachtete danach, seine von dem wirtschaftlichen Wert Jnnerafrikcis gewonnenen
Anschauungen praktisch nutzbar zu machen. Er wandte sich zunächst an die
großen Baumwollweber in Manchester, für die das Kongobecken ein großartiges
Absatzgebiet hätte werden müssen. Aber er fand bei ihnen kein Verständnis,
und die englischen Zeitungen überschütteten ihn mit Hohn und Spott. Stanley
wandte sich nun an die ^8Looig.ti0n intörnat,1eins.l6 atrie,g,ius, ohne auch hier
zum Ziele zu kommen. Auch Leopold II. hatte die Wertlosigkeit dieser Assozia-
tion eingesehen; er beschloß selbständig vorzugehn und begründete das Oomitö
ä'Muäes an Haut vcmAd, deren Angelegenheiten als Privatsache des Königs
behandelt wurden. Stanley trat in Leopolds II. Dienste. Unter dem Vor-


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[0367] Die Aufteilung Afrikas Die politische Aufteilung Zentral- und Nordafrikas war in vollem Gange, sie hüllte sich in den Mantel der Humanität, Bekämpfung des Sklavenhandels war ihr scheinheiliges Motto. Voran gingen die Belgier. Belgien hat hervor¬ ragende koloniale Interessen. Die Industrie hat das Ländchen reich gemacht, es hat Überfluß an Kapital und legt dieses mit Vorliebe in Kolonialwerten an. Belgische Kapitalisten arbeiten in russischen Kolonien ebenso wie in eng¬ lischen, französischen oder deutschen. Eigne Kolonien zu erwerben verbietet dem Lande seine neutrale politische Stellung, es ist daher darauf angewiesen, in fremden Kolonien zu arbeiten. Der König der Belgier hat geringe Gelegen¬ heit, sich nach außen politisch zu bethätigen, so ist es natürlich, daß er seine Thätigkeit der wirtschaftlichen Hebung seines Landes widmet. Schon als Kronprinz hat der jetzige König, Leopold II., darauf hingewiesen, daß Belgien im Auslande Absatzgebiete suchen müsse im Interesse seiner Industrie. Am 27. Februar 1860 hielt er als Kronprinz in seiner Eigenschaft als Mitglied des Senats eine Rede, in der folgender Passus vorkam: „Ich glaube, daß der Augenblick gekommen ist, uns nach außen auszubreiten. Ich glaube, wir dürfen keine Zeit verlieren, sonst laufen wir Gefahr, daß die besten Positionen auf der Erde — schon heute selten — von andern Nationen mit Beschlag belegt werden." Mit Eifer folgte Leopold II. der Erforschung Afrikas. Im Jahre 1873 war eine „deutsche Gesellschaft zur Erforschung Afrikas" gegründet worden. Sie hatte keine Erfolge, weil sie von Westen her vorging, wo die Schwierig¬ keiten, in das Innere des dunkeln Kontinents zu dringen, am größten waren. Da nahm Leopold II. die Angelegenheit in die Hand. In einer Konferenz in Brüssel vom 12. bis 14. September 1876 beschlossen die von ihm dazu ein- geladnen Mächte, das Deutsche Reich, Österreich, Belgien, England, Frankreich, Italien, Rußland, Holland, die Schweiz und Spanien, die Sklaverei in Zentral¬ afrika zu unterdrücken. Es wurde die „Internationale Afrikagesellschaft" ge¬ gründet, die indessen mit ihren sieben Expeditionen keine praktischen Erfolge erzielte. Das sollte erst einem Manne gelingen, der einen ganz neuen Typus von Forschungsreisenden darstellte, den wirtschaftlichen Forschungsreisenden. Stanley war im August 1877 von seiner großen Kongoreise zurückgekehrt und trachtete danach, seine von dem wirtschaftlichen Wert Jnnerafrikcis gewonnenen Anschauungen praktisch nutzbar zu machen. Er wandte sich zunächst an die großen Baumwollweber in Manchester, für die das Kongobecken ein großartiges Absatzgebiet hätte werden müssen. Aber er fand bei ihnen kein Verständnis, und die englischen Zeitungen überschütteten ihn mit Hohn und Spott. Stanley wandte sich nun an die ^8Looig.ti0n intörnat,1eins.l6 atrie,g,ius, ohne auch hier zum Ziele zu kommen. Auch Leopold II. hatte die Wertlosigkeit dieser Assozia- tion eingesehen; er beschloß selbständig vorzugehn und begründete das Oomitö ä'Muäes an Haut vcmAd, deren Angelegenheiten als Privatsache des Königs behandelt wurden. Stanley trat in Leopolds II. Dienste. Unter dem Vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/367>, abgerufen am 15.01.2025.