Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches also nicht z. B, ans allmählicher Abkühlung der Erde, womit die Kant- Laplaeesche Maßgebliches und Unmaßgebliches also nicht z. B, ans allmählicher Abkühlung der Erde, womit die Kant- Laplaeesche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0246" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231416"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_785" prev="#ID_784" next="#ID_786"> also nicht z. B, ans allmählicher Abkühlung der Erde, womit die Kant- Laplaeesche<lb/> Hypothese und sonstige Entwicklungstheorien beseitigt sind. Der zweite Teil ent¬<lb/> halt Phantasien ^ 1s. Verne: Reisen nach andern Himmelskörpern usw., deren<lb/> Verwirklichung durch die neue Theorie verbürgt sein soll. Der Mensch wird zuerst<lb/> die Außenschicht der Erde einschließlich der Atmosphäre, dann das Erdinnere durch¬<lb/> dringen und nach seinen Zwecken willkürlich verändern, also auch der Witterung<lb/> und der Erdbeben Herr werden. Im dritten Teile werden volkswirtschaftliche,<lb/> soziale, politische und ethische Nutzanwendungen gemacht. Über das Schicksal dieser<lb/> nicht uninteressanter Philosophie werden zunächst die Physiker des zwanzigsten Jahr¬<lb/> hunderts zu entscheiden haben. — Die moderne Seele von Max Messer<lb/> (Leipzig, Hermann Haacke, 1399) enthält Betrachtungen und Bekenntnisse eines<lb/> frommen Mystikers in poetisch schöner Sprache. Die Dinge gehen von Gott, dem<lb/> allliebenden, aus und kehren in ihn zurück. Jesus hat das Gemüt, das Herz, von<lb/> der grausamen Verstandesherrschaft befreit, hat die Seele des Weibes, des Kindes<lb/> verstehen gelehrt, die Gott näher stehen als der entwickelte Verstand des Mannes<lb/> und daher das Höhere sind. Modern nennt der Verfasser die Seelen, „welche<lb/> die lebensunfähige Vergangenheit abschütteln wollen und Raum macheu zur Ent¬<lb/> deckung neuer Dnseinsmöglichkeiten____Die Veden sind modern, Plato ist modern,<lb/> Swedenborg ist modern und die Evangelien! Und zu jeder Zeit gab es Un¬<lb/> moderne, Rückständige. Die Richter des Sokrates, die Mörder Christi, die Feinde<lb/> Luthers und Huß jso!j, die Zweifler an Columbus und die Folterer Galileis<lb/> waren unmodern." Von solchen Gesichtspunkten aus überschaut er die ver-<lb/> schiednen Lebensgebiete: Kunst, Religion, Liebe, Leiden, Erziehung. — Die<lb/> Gottwerdung des Menschen von Nikolai Mtkalowitsch (Chicago Ill., im<lb/> Selbstverlag, 1898) ist eine gut gemeinte sozialdemokrntische Dummheit, die tief<lb/> unter den Utopien von Bebel, Bellamy und Hertzka steht; denn diese haben sich<lb/> wenigstens bemüht, die technische Möglichkeit des Znkimftsstaats nachzuweisen, der<lb/> kindliche Mikalowitsch dagegen bildet sich ein, man brauche bloß die Nichtexistenz<lb/> Gottes und die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit aller Menschen zu prokla¬<lb/> miere», so sei die Sache fertig. Die Einkleidung ist läppisch. Der Verfasser läßt<lb/> vom Mars, dessen Bewohner uns Terrestrieru etliche tausend Jahre voraus sein<lb/> sollen, ein Paar Weise herunterkommen und einen Pfarrer zu der angeblichen<lb/> Marsweisheit bekehren, die auf Erden der alte Lucrez schon vor zweitausend Jahren<lb/> verkündet und vor noch längerer Zeit der Psalmist mit dem unhöflichen Worte ab¬<lb/> gethan hat! Der Narr spricht in seinem Herzen, es ist kein Gott. — Professor<lb/> Schelk ist jetzt wahrscheinlich eifrig damit beschäftigt, seineu Satz, daß der Katholi¬<lb/> zismus das Prinzip des Fortschritts sei, einer gründlichen Nachprüfung zu unter¬<lb/> werfen. Vor anderthalb Jahren, wo er noch unentwegt in der Arena stand, Ultra-<lb/> montane Wie Protestanten gleichermaßen herausfordernd, hat sein kühnes Paradoxon<lb/> zusammen mit dem stark antifortschrittlichen Teufel Bitru und seiner Miß einen<lb/> braven Protestanten, Dr. Karl Feyerabend, zu einem Wassergange mit den<lb/> Katholiken gereizt. Er beleuchtet im 172. Hefte der von Ungern-Sternberg und<lb/> Th. Wahl <bei Chr. Belfer in Stuttgart) herausgegebnen Zeitfragen des christ¬<lb/> lichen Volkslebens Katholizismus und Protestantismus als Fortschritts¬<lb/> mächte. Er liefert eine nützliche Stoffsammlung in ansprechender Form, bringt<lb/> aber natürlich die alte Debatte nicht weiter; das kann nicht vom konfessionellen,<lb/> sondern nur vom philosophischen Standpunkte ans geschehen. — Das Beste zuletzt!<lb/> Der Weg zu Gott für unser Geschlecht, ein Stück Erfahrungstheologie von Dr.<lb/> Adolf Bollinger, Professor der Theologie in Basel (Frauenfeld, I. Huber, 1899)</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0246]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
also nicht z. B, ans allmählicher Abkühlung der Erde, womit die Kant- Laplaeesche
Hypothese und sonstige Entwicklungstheorien beseitigt sind. Der zweite Teil ent¬
halt Phantasien ^ 1s. Verne: Reisen nach andern Himmelskörpern usw., deren
Verwirklichung durch die neue Theorie verbürgt sein soll. Der Mensch wird zuerst
die Außenschicht der Erde einschließlich der Atmosphäre, dann das Erdinnere durch¬
dringen und nach seinen Zwecken willkürlich verändern, also auch der Witterung
und der Erdbeben Herr werden. Im dritten Teile werden volkswirtschaftliche,
soziale, politische und ethische Nutzanwendungen gemacht. Über das Schicksal dieser
nicht uninteressanter Philosophie werden zunächst die Physiker des zwanzigsten Jahr¬
hunderts zu entscheiden haben. — Die moderne Seele von Max Messer
(Leipzig, Hermann Haacke, 1399) enthält Betrachtungen und Bekenntnisse eines
frommen Mystikers in poetisch schöner Sprache. Die Dinge gehen von Gott, dem
allliebenden, aus und kehren in ihn zurück. Jesus hat das Gemüt, das Herz, von
der grausamen Verstandesherrschaft befreit, hat die Seele des Weibes, des Kindes
verstehen gelehrt, die Gott näher stehen als der entwickelte Verstand des Mannes
und daher das Höhere sind. Modern nennt der Verfasser die Seelen, „welche
die lebensunfähige Vergangenheit abschütteln wollen und Raum macheu zur Ent¬
deckung neuer Dnseinsmöglichkeiten____Die Veden sind modern, Plato ist modern,
Swedenborg ist modern und die Evangelien! Und zu jeder Zeit gab es Un¬
moderne, Rückständige. Die Richter des Sokrates, die Mörder Christi, die Feinde
Luthers und Huß jso!j, die Zweifler an Columbus und die Folterer Galileis
waren unmodern." Von solchen Gesichtspunkten aus überschaut er die ver-
schiednen Lebensgebiete: Kunst, Religion, Liebe, Leiden, Erziehung. — Die
Gottwerdung des Menschen von Nikolai Mtkalowitsch (Chicago Ill., im
Selbstverlag, 1898) ist eine gut gemeinte sozialdemokrntische Dummheit, die tief
unter den Utopien von Bebel, Bellamy und Hertzka steht; denn diese haben sich
wenigstens bemüht, die technische Möglichkeit des Znkimftsstaats nachzuweisen, der
kindliche Mikalowitsch dagegen bildet sich ein, man brauche bloß die Nichtexistenz
Gottes und die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit aller Menschen zu prokla¬
miere», so sei die Sache fertig. Die Einkleidung ist läppisch. Der Verfasser läßt
vom Mars, dessen Bewohner uns Terrestrieru etliche tausend Jahre voraus sein
sollen, ein Paar Weise herunterkommen und einen Pfarrer zu der angeblichen
Marsweisheit bekehren, die auf Erden der alte Lucrez schon vor zweitausend Jahren
verkündet und vor noch längerer Zeit der Psalmist mit dem unhöflichen Worte ab¬
gethan hat! Der Narr spricht in seinem Herzen, es ist kein Gott. — Professor
Schelk ist jetzt wahrscheinlich eifrig damit beschäftigt, seineu Satz, daß der Katholi¬
zismus das Prinzip des Fortschritts sei, einer gründlichen Nachprüfung zu unter¬
werfen. Vor anderthalb Jahren, wo er noch unentwegt in der Arena stand, Ultra-
montane Wie Protestanten gleichermaßen herausfordernd, hat sein kühnes Paradoxon
zusammen mit dem stark antifortschrittlichen Teufel Bitru und seiner Miß einen
braven Protestanten, Dr. Karl Feyerabend, zu einem Wassergange mit den
Katholiken gereizt. Er beleuchtet im 172. Hefte der von Ungern-Sternberg und
Th. Wahl <bei Chr. Belfer in Stuttgart) herausgegebnen Zeitfragen des christ¬
lichen Volkslebens Katholizismus und Protestantismus als Fortschritts¬
mächte. Er liefert eine nützliche Stoffsammlung in ansprechender Form, bringt
aber natürlich die alte Debatte nicht weiter; das kann nicht vom konfessionellen,
sondern nur vom philosophischen Standpunkte ans geschehen. — Das Beste zuletzt!
Der Weg zu Gott für unser Geschlecht, ein Stück Erfahrungstheologie von Dr.
Adolf Bollinger, Professor der Theologie in Basel (Frauenfeld, I. Huber, 1899)
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