Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Der Römerswat als er ein Kampf zwischen arm und reich war. Aber Reichtum und Armut Der Römerswat als er ein Kampf zwischen arm und reich war. Aber Reichtum und Armut <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0272" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231442"/> <fw type="header" place="top"> Der Römerswat</fw><lb/> <p xml:id="ID_838" prev="#ID_837" next="#ID_839"> als er ein Kampf zwischen arm und reich war. Aber Reichtum und Armut<lb/> waren ihrer Art, ihrer Entstehungsweise und den zwischen ihnen liegenden<lb/> Streitpunkten nach von allem heutigen durchaus verschieden, und außerdem<lb/> war der Kampf um das Vermögen mit einem politischen Kampfe verquickt,<lb/> der, oberflächlich gesehen, seit der Einführung der modernen Verfassungen bei<lb/> uns nicht mehr vorkommen kann. Die Ungleichheit der Rechte in den alten<lb/> Staaten entsprang daraus, daß sich die Bürgergemeinden irgend einmal in vor¬<lb/> geschichtlicher Zeit konstituiert und von da ab den Neuangezognen das Voll¬<lb/> bürgerrecht nicht mehr eingeräumt haben. Daß dieses besitzlosen Einwandrern,<lb/> die sich in ihrer neuen Heimat mit Handwerk oder Tagelöhnern zu nähren<lb/> gedachten, nicht gewährt werden konnte, versteht sich bei der Natur solcher<lb/> Staaten von selbst. Aber auch solchen Einwandrern gegenüber, die Geld zum<lb/> Landkauf mitbrachten, verhielt man sich zurückhaltend; teils aus Stolz auf die<lb/> Würde des eingebornen und altangesesfenen Geschlechts, teils weil das Bürger¬<lb/> recht zugleich ein Recht auf die Nutzung der im Kriege eroberten Domänen<lb/> war. Wer von den Ankömmlingen sich Gunst zu erwerben verstand oder<lb/> durch die Größe seines Besitzes imponierte, der mochte immerhin in den ge¬<lb/> schlossenen Kreis der Altbürger eindringen, wie jener Etrusker griechischer Ab¬<lb/> stammung, der die targuinische Dynastie begründete, und der Stammvater der<lb/> Claudier, die, kaum ins Patriziat eingedrungen, am leidenschaftlichsten für dessen<lb/> starre Absperrung und für die Aufrechterhaltung seiner Privilegien kämpften.<lb/> Hatten in Rom die Eingewanderten samt den durch die Unterwerfung der<lb/> kleinen Nachbarstüdte ohne Verlust der persönlichen Freiheit dahin Verpflanzten<lb/> anfangs uur als Schutzbürger von Altbürgeru, als Klienten eines Patrons,<lb/> an den Wohlthaten der bestehenden Rechtsordnung teilgenommen, so wurden<lb/> sie dann durch die servianische Verfassung in ein unmittelbares Verhältnis<lb/> zum Staate gebracht; sie wurden zum Kriegsdienst und Vorkommendenfalls<lb/> zu Geldleistungen verpflichtet und erhielten ein Stimmrecht, das freilich nach<lb/> dem Zensus abgemessen und daher für die große Masse der Armem illusorisch<lb/> war; Servius Tullius habe die Armem um das Stimmrecht betrogen, meint<lb/> Dionys, durch ein Scheinstimmrecht ihren Unwillen über die ihnen aufgelegten<lb/> Lasten beschwichtigt, würde es richtiger ausgedrückt heiße». Sobald die Alt¬<lb/> bürgerschaft eine ansehnliche Menge von Passivbürgern neben sich hatte, die<lb/> ihr die Staatslasten tragen halfen, aber verfassungsmüßig von den Ämtern,<lb/> mißbräuchlich und thatsächlich von der Nutzung des Staatsvermögens ausge¬<lb/> schlossen waren, stand sie als ein privilegierter Adel da. Und bald waren sie,<lb/> die Altbürger, es auch, die den Besitz und damit nach der aristokratischen<lb/> Anschauung aller Zeiten die Tugend repräsentierten gegenüber der besitzlosen<lb/> und darum nach derselben Anschauung liederlichen Menge. An sich siel der<lb/> Gegensatz von arm und reich mit dem von xlöbvs und pg.ers3 nicht zusammen.<lb/> So mancher Adliche verarmte, weil er sich mit mehreren Geschwistern in die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0272]
Der Römerswat
als er ein Kampf zwischen arm und reich war. Aber Reichtum und Armut
waren ihrer Art, ihrer Entstehungsweise und den zwischen ihnen liegenden
Streitpunkten nach von allem heutigen durchaus verschieden, und außerdem
war der Kampf um das Vermögen mit einem politischen Kampfe verquickt,
der, oberflächlich gesehen, seit der Einführung der modernen Verfassungen bei
uns nicht mehr vorkommen kann. Die Ungleichheit der Rechte in den alten
Staaten entsprang daraus, daß sich die Bürgergemeinden irgend einmal in vor¬
geschichtlicher Zeit konstituiert und von da ab den Neuangezognen das Voll¬
bürgerrecht nicht mehr eingeräumt haben. Daß dieses besitzlosen Einwandrern,
die sich in ihrer neuen Heimat mit Handwerk oder Tagelöhnern zu nähren
gedachten, nicht gewährt werden konnte, versteht sich bei der Natur solcher
Staaten von selbst. Aber auch solchen Einwandrern gegenüber, die Geld zum
Landkauf mitbrachten, verhielt man sich zurückhaltend; teils aus Stolz auf die
Würde des eingebornen und altangesesfenen Geschlechts, teils weil das Bürger¬
recht zugleich ein Recht auf die Nutzung der im Kriege eroberten Domänen
war. Wer von den Ankömmlingen sich Gunst zu erwerben verstand oder
durch die Größe seines Besitzes imponierte, der mochte immerhin in den ge¬
schlossenen Kreis der Altbürger eindringen, wie jener Etrusker griechischer Ab¬
stammung, der die targuinische Dynastie begründete, und der Stammvater der
Claudier, die, kaum ins Patriziat eingedrungen, am leidenschaftlichsten für dessen
starre Absperrung und für die Aufrechterhaltung seiner Privilegien kämpften.
Hatten in Rom die Eingewanderten samt den durch die Unterwerfung der
kleinen Nachbarstüdte ohne Verlust der persönlichen Freiheit dahin Verpflanzten
anfangs uur als Schutzbürger von Altbürgeru, als Klienten eines Patrons,
an den Wohlthaten der bestehenden Rechtsordnung teilgenommen, so wurden
sie dann durch die servianische Verfassung in ein unmittelbares Verhältnis
zum Staate gebracht; sie wurden zum Kriegsdienst und Vorkommendenfalls
zu Geldleistungen verpflichtet und erhielten ein Stimmrecht, das freilich nach
dem Zensus abgemessen und daher für die große Masse der Armem illusorisch
war; Servius Tullius habe die Armem um das Stimmrecht betrogen, meint
Dionys, durch ein Scheinstimmrecht ihren Unwillen über die ihnen aufgelegten
Lasten beschwichtigt, würde es richtiger ausgedrückt heiße». Sobald die Alt¬
bürgerschaft eine ansehnliche Menge von Passivbürgern neben sich hatte, die
ihr die Staatslasten tragen halfen, aber verfassungsmüßig von den Ämtern,
mißbräuchlich und thatsächlich von der Nutzung des Staatsvermögens ausge¬
schlossen waren, stand sie als ein privilegierter Adel da. Und bald waren sie,
die Altbürger, es auch, die den Besitz und damit nach der aristokratischen
Anschauung aller Zeiten die Tugend repräsentierten gegenüber der besitzlosen
und darum nach derselben Anschauung liederlichen Menge. An sich siel der
Gegensatz von arm und reich mit dem von xlöbvs und pg.ers3 nicht zusammen.
So mancher Adliche verarmte, weil er sich mit mehreren Geschwistern in die
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