Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Der Römerstaat halten. Nur in dieser bestündigen Weckung aller Lebensgeister und Spannung Wir haben nun nachzusehen, was die römischen Parteikämpfe mit unsern Der Römerstaat halten. Nur in dieser bestündigen Weckung aller Lebensgeister und Spannung Wir haben nun nachzusehen, was die römischen Parteikämpfe mit unsern <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0264" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231434"/> <fw type="header" place="top"> Der Römerstaat</fw><lb/> <p xml:id="ID_823" prev="#ID_822"> halten. Nur in dieser bestündigen Weckung aller Lebensgeister und Spannung<lb/> aller Kräfte, wie sie der Parteikampf bewirkte, konnte die ungeheure Kraftfülle<lb/> entbunden werden, die zur Gründung des Weltreichs erforderlich war. Für<lb/> Rom war die Zwietracht um so nötiger, als das feste Gefüge des römischen<lb/> Geistes und Lebens, die unbedingte Herrschaft der Autorität in Staat und<lb/> Haus die Gefahr des Steifwerdens nahe brachte, wenn auch die geographische<lb/> Lage des Ländchens Latium dafür gesorgt haben würde, daß die Steifheit nicht<lb/> bis zur chinesischen Versteinerung gediehen wäre. Auch halte ich die Ansicht,<lb/> die Mommsen bei der Beurteilung des Instituts der Volkstribunen ausspricht,<lb/> nicht für richtig, es sei ein Unglück für Rom gewesen, daß es die Monarchie<lb/> erst so spät erhalten habe. Eine Dynastie, oder gar ein einzelner Monarch<lb/> hätte das wunderbare Gefüge des römischen Weltreichs nicht zu Stande ge¬<lb/> bracht; das konnte nur das Werk eines ganzen Volkes sein, und dessen Kräfte<lb/> durften nicht vorzeitig gebunden, mit ihrer Thätigkeit aus dem polischen Gebiet<lb/> ins Privatleben und in die Mnnizipien verwiesen werden, wie es später durch<lb/> das Kaisertum geschah; Monarchen bringen rascher als Republiken durch Er¬<lb/> oberung ein großes Reich zusammen, aber ihre Schöpfungen zerfallen auch<lb/> rasch wieder.</p><lb/> <p xml:id="ID_824" next="#ID_825"> Wir haben nun nachzusehen, was die römischen Parteikämpfe mit unsern<lb/> heutigen gemein haben, und worin sie sich von diesen unterscheiden. Die<lb/> Kämpfe der ersten Periode, von 510 bis 300, sind die bei weitem merk¬<lb/> würdigsten. Daß sich die Armen mit den Reichen, die ini8erg, eontriouvns<lb/> xlods mit den Privilegierten, die Unterdrückten mit den Herrschenden jahr¬<lb/> hundertelang herumbalgten, das ist nichts besondres, sondern bildet sozusagen<lb/> den Inhalt der Weltgeschichte. Und auch daß ein privilegierter Stand gestürzt<lb/> wird, durch eine Revolution oder in einem Kriege, kommt öfter vor; wie alles<lb/> Irdische, so nimmt anch jede Herrschaft ein Ende. Aber daß ein Stand zwei¬<lb/> hundert Jahre lang, den Blick fest aufs Ziel gerichtet, um Gleichberechtigung<lb/> ringt, den Gegner nicht in einer Revolution über den Haufen rennt, sondern<lb/> schrittweise zurückdrängt und ihm seine Vorrechte eins nach dem andern ab¬<lb/> ringe, bis das Ziel erreicht, die völlige Gleichberechtigung errungen, der Standes-<lb/> unterschied verschwunden ist, das hat man nur einmal im ganzen Verlauf der<lb/> Weltgeschichte gesehen. Und auch das andre ist kein zweitesmal gesehen worden,<lb/> daß sich die Parteien in diesem zweihundertjühigen Kampfe streng innerhalb<lb/> der Schranken der Gesetze gehalten, diese zwar manchmal zu umgehn gesucht,<lb/> aber niemals frech durchbrochen haben, und daß in ihnen trotz der Erhitzung<lb/> der Leidenschaften zur Glühhitze kein Bürgerblut geflossen ist, wenn wir von<lb/> ein paar Meuchelmörder absehen und von ein paar unter dem Schein von<lb/> Hinrichtungen verübten politischen Morden. Straßenkümpfe mit Fäusten hat<lb/> es zwar einigemal gegeben, aber vor der Zeit der Gracchen keinen mit Knüppeln<lb/> und mit blanker Waffe, wie die Griechen Dionys von Halikarnaß, Appian,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0264]
Der Römerstaat
halten. Nur in dieser bestündigen Weckung aller Lebensgeister und Spannung
aller Kräfte, wie sie der Parteikampf bewirkte, konnte die ungeheure Kraftfülle
entbunden werden, die zur Gründung des Weltreichs erforderlich war. Für
Rom war die Zwietracht um so nötiger, als das feste Gefüge des römischen
Geistes und Lebens, die unbedingte Herrschaft der Autorität in Staat und
Haus die Gefahr des Steifwerdens nahe brachte, wenn auch die geographische
Lage des Ländchens Latium dafür gesorgt haben würde, daß die Steifheit nicht
bis zur chinesischen Versteinerung gediehen wäre. Auch halte ich die Ansicht,
die Mommsen bei der Beurteilung des Instituts der Volkstribunen ausspricht,
nicht für richtig, es sei ein Unglück für Rom gewesen, daß es die Monarchie
erst so spät erhalten habe. Eine Dynastie, oder gar ein einzelner Monarch
hätte das wunderbare Gefüge des römischen Weltreichs nicht zu Stande ge¬
bracht; das konnte nur das Werk eines ganzen Volkes sein, und dessen Kräfte
durften nicht vorzeitig gebunden, mit ihrer Thätigkeit aus dem polischen Gebiet
ins Privatleben und in die Mnnizipien verwiesen werden, wie es später durch
das Kaisertum geschah; Monarchen bringen rascher als Republiken durch Er¬
oberung ein großes Reich zusammen, aber ihre Schöpfungen zerfallen auch
rasch wieder.
Wir haben nun nachzusehen, was die römischen Parteikämpfe mit unsern
heutigen gemein haben, und worin sie sich von diesen unterscheiden. Die
Kämpfe der ersten Periode, von 510 bis 300, sind die bei weitem merk¬
würdigsten. Daß sich die Armen mit den Reichen, die ini8erg, eontriouvns
xlods mit den Privilegierten, die Unterdrückten mit den Herrschenden jahr¬
hundertelang herumbalgten, das ist nichts besondres, sondern bildet sozusagen
den Inhalt der Weltgeschichte. Und auch daß ein privilegierter Stand gestürzt
wird, durch eine Revolution oder in einem Kriege, kommt öfter vor; wie alles
Irdische, so nimmt anch jede Herrschaft ein Ende. Aber daß ein Stand zwei¬
hundert Jahre lang, den Blick fest aufs Ziel gerichtet, um Gleichberechtigung
ringt, den Gegner nicht in einer Revolution über den Haufen rennt, sondern
schrittweise zurückdrängt und ihm seine Vorrechte eins nach dem andern ab¬
ringe, bis das Ziel erreicht, die völlige Gleichberechtigung errungen, der Standes-
unterschied verschwunden ist, das hat man nur einmal im ganzen Verlauf der
Weltgeschichte gesehen. Und auch das andre ist kein zweitesmal gesehen worden,
daß sich die Parteien in diesem zweihundertjühigen Kampfe streng innerhalb
der Schranken der Gesetze gehalten, diese zwar manchmal zu umgehn gesucht,
aber niemals frech durchbrochen haben, und daß in ihnen trotz der Erhitzung
der Leidenschaften zur Glühhitze kein Bürgerblut geflossen ist, wenn wir von
ein paar Meuchelmörder absehen und von ein paar unter dem Schein von
Hinrichtungen verübten politischen Morden. Straßenkümpfe mit Fäusten hat
es zwar einigemal gegeben, aber vor der Zeit der Gracchen keinen mit Knüppeln
und mit blanker Waffe, wie die Griechen Dionys von Halikarnaß, Appian,
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