Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Skizzen aus unserm heutigen Volksleben liegt, so konnte angenommen werden, daß es von der Achterklärung mitgetroffen Meine Herren, sagte der Herr Bürgermeister zu dem rastlosen Komitee, seien Meinen Sie, Herr Bürgermeister? Natürlich meine ich. Was andre können, das kann Schmalzleben auch. Und Ja, Geld ist da. Richtig, es dauerte nicht lange, so hatte der Herr Bürgermeister einen Dichter So wertvoll nun auch der vorliegende geschichtliche Stoff war, er wollte doch Skizzen aus unserm heutigen Volksleben liegt, so konnte angenommen werden, daß es von der Achterklärung mitgetroffen Meine Herren, sagte der Herr Bürgermeister zu dem rastlosen Komitee, seien Meinen Sie, Herr Bürgermeister? Natürlich meine ich. Was andre können, das kann Schmalzleben auch. Und Ja, Geld ist da. Richtig, es dauerte nicht lange, so hatte der Herr Bürgermeister einen Dichter So wertvoll nun auch der vorliegende geschichtliche Stoff war, er wollte doch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0237" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231407"/> <fw type="header" place="top"> Skizzen aus unserm heutigen Volksleben</fw><lb/> <p xml:id="ID_750" prev="#ID_749"> liegt, so konnte angenommen werden, daß es von der Achterklärung mitgetroffen<lb/> war, oder es konnte angenommen werden, daß die Stadt dem König Wenzel Treue<lb/> und Gehorsam erwiesen hatte, oder es konnte angenommen werden, daß Schmalz-<lb/> lcben dnrch bedeutende Dienste, die es beiden Parteien erwiesen hatte, zum Frieden<lb/> und zur Versöhnung geholfen habe. Jedenfalls lag hier ein ausgezeichneter dra¬<lb/> matischer Stoff vor, der sich zu einem Festspiel eignen mußte. Kaiser Wenzel, der<lb/> Bischof von Halberstadt, Gebhard von Hoyme, Sigost von Leutenberg, Diderik<lb/> von Neuen und Hansen Emmern und syn Swynstnl boten ein reiches Material,<lb/> ans dem ein Dichter ein vaterländisch-historisches Festspiel aufbauen konnte. Aber<lb/> wo war dieser Dichter? Der Herr Oberprediger war zu bescheiden, um an sich zu<lb/> denken, und der Herr Rektor, der sich mit Feuereifer an die Arbeit machte, brachte<lb/> nichts fertig als eine Seeschlange, eine Epistel, in der etliche Beteiligte ein Kapitel<lb/> Geschichte mit verteilten Rollen aufsagten. Diese Seeschlange war nicht zu brauchen,<lb/> was den Herrn Rektor sehr verdroß.</p><lb/> <p xml:id="ID_751"> Meine Herren, sagte der Herr Bürgermeister zu dem rastlosen Komitee, seien<lb/> Sie unbesorgt. In Berlin laufen die Dichter herum wie die Hammel. Wir bieten<lb/> so einem dreihundert Mark, so schreibt er uns, was nur nur haben wollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_752"> Meinen Sie, Herr Bürgermeister?</p><lb/> <p xml:id="ID_753"> Natürlich meine ich. Was andre können, das kann Schmalzleben auch. Und<lb/> Geld ist ja da.</p><lb/> <p xml:id="ID_754"> Ja, Geld ist da.</p><lb/> <p xml:id="ID_755"> Richtig, es dauerte nicht lange, so hatte der Herr Bürgermeister einen Dichter<lb/> eingefangen, einen Doktor Felix Mandelstein, der für dreihundert Mark ein Fest¬<lb/> spiel schreiben wollte, denn bar Geld lacht, und ein Drama ans die Bühne zu<lb/> bringen, lacht auch. Dieser Dichter kam denn auch eines Tags an, um Ortsstudieu<lb/> zu machen und sich in das „Milieu" zu versetzen, und quartierte sich beim Herrn<lb/> Oberprediger ein. Bald darauf konnte man ihn in nachdenklicher Haltung, den<lb/> Bleistift ans Kinn gedrückt, auf dem Kirchplatze, dem breiten Wege und auf der<lb/> alten Stadtmauer „hinter den Schweinställen" stehn sehen. Dies machte ans die<lb/> Bürgerschaft tiefen Eindruck, und man flüsterte sich bedeutungsvoll zu, daß jetzt<lb/> große Dinge im Werke seien. Als der Dichter nun auch in die Sakristei, wo ja<lb/> der bewußte Streifen gefunden war, trat, schauten ein Dutzend neugierige Kinder<lb/> durch die Eisengitter des Fensters; aber man konnte nichts weiter erblicken als<lb/> den Dichter in nachdenklicher Haltung, den Bleistift aus Kinn gedrückt.</p><lb/> <p xml:id="ID_756" next="#ID_757"> So wertvoll nun auch der vorliegende geschichtliche Stoff war, er wollte doch<lb/> für ein dreiaktiges Drama nicht ausreichen. Und so reiste Doktor Mandelstein<lb/> uach Halberstadt, um dort seine Studien fortzusetzen, was er auch mit glänzendem<lb/> Erfolge that. Denn er fand in dem Urknndenbuche dieser Stadt, noch dazu sauber<lb/> gedruckt, folgende wertvolle Urkunden. Erstens: Eine Schrift des Domkapitels und<lb/> andrer kirchlicher Körperschaften vom 25. September 1386, in der der Bischof<lb/> Albrecht zur Schlichtung einer Streitigkeit mit dem Magistrate zu Halberstadt an¬<lb/> gerufen wurde umros vanrwlö, etat alö ut as boren, (d. h. der Domfreiheit) xe-<lb/> uommsi» iiz, vorrmor ninno Laufs van DüsMin, av ut even eloswrdovo to south<lb/> ?Mlo ANonommon is, uoclv vin noriM gnoriedts äa xlivbesbot is, wodurch das<lb/> Recht der Geistlichkeit, eignes Gericht auf ihrem Besitz zu halten, geschädigt worden<lb/> sei. Zweitens das Urteil des Bischofs vom 18. Oktober 1386, dos natürlich gegen<lb/> die Stadt ausfiel, und drittens ein Protest der Bürgerschaft wider dieses Urteil,<lb/> worin gesagt wird, wenn die Geistlichkeit in der Burg Leute aufnehme, die von<lb/> da aus der Stadt Schaden thäten, so hole man die Übelthäter, wo sie auch seien.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0237]
Skizzen aus unserm heutigen Volksleben
liegt, so konnte angenommen werden, daß es von der Achterklärung mitgetroffen
war, oder es konnte angenommen werden, daß die Stadt dem König Wenzel Treue
und Gehorsam erwiesen hatte, oder es konnte angenommen werden, daß Schmalz-
lcben dnrch bedeutende Dienste, die es beiden Parteien erwiesen hatte, zum Frieden
und zur Versöhnung geholfen habe. Jedenfalls lag hier ein ausgezeichneter dra¬
matischer Stoff vor, der sich zu einem Festspiel eignen mußte. Kaiser Wenzel, der
Bischof von Halberstadt, Gebhard von Hoyme, Sigost von Leutenberg, Diderik
von Neuen und Hansen Emmern und syn Swynstnl boten ein reiches Material,
ans dem ein Dichter ein vaterländisch-historisches Festspiel aufbauen konnte. Aber
wo war dieser Dichter? Der Herr Oberprediger war zu bescheiden, um an sich zu
denken, und der Herr Rektor, der sich mit Feuereifer an die Arbeit machte, brachte
nichts fertig als eine Seeschlange, eine Epistel, in der etliche Beteiligte ein Kapitel
Geschichte mit verteilten Rollen aufsagten. Diese Seeschlange war nicht zu brauchen,
was den Herrn Rektor sehr verdroß.
Meine Herren, sagte der Herr Bürgermeister zu dem rastlosen Komitee, seien
Sie unbesorgt. In Berlin laufen die Dichter herum wie die Hammel. Wir bieten
so einem dreihundert Mark, so schreibt er uns, was nur nur haben wollen.
Meinen Sie, Herr Bürgermeister?
Natürlich meine ich. Was andre können, das kann Schmalzleben auch. Und
Geld ist ja da.
Ja, Geld ist da.
Richtig, es dauerte nicht lange, so hatte der Herr Bürgermeister einen Dichter
eingefangen, einen Doktor Felix Mandelstein, der für dreihundert Mark ein Fest¬
spiel schreiben wollte, denn bar Geld lacht, und ein Drama ans die Bühne zu
bringen, lacht auch. Dieser Dichter kam denn auch eines Tags an, um Ortsstudieu
zu machen und sich in das „Milieu" zu versetzen, und quartierte sich beim Herrn
Oberprediger ein. Bald darauf konnte man ihn in nachdenklicher Haltung, den
Bleistift ans Kinn gedrückt, auf dem Kirchplatze, dem breiten Wege und auf der
alten Stadtmauer „hinter den Schweinställen" stehn sehen. Dies machte ans die
Bürgerschaft tiefen Eindruck, und man flüsterte sich bedeutungsvoll zu, daß jetzt
große Dinge im Werke seien. Als der Dichter nun auch in die Sakristei, wo ja
der bewußte Streifen gefunden war, trat, schauten ein Dutzend neugierige Kinder
durch die Eisengitter des Fensters; aber man konnte nichts weiter erblicken als
den Dichter in nachdenklicher Haltung, den Bleistift aus Kinn gedrückt.
So wertvoll nun auch der vorliegende geschichtliche Stoff war, er wollte doch
für ein dreiaktiges Drama nicht ausreichen. Und so reiste Doktor Mandelstein
uach Halberstadt, um dort seine Studien fortzusetzen, was er auch mit glänzendem
Erfolge that. Denn er fand in dem Urknndenbuche dieser Stadt, noch dazu sauber
gedruckt, folgende wertvolle Urkunden. Erstens: Eine Schrift des Domkapitels und
andrer kirchlicher Körperschaften vom 25. September 1386, in der der Bischof
Albrecht zur Schlichtung einer Streitigkeit mit dem Magistrate zu Halberstadt an¬
gerufen wurde umros vanrwlö, etat alö ut as boren, (d. h. der Domfreiheit) xe-
uommsi» iiz, vorrmor ninno Laufs van DüsMin, av ut even eloswrdovo to south
?Mlo ANonommon is, uoclv vin noriM gnoriedts äa xlivbesbot is, wodurch das
Recht der Geistlichkeit, eignes Gericht auf ihrem Besitz zu halten, geschädigt worden
sei. Zweitens das Urteil des Bischofs vom 18. Oktober 1386, dos natürlich gegen
die Stadt ausfiel, und drittens ein Protest der Bürgerschaft wider dieses Urteil,
worin gesagt wird, wenn die Geistlichkeit in der Burg Leute aufnehme, die von
da aus der Stadt Schaden thäten, so hole man die Übelthäter, wo sie auch seien.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |