Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Die Aufteilung Afrikas Nun sind die Anlaute des Indischen Ozeans seit Jahrtausenden ein Ziel Das Verlangen des Abendlands nach einem ungehinderten Verkehr mit Die Aufteilung Afrikas Nun sind die Anlaute des Indischen Ozeans seit Jahrtausenden ein Ziel Das Verlangen des Abendlands nach einem ungehinderten Verkehr mit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0300" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231470"/> <fw type="header" place="top"> Die Aufteilung Afrikas</fw><lb/> <p xml:id="ID_956"> Nun sind die Anlaute des Indischen Ozeans seit Jahrtausenden ein Ziel<lb/> der Sehnsucht für das Abendland gewesen. Griechen und Römer und später<lb/> das gesamte Abendland bezogen aus dem sagenhaften Indien seit alters her<lb/> die größten Kostbarkeiten, Geschmeide und Gewürze. Da der Seeweg nicht<lb/> bekannt war, so nahm der Handel seinen Weg durch das Rote Meer nach<lb/> Nlexcmdria und von dort in das Abendland. Dieser Wichtigkeit als Vermitt-<lb/> lungslcuid auf dem Wege nach Indien verdankt das nordöstliche Afrika seine<lb/> weltpolitische Stellung. Sobald im Abendland ein großes Reich mit starker<lb/> Expansivkraft erstand, hat es sich des Nildeltas als des Schlüssels des Orient¬<lb/> handels zu bemächtigen gesucht. Die römischen Cäsaren, Alexander der Große<lb/> und der Osmane Selim I. haben ihr Banner über Alexandria steigen lassen,<lb/> und anch die italischen Handelsrepubliken suchten im Lande der Pyramiden Ein¬<lb/> fluß zu gewinnen. Bis in die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts vollzog<lb/> sich der Handel über Alexandria ohne Schwierigkeiten für das Abendland. Als<lb/> in diesem Jahrhundert der Türkensturm gegen Europa brauste, und türkische<lb/> Seeräuberei den Levantehandel unsicher machte, wurde der Wunsch nach einer<lb/> andern Verbindung des Abendlands mit dem Morgenlande immer lebhafter.<lb/> Von den kühnen Seefahrern, die die Sehnsucht ihrer Zeitgenossen zu erfüllen<lb/> trachteten, entdeckte der eine einen neuen Erdteil, der andre fand den richtigen<lb/> Weg nach Indien, jeder der beiden Entdecker schenkte dem Abendlande einen<lb/> Erdteil voll reichster Gaben, ein Goldland Kolumbus, und Gama die Heimat<lb/> der Gewürze. Die Entdeckung Vacso de Gamas hat Ägyptens handelspolitische<lb/> Bedeutung herabgesetzt, denn der Weg nach Indien führte seitdem nicht mehr<lb/> über Ägypten. Napoleon I. versuchte diesem Lande von neuem eine weltpolitische<lb/> Stellung zu geben, indem er den für die damaligen Zeitverhältnisse unsinnigen,<lb/> weil aussichtslosen Handstreich auf das Nilthal unternahm. Ihn leitete dabei<lb/> wohl weniger der realpolitische Gedanke einer Bedrohung Indiens, denn dazu<lb/> waren seine Machtmittel zu schwach, sondern der Wunsch, mit der Nachahmung<lb/> antiker Größen, wie Cäsar und Alexander, für sich Reklame zu machen, ent¬<lb/> sprechend der mit der Antike kokettierenden Geschmacksrichtung des Nevolutions-<lb/> zeitalters. Eine natürliche Bedeutung als Thor des Handels und als poli¬<lb/> tische Vorburg für Indien hat Ägypten erst wieder durch die Eröffnung des<lb/> Suezkanals gewonnen, und seit dieser Zeit ist auch Frankreichs ägyptische<lb/> Politik realpolitisch begründet nicht minder wie Englands erhöhter Eifer in<lb/> Ostafrika. Mit diesem Entwicklungsgange der weltpolitischen Stellung des<lb/> nordöstlichen Afrikas steht der des äquatorialen Ostafrika in Einklang.</p><lb/> <p xml:id="ID_957" next="#ID_958"> Das Verlangen des Abendlands nach einem ungehinderten Verkehr mit<lb/> Indien wurde von Portugals Herrschern aus natürlichen Gründen lebhast ge¬<lb/> teilt. Heinrich der Seefahrer faßte zu Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts<lb/> den Plan, sein engbegrenztes Reich über Afrika nach den reichen Gewürzländern<lb/> Indiens auszudehnen, und was er begann, vollendete der geniale König</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0300]
Die Aufteilung Afrikas
Nun sind die Anlaute des Indischen Ozeans seit Jahrtausenden ein Ziel
der Sehnsucht für das Abendland gewesen. Griechen und Römer und später
das gesamte Abendland bezogen aus dem sagenhaften Indien seit alters her
die größten Kostbarkeiten, Geschmeide und Gewürze. Da der Seeweg nicht
bekannt war, so nahm der Handel seinen Weg durch das Rote Meer nach
Nlexcmdria und von dort in das Abendland. Dieser Wichtigkeit als Vermitt-
lungslcuid auf dem Wege nach Indien verdankt das nordöstliche Afrika seine
weltpolitische Stellung. Sobald im Abendland ein großes Reich mit starker
Expansivkraft erstand, hat es sich des Nildeltas als des Schlüssels des Orient¬
handels zu bemächtigen gesucht. Die römischen Cäsaren, Alexander der Große
und der Osmane Selim I. haben ihr Banner über Alexandria steigen lassen,
und anch die italischen Handelsrepubliken suchten im Lande der Pyramiden Ein¬
fluß zu gewinnen. Bis in die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts vollzog
sich der Handel über Alexandria ohne Schwierigkeiten für das Abendland. Als
in diesem Jahrhundert der Türkensturm gegen Europa brauste, und türkische
Seeräuberei den Levantehandel unsicher machte, wurde der Wunsch nach einer
andern Verbindung des Abendlands mit dem Morgenlande immer lebhafter.
Von den kühnen Seefahrern, die die Sehnsucht ihrer Zeitgenossen zu erfüllen
trachteten, entdeckte der eine einen neuen Erdteil, der andre fand den richtigen
Weg nach Indien, jeder der beiden Entdecker schenkte dem Abendlande einen
Erdteil voll reichster Gaben, ein Goldland Kolumbus, und Gama die Heimat
der Gewürze. Die Entdeckung Vacso de Gamas hat Ägyptens handelspolitische
Bedeutung herabgesetzt, denn der Weg nach Indien führte seitdem nicht mehr
über Ägypten. Napoleon I. versuchte diesem Lande von neuem eine weltpolitische
Stellung zu geben, indem er den für die damaligen Zeitverhältnisse unsinnigen,
weil aussichtslosen Handstreich auf das Nilthal unternahm. Ihn leitete dabei
wohl weniger der realpolitische Gedanke einer Bedrohung Indiens, denn dazu
waren seine Machtmittel zu schwach, sondern der Wunsch, mit der Nachahmung
antiker Größen, wie Cäsar und Alexander, für sich Reklame zu machen, ent¬
sprechend der mit der Antike kokettierenden Geschmacksrichtung des Nevolutions-
zeitalters. Eine natürliche Bedeutung als Thor des Handels und als poli¬
tische Vorburg für Indien hat Ägypten erst wieder durch die Eröffnung des
Suezkanals gewonnen, und seit dieser Zeit ist auch Frankreichs ägyptische
Politik realpolitisch begründet nicht minder wie Englands erhöhter Eifer in
Ostafrika. Mit diesem Entwicklungsgange der weltpolitischen Stellung des
nordöstlichen Afrikas steht der des äquatorialen Ostafrika in Einklang.
Das Verlangen des Abendlands nach einem ungehinderten Verkehr mit
Indien wurde von Portugals Herrschern aus natürlichen Gründen lebhast ge¬
teilt. Heinrich der Seefahrer faßte zu Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts
den Plan, sein engbegrenztes Reich über Afrika nach den reichen Gewürzländern
Indiens auszudehnen, und was er begann, vollendete der geniale König
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