Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Aus Dichtung und Wahrheit über Shakespeares Leben Auf den von Tyler vermuteten William Herbert, der erst nach dem Tode Die leidenschaftlich geliebte, dämonisch berückende und zugleich heftig ge¬ Es ist nun schon mehr als ein Jahrzehnt her, daß diese Dinge der Aus Dichtung und Wahrheit über Shakespeares Leben Auf den von Tyler vermuteten William Herbert, der erst nach dem Tode Die leidenschaftlich geliebte, dämonisch berückende und zugleich heftig ge¬ Es ist nun schon mehr als ein Jahrzehnt her, daß diese Dinge der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0032" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231202"/> <fw type="header" place="top"> Aus Dichtung und Wahrheit über Shakespeares Leben</fw><lb/> <p xml:id="ID_71"> Auf den von Tyler vermuteten William Herbert, der erst nach dem Tode<lb/> seines Vaters (19. Januar 1601) Carl of Pembroke wurde, passen in der That<lb/> die Anfangsbuchstaben W. H., obwohl ja in Wirklichkeit der junge Kavalier<lb/> auch schon früher „Lord Herbert" tituliert wurde, und die seinem Stande nicht<lb/> entsprechende Bezeichnung Mr. W. H. auffällig wäre, wenn sie nicht als ab¬<lb/> sichtliche Verschleierung gewählt wurde. Zu William Herbert stimmen aber<lb/> anch noch eine Reihe andrer Züge des schönen Freundes in den Sonetten.<lb/> Abgesehen von dem an sich nicht greifbaren Preise seiner persönlichen Schön¬<lb/> heit — wir haben von dem geschichtlichen William Herbert Carl of Pembroke<lb/> nur ein Bild aus seinem spätern Mannesalter —, paßt die Anspielung auf<lb/> die schöne Mutter des Freundes im Sonett 3: „Du bist das Spiegelbild deiner<lb/> Mutter, und in dir erneuert sich ihr lieblicher Frühling"*) gar wohl auf die<lb/> geschichtliche Mutter Pembrokes, die gefeierte schöne Gräfin Mary Pembroke,<lb/> die Schwester Sir Philip Sidneys, von der uns Tyler in seinem Buche ein<lb/> höchst anmutiges Porträt mitteilt, und von der noch weiter unten zu reden ist.<lb/> Der Hauptinhalt der ersten Gruppe von Sonetten, die Mahnung an den jungen<lb/> schönen Freund, sich doch zu verheiraten, damit sein Haus nicht aussterbe,<lb/> findet seine Parallele in den Bemühungen der Eltern des jungen William<lb/> Herbert, ihn zu einer Ehe zu bewegen, wozu der junge Damenheld durchcins<lb/> nicht geneigt zu sein schien.</p><lb/> <p xml:id="ID_72"> Die leidenschaftlich geliebte, dämonisch berückende und zugleich heftig ge¬<lb/> schmähte dunkle Dame der Sonette aber, die, wie es scheint, den Dichter ge¬<lb/> fesselt, ihn jedoch zu Gunsten des schönen Freundes aufgegeben hatte, sie findet<lb/> eine merkwürdige Beleuchtung durch ein verhängnisvolles Vorkommnis im<lb/> Leben des jungen Pembroke, seine schlimme Liebesaffaire mit Mrs. Mary Fitton,<lb/> die zur Geburt eines unehelichen toten Knaben und zur Verbannung des<lb/> schuldigen Paares vom Hofe der jungfräulichen Königin führte.</p><lb/> <p xml:id="ID_73" next="#ID_74"> Es ist nun schon mehr als ein Jahrzehnt her, daß diese Dinge der<lb/> Öffentlichkeit bekannt gegeben wurden, und so skeptisch sich auch manche gegen¬<lb/> über den hier kurz zusammengefaßten Kombinationen verhielten, mochte es<lb/> dennoch wohl gestattet sein, sich die innere Geschichte der unseligen Leidenschaft<lb/> des Dichters zu dem verführerischen Weibe, die aus den Sonetten spricht, in<lb/> der Phantasie weiter auszumalen. Es wäre auch erlaubt, noch weiter zu<lb/> gehen, und indem man sich bloß auf die Annahme beschränkte, der schöne<lb/> Freund sei wirklich William Herbert Carl of Pembroke gewesen, das Verhältnis<lb/> des Dichters zu dem Pembrokischen Hause zu erwägen. Selbst wenn wir die<lb/> Sonette, die sich mit der dunkeln Dame beschäftigen, und mit ihnen Mrs.<lb/> Mary Fitton ganz beiseite lassen, sind die Anfangsbuchstaben W. H. und die</p><lb/> <note xml:id="FID_5" place="foot"> <lg xml:id="POEMID_3" type="poem"> <l/> </lg> </note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
Aus Dichtung und Wahrheit über Shakespeares Leben
Auf den von Tyler vermuteten William Herbert, der erst nach dem Tode
seines Vaters (19. Januar 1601) Carl of Pembroke wurde, passen in der That
die Anfangsbuchstaben W. H., obwohl ja in Wirklichkeit der junge Kavalier
auch schon früher „Lord Herbert" tituliert wurde, und die seinem Stande nicht
entsprechende Bezeichnung Mr. W. H. auffällig wäre, wenn sie nicht als ab¬
sichtliche Verschleierung gewählt wurde. Zu William Herbert stimmen aber
anch noch eine Reihe andrer Züge des schönen Freundes in den Sonetten.
Abgesehen von dem an sich nicht greifbaren Preise seiner persönlichen Schön¬
heit — wir haben von dem geschichtlichen William Herbert Carl of Pembroke
nur ein Bild aus seinem spätern Mannesalter —, paßt die Anspielung auf
die schöne Mutter des Freundes im Sonett 3: „Du bist das Spiegelbild deiner
Mutter, und in dir erneuert sich ihr lieblicher Frühling"*) gar wohl auf die
geschichtliche Mutter Pembrokes, die gefeierte schöne Gräfin Mary Pembroke,
die Schwester Sir Philip Sidneys, von der uns Tyler in seinem Buche ein
höchst anmutiges Porträt mitteilt, und von der noch weiter unten zu reden ist.
Der Hauptinhalt der ersten Gruppe von Sonetten, die Mahnung an den jungen
schönen Freund, sich doch zu verheiraten, damit sein Haus nicht aussterbe,
findet seine Parallele in den Bemühungen der Eltern des jungen William
Herbert, ihn zu einer Ehe zu bewegen, wozu der junge Damenheld durchcins
nicht geneigt zu sein schien.
Die leidenschaftlich geliebte, dämonisch berückende und zugleich heftig ge¬
schmähte dunkle Dame der Sonette aber, die, wie es scheint, den Dichter ge¬
fesselt, ihn jedoch zu Gunsten des schönen Freundes aufgegeben hatte, sie findet
eine merkwürdige Beleuchtung durch ein verhängnisvolles Vorkommnis im
Leben des jungen Pembroke, seine schlimme Liebesaffaire mit Mrs. Mary Fitton,
die zur Geburt eines unehelichen toten Knaben und zur Verbannung des
schuldigen Paares vom Hofe der jungfräulichen Königin führte.
Es ist nun schon mehr als ein Jahrzehnt her, daß diese Dinge der
Öffentlichkeit bekannt gegeben wurden, und so skeptisch sich auch manche gegen¬
über den hier kurz zusammengefaßten Kombinationen verhielten, mochte es
dennoch wohl gestattet sein, sich die innere Geschichte der unseligen Leidenschaft
des Dichters zu dem verführerischen Weibe, die aus den Sonetten spricht, in
der Phantasie weiter auszumalen. Es wäre auch erlaubt, noch weiter zu
gehen, und indem man sich bloß auf die Annahme beschränkte, der schöne
Freund sei wirklich William Herbert Carl of Pembroke gewesen, das Verhältnis
des Dichters zu dem Pembrokischen Hause zu erwägen. Selbst wenn wir die
Sonette, die sich mit der dunkeln Dame beschäftigen, und mit ihnen Mrs.
Mary Fitton ganz beiseite lassen, sind die Anfangsbuchstaben W. H. und die
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