Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Brauchen wir fremdes Brotkorn? ziehe außerdem aus den gewonnenen Resultaten unzutreffende Schlüsse. Im Gerade mit dem letzten Satze wird die Beweisführung und das Beweis¬ Auf keinen Fall darf die Sache wieder im Sande verlaufen, wie das seit Brauchen wir fremdes Brotkorn? ziehe außerdem aus den gewonnenen Resultaten unzutreffende Schlüsse. Im Gerade mit dem letzten Satze wird die Beweisführung und das Beweis¬ Auf keinen Fall darf die Sache wieder im Sande verlaufen, wie das seit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231196"/> <fw type="header" place="top"> Brauchen wir fremdes Brotkorn?</fw><lb/> <p xml:id="ID_49" prev="#ID_48"> ziehe außerdem aus den gewonnenen Resultaten unzutreffende Schlüsse. Im<lb/> besondern wendet er sich gegen folgenden Satz des Landwirtschaftsrats: „Es<lb/> ist nun nicht anzunehmen, daß das eingeführte Getreide als Viehfutter gedient<lb/> hat, wir müssen vielmehr annehmen, daß von der inländischen Ernte 1467 937<lb/> Tonnen Getreide als Viehfutter, zum großen Teil infolge schlechter Preis-<lb/> nnd Absatzverhältnisse, verwandt worden sind." Freiherr von der Goltz be¬<lb/> merkt dazu: „Unter der Voraussetzung, daß die Annahmen über den Konsum<lb/> und die Ernte an Brodgetreide annähernd richtig sind, ist zuzugeben, daß der<lb/> vorhanden gewesene Überschuß an Brodgetreide zum weit überwiegenden Teil<lb/> der Viehsütterung gedient hat, und daß für diesen Zweck, ebenfalls weit über¬<lb/> wiegend, inländisches Getreide benutzt worden ist. Dagegen muß es als un¬<lb/> richtig bezeichnet werden, wenn hinzugefügt wird, daß dies zum großen Teil<lb/> infolge schlechter Preis- und Absatzverhältnisse geschehen sei."</p><lb/> <p xml:id="ID_50"> Gerade mit dem letzten Satze wird die Beweisführung und das Beweis¬<lb/> thema des Landwirtschaftsrats ins Herz getroffen, was schon deshalb hier<lb/> besonders hervorgehoben werden mußte, weil der Landwirtschaftsrat — er¬<lb/> sichtlich bevor er von der Goltzischen Kritik Kenntnis erhalten hatte — eine<lb/> geharnischte Replik gegen Conrad versandt hat, in der gerade die Behauptung,<lb/> daß die Verfütterung des inländischen Brotgetreides infolge zu niedriger Preise<lb/> geschehen sei — mit andern Worten: daß die deutschen Landwirte durch die<lb/> zu niedrigen Getreidezölle zur Verschleuderung des Brotgetreides als Vieh¬<lb/> futter gezwungen würden — als die Quintessenz der Untersuchungen vom<lb/> Oktober vorigen Jahres hingestellt wird, die Conrad gar nicht begriffen zu<lb/> haben scheine. Goltz hat also der Replik gegen Conrad von vornherein jede<lb/> Berechtigung abgesprochen und durch seine eingehende und sachkundige Beweis¬<lb/> führung unsers Erachtens auch endgiltig abgeschnitten. Wir haben darauf<lb/> näher einzugehn um so weniger Grund, als Conrad wohl dem Landwirt¬<lb/> schaftsrat nicht die Antwort schuldig bleiben wird, dann aber auch, weil abzu¬<lb/> warten ist, wie sich der Landwirtschaftsrat mit Professor von der Goltz aus¬<lb/> einandersetzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_51" next="#ID_52"> Auf keinen Fall darf die Sache wieder im Sande verlaufen, wie das seit<lb/> längerer Zeit dank der Friedfertigkeit der ältern wissenschaftlichen Autoritäten<lb/> auf der einen Seite und des beispiellosen Uufehlbarkeitsgefühls der hohen<lb/> agrarischen „Interessenvertretungen" auf der andern Seite Mode geworden ist.<lb/> Gerade diese Statistik des Landwirtschaftsrats läßt wieder einmal erkennen,<lb/> wohin wir kommen, wenn die agrarischen Jnteressenvertreter zu Richtern in<lb/> eigner wie in fremder Sache gemacht werden, und wenn vor ihnen der „nicht¬<lb/> interessierte" aber verantwortliche Beamte — der Mann ohne Ar und Halm —<lb/> den Hut zu ziehen und den Mund zu halten hat, vom Professor bis zu den auf<lb/> Kündigung dienenden landwirtschaftlichen Wanderlehrern und vom Minister bis<lb/> zum strebsamen Landrat und Assessor hinab. Die Interessenvertretungen der<lb/> Kolportagebuchhändler und Getreidemakler, der Hypothekenbanken und der Ver-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
Brauchen wir fremdes Brotkorn?
ziehe außerdem aus den gewonnenen Resultaten unzutreffende Schlüsse. Im
besondern wendet er sich gegen folgenden Satz des Landwirtschaftsrats: „Es
ist nun nicht anzunehmen, daß das eingeführte Getreide als Viehfutter gedient
hat, wir müssen vielmehr annehmen, daß von der inländischen Ernte 1467 937
Tonnen Getreide als Viehfutter, zum großen Teil infolge schlechter Preis-
nnd Absatzverhältnisse, verwandt worden sind." Freiherr von der Goltz be¬
merkt dazu: „Unter der Voraussetzung, daß die Annahmen über den Konsum
und die Ernte an Brodgetreide annähernd richtig sind, ist zuzugeben, daß der
vorhanden gewesene Überschuß an Brodgetreide zum weit überwiegenden Teil
der Viehsütterung gedient hat, und daß für diesen Zweck, ebenfalls weit über¬
wiegend, inländisches Getreide benutzt worden ist. Dagegen muß es als un¬
richtig bezeichnet werden, wenn hinzugefügt wird, daß dies zum großen Teil
infolge schlechter Preis- und Absatzverhältnisse geschehen sei."
Gerade mit dem letzten Satze wird die Beweisführung und das Beweis¬
thema des Landwirtschaftsrats ins Herz getroffen, was schon deshalb hier
besonders hervorgehoben werden mußte, weil der Landwirtschaftsrat — er¬
sichtlich bevor er von der Goltzischen Kritik Kenntnis erhalten hatte — eine
geharnischte Replik gegen Conrad versandt hat, in der gerade die Behauptung,
daß die Verfütterung des inländischen Brotgetreides infolge zu niedriger Preise
geschehen sei — mit andern Worten: daß die deutschen Landwirte durch die
zu niedrigen Getreidezölle zur Verschleuderung des Brotgetreides als Vieh¬
futter gezwungen würden — als die Quintessenz der Untersuchungen vom
Oktober vorigen Jahres hingestellt wird, die Conrad gar nicht begriffen zu
haben scheine. Goltz hat also der Replik gegen Conrad von vornherein jede
Berechtigung abgesprochen und durch seine eingehende und sachkundige Beweis¬
führung unsers Erachtens auch endgiltig abgeschnitten. Wir haben darauf
näher einzugehn um so weniger Grund, als Conrad wohl dem Landwirt¬
schaftsrat nicht die Antwort schuldig bleiben wird, dann aber auch, weil abzu¬
warten ist, wie sich der Landwirtschaftsrat mit Professor von der Goltz aus¬
einandersetzt.
Auf keinen Fall darf die Sache wieder im Sande verlaufen, wie das seit
längerer Zeit dank der Friedfertigkeit der ältern wissenschaftlichen Autoritäten
auf der einen Seite und des beispiellosen Uufehlbarkeitsgefühls der hohen
agrarischen „Interessenvertretungen" auf der andern Seite Mode geworden ist.
Gerade diese Statistik des Landwirtschaftsrats läßt wieder einmal erkennen,
wohin wir kommen, wenn die agrarischen Jnteressenvertreter zu Richtern in
eigner wie in fremder Sache gemacht werden, und wenn vor ihnen der „nicht¬
interessierte" aber verantwortliche Beamte — der Mann ohne Ar und Halm —
den Hut zu ziehen und den Mund zu halten hat, vom Professor bis zu den auf
Kündigung dienenden landwirtschaftlichen Wanderlehrern und vom Minister bis
zum strebsamen Landrat und Assessor hinab. Die Interessenvertretungen der
Kolportagebuchhändler und Getreidemakler, der Hypothekenbanken und der Ver-
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