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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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wodurch das Ausland zu einem ansehnlichen Abnehmer der deutschen Waren
gemacht sei. Damit wäre den Kräften, die nicht genügende und lohnende
Beschäftigung in der Landwirtschaft gefunden hätten, die Gelegenheit eröffnet
worden, auf industriellem Gebiet produktiv thätig zu sein. Es wäre nicht nötig
geworden, Menschen zu exportieren, sondern die von ihnen gefertigten Waren.

Es wird sich wohl bald zeigen, wie sich die agrarischen Interessenver¬
tretungen, zumal die in Preußen, zu dieser Beurteilung der Lage durch die
amtliche Statistik des Reichs stellen werden, und welche Statistik denn, wenn
die Agrarier widersprechen, von den Verbündeten Regierungen als die kompe¬
tentere und zuverlässigere erachtet wird, die des Reichs oder die der agrarischen
Interessenvertretungen. Fest steht das, wie gesagt, keineswegs, vielleicht in
Preußen, aber dann vorläufig zu Ungunsten der Reichsstatistik.

Auch Herr von Wenckstern, dessen Optimismus in Bezug auf die Ernährung
des deutschen Volks durch deutsches Brotkvrn im letzten Heft der Grenzboten
erwähnt worden ist, wird wohl nicht umhin können, mit Conrad, von der Goltz
und der Rcichsstatistik abzurechnen.




Aus Dichtung und Wahrheit über Shakespeares
Leben
Arnold Schröer von in

ürftig waren die Zeugnisse über das Leben des größten englischen
Dramatikers, als Nicholas Rowe 1709 den ersten Anlauf zu
einer Biographie Shakespeares unternahm, und dürftig sind sie
bekanntlich bis heute geblieben, obwohl sich nun bald zwei Jahr¬
hunderte lang das regste Interesse allen den Quellen zugewandt
hat, die nähere Aufschlüsse über die Persönlichkeit und das Leben des Dichters
erhoffen ließen. Auch ist daran nichts auffälliges; haben wir doch über zahl¬
reiche seiner berühmten Zeitgenossen nicht mehr und oft noch weit weniger
authentische biographische Mitteilungen, und nur wer dies übersieht, kann es
erstaunlich finden, daß über so manches aus Shakespeares Leben noch Dunkel
herrscht und vielleicht immer herrschen wird. Es liegt das in der Natur der
Sache, und die Wißbegier oder auch die Neugier muß sich bescheiden und darin
Trost suchen, daß für das Verständnis und den Genuß der Shakespearischen
dramatischen Meisterwerke diese unsre Unkenntnis verhältnismäßig kein sonder¬
liches Hindernis ist.

Weniger leicht fällt das Fehlen näherer biographischer Anhaltspunkte ins


wodurch das Ausland zu einem ansehnlichen Abnehmer der deutschen Waren
gemacht sei. Damit wäre den Kräften, die nicht genügende und lohnende
Beschäftigung in der Landwirtschaft gefunden hätten, die Gelegenheit eröffnet
worden, auf industriellem Gebiet produktiv thätig zu sein. Es wäre nicht nötig
geworden, Menschen zu exportieren, sondern die von ihnen gefertigten Waren.

Es wird sich wohl bald zeigen, wie sich die agrarischen Interessenver¬
tretungen, zumal die in Preußen, zu dieser Beurteilung der Lage durch die
amtliche Statistik des Reichs stellen werden, und welche Statistik denn, wenn
die Agrarier widersprechen, von den Verbündeten Regierungen als die kompe¬
tentere und zuverlässigere erachtet wird, die des Reichs oder die der agrarischen
Interessenvertretungen. Fest steht das, wie gesagt, keineswegs, vielleicht in
Preußen, aber dann vorläufig zu Ungunsten der Reichsstatistik.

Auch Herr von Wenckstern, dessen Optimismus in Bezug auf die Ernährung
des deutschen Volks durch deutsches Brotkvrn im letzten Heft der Grenzboten
erwähnt worden ist, wird wohl nicht umhin können, mit Conrad, von der Goltz
und der Rcichsstatistik abzurechnen.




Aus Dichtung und Wahrheit über Shakespeares
Leben
Arnold Schröer von in

ürftig waren die Zeugnisse über das Leben des größten englischen
Dramatikers, als Nicholas Rowe 1709 den ersten Anlauf zu
einer Biographie Shakespeares unternahm, und dürftig sind sie
bekanntlich bis heute geblieben, obwohl sich nun bald zwei Jahr¬
hunderte lang das regste Interesse allen den Quellen zugewandt
hat, die nähere Aufschlüsse über die Persönlichkeit und das Leben des Dichters
erhoffen ließen. Auch ist daran nichts auffälliges; haben wir doch über zahl¬
reiche seiner berühmten Zeitgenossen nicht mehr und oft noch weit weniger
authentische biographische Mitteilungen, und nur wer dies übersieht, kann es
erstaunlich finden, daß über so manches aus Shakespeares Leben noch Dunkel
herrscht und vielleicht immer herrschen wird. Es liegt das in der Natur der
Sache, und die Wißbegier oder auch die Neugier muß sich bescheiden und darin
Trost suchen, daß für das Verständnis und den Genuß der Shakespearischen
dramatischen Meisterwerke diese unsre Unkenntnis verhältnismäßig kein sonder¬
liches Hindernis ist.

Weniger leicht fällt das Fehlen näherer biographischer Anhaltspunkte ins


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[0029] wodurch das Ausland zu einem ansehnlichen Abnehmer der deutschen Waren gemacht sei. Damit wäre den Kräften, die nicht genügende und lohnende Beschäftigung in der Landwirtschaft gefunden hätten, die Gelegenheit eröffnet worden, auf industriellem Gebiet produktiv thätig zu sein. Es wäre nicht nötig geworden, Menschen zu exportieren, sondern die von ihnen gefertigten Waren. Es wird sich wohl bald zeigen, wie sich die agrarischen Interessenver¬ tretungen, zumal die in Preußen, zu dieser Beurteilung der Lage durch die amtliche Statistik des Reichs stellen werden, und welche Statistik denn, wenn die Agrarier widersprechen, von den Verbündeten Regierungen als die kompe¬ tentere und zuverlässigere erachtet wird, die des Reichs oder die der agrarischen Interessenvertretungen. Fest steht das, wie gesagt, keineswegs, vielleicht in Preußen, aber dann vorläufig zu Ungunsten der Reichsstatistik. Auch Herr von Wenckstern, dessen Optimismus in Bezug auf die Ernährung des deutschen Volks durch deutsches Brotkvrn im letzten Heft der Grenzboten erwähnt worden ist, wird wohl nicht umhin können, mit Conrad, von der Goltz und der Rcichsstatistik abzurechnen. Aus Dichtung und Wahrheit über Shakespeares Leben Arnold Schröer von in ürftig waren die Zeugnisse über das Leben des größten englischen Dramatikers, als Nicholas Rowe 1709 den ersten Anlauf zu einer Biographie Shakespeares unternahm, und dürftig sind sie bekanntlich bis heute geblieben, obwohl sich nun bald zwei Jahr¬ hunderte lang das regste Interesse allen den Quellen zugewandt hat, die nähere Aufschlüsse über die Persönlichkeit und das Leben des Dichters erhoffen ließen. Auch ist daran nichts auffälliges; haben wir doch über zahl¬ reiche seiner berühmten Zeitgenossen nicht mehr und oft noch weit weniger authentische biographische Mitteilungen, und nur wer dies übersieht, kann es erstaunlich finden, daß über so manches aus Shakespeares Leben noch Dunkel herrscht und vielleicht immer herrschen wird. Es liegt das in der Natur der Sache, und die Wißbegier oder auch die Neugier muß sich bescheiden und darin Trost suchen, daß für das Verständnis und den Genuß der Shakespearischen dramatischen Meisterwerke diese unsre Unkenntnis verhältnismäßig kein sonder¬ liches Hindernis ist. Weniger leicht fällt das Fehlen näherer biographischer Anhaltspunkte ins

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/29>, abgerufen am 15.01.2025.