Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Der Römerstaat bis zum Ende des ersten Punischen Kriegs haben es die Sklaven nicht sehr Der Römerstaat bis zum Ende des ersten Punischen Kriegs haben es die Sklaven nicht sehr <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0268" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231438"/> <fw type="header" place="top"> Der Römerstaat</fw><lb/> <p xml:id="ID_830" prev="#ID_829" next="#ID_831"> bis zum Ende des ersten Punischen Kriegs haben es die Sklaven nicht sehr<lb/> schlimm gehabt. Was von der gesetzlichen Gewalt des Hausvaters über Frau<lb/> und Kinder gesagt worden ist, das gilt auch von der über die Sklaven; gesetzlich<lb/> unumschränkt, war sie durch Religion, Sitte, Vernunft, Gemüt und Interesse<lb/> beschränkt, und der Mann, der vor dem Gesetz als eine käufliche und der<lb/> Willkür des Herrn schutzlos preigegebne Sache galt, wurde auf dem Acker als<lb/> treuer Arbeitsgenoß und daheim als ein Hausgenoß geschätzt, mit dem man<lb/> nach gemeinsam vollbrachter Arbeit am Herdfeuer gemütlich plauderte. Die<lb/> Haustiere sind auch bei uns as ^'urs Sachen und werden das wohl immer<lb/> bleiben, aber daraus folgt nicht, daß sie grausam oder auch nur roh behandelt<lb/> werden müßten. Bei den Römern der ältern Zeit kam noch hinzu, daß ihre<lb/> Sklaven Gefangne waren, die sie im Kriege mit stammverwandten Völkern<lb/> erbeutet hatten, und daß, da oft genug auch Römer in Kriegsgefangenschaft<lb/> gerieten, die Furcht vor Wiedervergeltung nicht minder wie die Achtung vor<lb/> der Stammverwandtschaft eine menschliche Behandlung der Sklaven arriel;<lb/> das wechselnde Kriegsglück konnte schon morgen den Sklaven des Römers in<lb/> den Herrn seines Herrn verwandeln. Der Römer war kein weichlicher Mensch;<lb/> er hatte weder ein empfindsames Gemüt, noch eine empfindliche Haut; der<lb/> schlüge war auch der Freie nicht ganz ungewohnt. Er bekam solche im Felde<lb/> vom Feinde und daheim mitunter von der Polizei, die ja Nutenbündel als<lb/> Abzeichen ihrer Vollmacht führte. Als Schuldknecht erlitt er im Kärzer seines<lb/> Gläubigers Mißhandlungen, und dieser konnte ihn in die Sklaverei nach aus¬<lb/> wärts verkaufen (nicht daheim zum Sklaven machen; kein Römer durfte eiuen<lb/> andern römischen Bürger zum Sklaven haben, sondern nur wie einen Sklaven<lb/> halten). So wird denn auch der römische Sklave so manchen Schlag bekommen<lb/> haben, aber für gewöhnlich wird seine Lage nicht unerträglich gewesen sein,<lb/> um so erträglicher, als er keine Ursache hatte, seinen Herrn um irgend etwas<lb/> außer der Freiheit, der Ehre und des Familienglücks zu beneiden. Denn der<lb/> Herr führte kein Lotterleben und erfreute sich keiner Genüsse und Bequemlich¬<lb/> keiten, die dem Sklaven unzugänglich gewesen wären; er verrichtete dieselbe<lb/> schwere Arbeit, genoß dieselbe grobe Kost und war mit demselben einfachen<lb/> Lager zufrieden wie sein Knecht. Nur an den Markttagen, schreibt Dionys 7, 57<lb/> in der Geschichte Coriolcms, seien die Bürger in die Stadt gekommen; an den<lb/> sieben dazwischen liegenden Tagen hätten sie auf dem Lande gelebt, „weil die<lb/> meisten arm waren und mit eignen Händen arbeiteten." Zudem sahen Herr<lb/> und Sklave die Sklaverei für eine ebenso unabänderliche als unentbehrliche<lb/> Einrichtung an, in die sich der Betroffne zu fügen habe, und gegen die sich<lb/> aufzulehnen nichts nütze; sich durch Gehorsam, Fleiß und Treue die Zufrieden¬<lb/> heit seiner Herrschaft erwerben, war das einzige, was der Sklave zur Ver¬<lb/> besserung seiner Lage thun konnte, und ist daher sicherlich als das klügste von<lb/> der überwiegenden Mehrzahl der Sklaven gewählt worden. Winkte freilich die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0268]
Der Römerstaat
bis zum Ende des ersten Punischen Kriegs haben es die Sklaven nicht sehr
schlimm gehabt. Was von der gesetzlichen Gewalt des Hausvaters über Frau
und Kinder gesagt worden ist, das gilt auch von der über die Sklaven; gesetzlich
unumschränkt, war sie durch Religion, Sitte, Vernunft, Gemüt und Interesse
beschränkt, und der Mann, der vor dem Gesetz als eine käufliche und der
Willkür des Herrn schutzlos preigegebne Sache galt, wurde auf dem Acker als
treuer Arbeitsgenoß und daheim als ein Hausgenoß geschätzt, mit dem man
nach gemeinsam vollbrachter Arbeit am Herdfeuer gemütlich plauderte. Die
Haustiere sind auch bei uns as ^'urs Sachen und werden das wohl immer
bleiben, aber daraus folgt nicht, daß sie grausam oder auch nur roh behandelt
werden müßten. Bei den Römern der ältern Zeit kam noch hinzu, daß ihre
Sklaven Gefangne waren, die sie im Kriege mit stammverwandten Völkern
erbeutet hatten, und daß, da oft genug auch Römer in Kriegsgefangenschaft
gerieten, die Furcht vor Wiedervergeltung nicht minder wie die Achtung vor
der Stammverwandtschaft eine menschliche Behandlung der Sklaven arriel;
das wechselnde Kriegsglück konnte schon morgen den Sklaven des Römers in
den Herrn seines Herrn verwandeln. Der Römer war kein weichlicher Mensch;
er hatte weder ein empfindsames Gemüt, noch eine empfindliche Haut; der
schlüge war auch der Freie nicht ganz ungewohnt. Er bekam solche im Felde
vom Feinde und daheim mitunter von der Polizei, die ja Nutenbündel als
Abzeichen ihrer Vollmacht führte. Als Schuldknecht erlitt er im Kärzer seines
Gläubigers Mißhandlungen, und dieser konnte ihn in die Sklaverei nach aus¬
wärts verkaufen (nicht daheim zum Sklaven machen; kein Römer durfte eiuen
andern römischen Bürger zum Sklaven haben, sondern nur wie einen Sklaven
halten). So wird denn auch der römische Sklave so manchen Schlag bekommen
haben, aber für gewöhnlich wird seine Lage nicht unerträglich gewesen sein,
um so erträglicher, als er keine Ursache hatte, seinen Herrn um irgend etwas
außer der Freiheit, der Ehre und des Familienglücks zu beneiden. Denn der
Herr führte kein Lotterleben und erfreute sich keiner Genüsse und Bequemlich¬
keiten, die dem Sklaven unzugänglich gewesen wären; er verrichtete dieselbe
schwere Arbeit, genoß dieselbe grobe Kost und war mit demselben einfachen
Lager zufrieden wie sein Knecht. Nur an den Markttagen, schreibt Dionys 7, 57
in der Geschichte Coriolcms, seien die Bürger in die Stadt gekommen; an den
sieben dazwischen liegenden Tagen hätten sie auf dem Lande gelebt, „weil die
meisten arm waren und mit eignen Händen arbeiteten." Zudem sahen Herr
und Sklave die Sklaverei für eine ebenso unabänderliche als unentbehrliche
Einrichtung an, in die sich der Betroffne zu fügen habe, und gegen die sich
aufzulehnen nichts nütze; sich durch Gehorsam, Fleiß und Treue die Zufrieden¬
heit seiner Herrschaft erwerben, war das einzige, was der Sklave zur Ver¬
besserung seiner Lage thun konnte, und ist daher sicherlich als das klügste von
der überwiegenden Mehrzahl der Sklaven gewählt worden. Winkte freilich die
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