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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Die Aufteilung Afrikas

land und Frankreich. Trotzdem mochte Said Medjit das Unsichre seiner Lage
empfinden. Wenig, hundert Meter von seinem Palast ankerten die fremden
Kriegsschiffe, deren Feuerschlünde im Handumdrehn seine Residenz in Asche
legen konnten. Die Jnselstadt war ein goldner Käfig für ihn. Der Gedanke
lag nahe, die Residenz nach dem Festlande zu verlegen, und Said Medjit ließ
denn auch in Dar-es-Salaam prächtige Bauten errichten. Aber er starb
1870; und nach arabischer Sitte ließ man die angefangnen Bauten in Dar-
es-Salaam verfallen. Sein Nachfolger war Said Bargasch, der sich schon
vorher durch verschiedne Putsche der Regierung zu bemächtigen versucht hatte.

Said Bargaschs Regierung entbehrt nicht einer gewissen Tragik: sie begann
unter den Anzeichen, daß ein großes arabisches Reich bis zum Kongo hin er-
stehn und sich dem Szepter des Sultans von Sansibar fügen würde, und
endete mit dem Niederbruch dieser arabischen Träume. Die Handelsbeziehungen,
die die Araber nach dem Innern Afrikas in den zwanziger und dreißiger Jahren
dieses Jahrhunderts wieder aufgenommen hatten, hatten auch geographische
Kenntnisse von dem dunkeln Erdteile gebracht. Der deutsche Missionar Erhardt
veröffentlichte 1855 eine Karte des Seengebiets, auf der die bei Karawanen¬
führern eingezognen Erkundigungen eingetragen waren, und die den Anlaß zu
zahlreichen Forschungsreisen nach den Seen zur Entdeckung der Nilquellen gab.
Europas Interesse für das zentrale Afrika war geweckt, es führte zuerst zur
wissenschaftlichen Erschließung und dann zur politischen Aufteilung dieser Ge¬
biete. Durch die Eröffnung des Suezkanals war die Sansibarküste Europa
auch räumlich näher gerückt, sie wuchs an wirtschaftlicher und politischer Be¬
deutung mit dem nordöstlichen Afrika, das nun wieder zu einer Pforte des
Weltverkehrs nach Indien und den Gewürzlündern geworden ist.

Die wissenschaftliche Erschließung des äquatorialen Afrika brachte zunächst
dem Arabertum Vorteile. Die europäischen Forschungsreisenden erschlossen
mit ihren überlegnen Waffen viele Gebiete, in die sich die arabischen Händler
nicht gewagt hatten. Den Wegen Livingstones, Fischers, Stanleys, Wißmanns
sind die arabischen Kaufleute gefolgt, und bald flatterte der rote Wimpel des
Sultans von Sansibar überall im Seengebiet sowohl wie im Kongobecken und
im Lande der Massai. Said Bargasch hatte überall an den wichtigern Nieder¬
lassungen der Araber seine Gouverneure (Maki), er hielt sich sogar ein stehendes
Heer unter dem Befehl des Engländers Matthews und eine kleine Flotte. Die
Familien der ins Innere wandernden arabischen Großen blieben in Sansibar
zurück, sie waren seine Geiseln: der Sultan war in der That der Herrscher
in einem ausgedehnten festländischen Reiche, nur der Schlußstein fehlte, die
Verlegung der Residenz von Sansibar nach dem Festlande. Morgenlündische
Bequemlichkeit und Schlaffheit hat es wohl verschuldet, daß die Saids diesen
Schritt zu thun gezögert haben. Im Jahre 1884 war es zu spät, die Dynastie
büßte ihre Schlaffheit mit dem Verluste der Souveränität.


Die Aufteilung Afrikas

land und Frankreich. Trotzdem mochte Said Medjit das Unsichre seiner Lage
empfinden. Wenig, hundert Meter von seinem Palast ankerten die fremden
Kriegsschiffe, deren Feuerschlünde im Handumdrehn seine Residenz in Asche
legen konnten. Die Jnselstadt war ein goldner Käfig für ihn. Der Gedanke
lag nahe, die Residenz nach dem Festlande zu verlegen, und Said Medjit ließ
denn auch in Dar-es-Salaam prächtige Bauten errichten. Aber er starb
1870; und nach arabischer Sitte ließ man die angefangnen Bauten in Dar-
es-Salaam verfallen. Sein Nachfolger war Said Bargasch, der sich schon
vorher durch verschiedne Putsche der Regierung zu bemächtigen versucht hatte.

Said Bargaschs Regierung entbehrt nicht einer gewissen Tragik: sie begann
unter den Anzeichen, daß ein großes arabisches Reich bis zum Kongo hin er-
stehn und sich dem Szepter des Sultans von Sansibar fügen würde, und
endete mit dem Niederbruch dieser arabischen Träume. Die Handelsbeziehungen,
die die Araber nach dem Innern Afrikas in den zwanziger und dreißiger Jahren
dieses Jahrhunderts wieder aufgenommen hatten, hatten auch geographische
Kenntnisse von dem dunkeln Erdteile gebracht. Der deutsche Missionar Erhardt
veröffentlichte 1855 eine Karte des Seengebiets, auf der die bei Karawanen¬
führern eingezognen Erkundigungen eingetragen waren, und die den Anlaß zu
zahlreichen Forschungsreisen nach den Seen zur Entdeckung der Nilquellen gab.
Europas Interesse für das zentrale Afrika war geweckt, es führte zuerst zur
wissenschaftlichen Erschließung und dann zur politischen Aufteilung dieser Ge¬
biete. Durch die Eröffnung des Suezkanals war die Sansibarküste Europa
auch räumlich näher gerückt, sie wuchs an wirtschaftlicher und politischer Be¬
deutung mit dem nordöstlichen Afrika, das nun wieder zu einer Pforte des
Weltverkehrs nach Indien und den Gewürzlündern geworden ist.

Die wissenschaftliche Erschließung des äquatorialen Afrika brachte zunächst
dem Arabertum Vorteile. Die europäischen Forschungsreisenden erschlossen
mit ihren überlegnen Waffen viele Gebiete, in die sich die arabischen Händler
nicht gewagt hatten. Den Wegen Livingstones, Fischers, Stanleys, Wißmanns
sind die arabischen Kaufleute gefolgt, und bald flatterte der rote Wimpel des
Sultans von Sansibar überall im Seengebiet sowohl wie im Kongobecken und
im Lande der Massai. Said Bargasch hatte überall an den wichtigern Nieder¬
lassungen der Araber seine Gouverneure (Maki), er hielt sich sogar ein stehendes
Heer unter dem Befehl des Engländers Matthews und eine kleine Flotte. Die
Familien der ins Innere wandernden arabischen Großen blieben in Sansibar
zurück, sie waren seine Geiseln: der Sultan war in der That der Herrscher
in einem ausgedehnten festländischen Reiche, nur der Schlußstein fehlte, die
Verlegung der Residenz von Sansibar nach dem Festlande. Morgenlündische
Bequemlichkeit und Schlaffheit hat es wohl verschuldet, daß die Saids diesen
Schritt zu thun gezögert haben. Im Jahre 1884 war es zu spät, die Dynastie
büßte ihre Schlaffheit mit dem Verluste der Souveränität.


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[0365] Die Aufteilung Afrikas land und Frankreich. Trotzdem mochte Said Medjit das Unsichre seiner Lage empfinden. Wenig, hundert Meter von seinem Palast ankerten die fremden Kriegsschiffe, deren Feuerschlünde im Handumdrehn seine Residenz in Asche legen konnten. Die Jnselstadt war ein goldner Käfig für ihn. Der Gedanke lag nahe, die Residenz nach dem Festlande zu verlegen, und Said Medjit ließ denn auch in Dar-es-Salaam prächtige Bauten errichten. Aber er starb 1870; und nach arabischer Sitte ließ man die angefangnen Bauten in Dar- es-Salaam verfallen. Sein Nachfolger war Said Bargasch, der sich schon vorher durch verschiedne Putsche der Regierung zu bemächtigen versucht hatte. Said Bargaschs Regierung entbehrt nicht einer gewissen Tragik: sie begann unter den Anzeichen, daß ein großes arabisches Reich bis zum Kongo hin er- stehn und sich dem Szepter des Sultans von Sansibar fügen würde, und endete mit dem Niederbruch dieser arabischen Träume. Die Handelsbeziehungen, die die Araber nach dem Innern Afrikas in den zwanziger und dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts wieder aufgenommen hatten, hatten auch geographische Kenntnisse von dem dunkeln Erdteile gebracht. Der deutsche Missionar Erhardt veröffentlichte 1855 eine Karte des Seengebiets, auf der die bei Karawanen¬ führern eingezognen Erkundigungen eingetragen waren, und die den Anlaß zu zahlreichen Forschungsreisen nach den Seen zur Entdeckung der Nilquellen gab. Europas Interesse für das zentrale Afrika war geweckt, es führte zuerst zur wissenschaftlichen Erschließung und dann zur politischen Aufteilung dieser Ge¬ biete. Durch die Eröffnung des Suezkanals war die Sansibarküste Europa auch räumlich näher gerückt, sie wuchs an wirtschaftlicher und politischer Be¬ deutung mit dem nordöstlichen Afrika, das nun wieder zu einer Pforte des Weltverkehrs nach Indien und den Gewürzlündern geworden ist. Die wissenschaftliche Erschließung des äquatorialen Afrika brachte zunächst dem Arabertum Vorteile. Die europäischen Forschungsreisenden erschlossen mit ihren überlegnen Waffen viele Gebiete, in die sich die arabischen Händler nicht gewagt hatten. Den Wegen Livingstones, Fischers, Stanleys, Wißmanns sind die arabischen Kaufleute gefolgt, und bald flatterte der rote Wimpel des Sultans von Sansibar überall im Seengebiet sowohl wie im Kongobecken und im Lande der Massai. Said Bargasch hatte überall an den wichtigern Nieder¬ lassungen der Araber seine Gouverneure (Maki), er hielt sich sogar ein stehendes Heer unter dem Befehl des Engländers Matthews und eine kleine Flotte. Die Familien der ins Innere wandernden arabischen Großen blieben in Sansibar zurück, sie waren seine Geiseln: der Sultan war in der That der Herrscher in einem ausgedehnten festländischen Reiche, nur der Schlußstein fehlte, die Verlegung der Residenz von Sansibar nach dem Festlande. Morgenlündische Bequemlichkeit und Schlaffheit hat es wohl verschuldet, daß die Saids diesen Schritt zu thun gezögert haben. Im Jahre 1884 war es zu spät, die Dynastie büßte ihre Schlaffheit mit dem Verluste der Souveränität.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/365>, abgerufen am 15.01.2025.