Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Skizzen aus unserm heutigen Volksleben dienst zugewiesen wurde, so konnte er sicher sein, die freudige Zustimmung der Nicht weniger beliebt ist der Herr Oberprediger. Das ist keiner von den Wir dürfen auch nicht unsre Künstler vergessen, Herrn Malermeister Giesecke, Natürlich trat zur Vorbereitung des Jubiläums ein Komitee zusammen, das Skizzen aus unserm heutigen Volksleben dienst zugewiesen wurde, so konnte er sicher sein, die freudige Zustimmung der Nicht weniger beliebt ist der Herr Oberprediger. Das ist keiner von den Wir dürfen auch nicht unsre Künstler vergessen, Herrn Malermeister Giesecke, Natürlich trat zur Vorbereitung des Jubiläums ein Komitee zusammen, das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0236" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231406"/> <fw type="header" place="top"> Skizzen aus unserm heutigen Volksleben</fw><lb/> <p xml:id="ID_746" prev="#ID_745"> dienst zugewiesen wurde, so konnte er sicher sein, die freudige Zustimmung der<lb/> Bürgerschaft zu finden.</p><lb/> <p xml:id="ID_747"> Nicht weniger beliebt ist der Herr Oberprediger. Das ist keiner von den<lb/> Schwarzröcken, die immer nur von Sünde reden und keinem ein Vergnügen gönnen;<lb/> er ist ein moderner Prediger, der auf der Höhe der Zeit steht. Als Prediger<lb/> leistet er nichts hervorragendes. Aber der Herr Oberprediger legt auch ans die<lb/> Predigt weniger Gewicht als auf die Pflege christlicher Vereine und christlicher<lb/> Vergnügen. Und in der That versteht er es auch, seinen Männerverein, Jüng-<lb/> lingsverein und Jungfrnuenverein durch immer neue und fesselnde, besonders dra¬<lb/> matische Veranstaltungen beisammcuzuhalteu. Deshalb erfreut er sich in der Stadt<lb/> einer wohlverdienten Beliebtheit. Man hatte beabsichtigt, den Herrn Oberprediger<lb/> auch in das Vergnügungskvmitee des Kasinos zu wählen. Er muß das aber übel<lb/> genommen haben, denn er hat die Wahl schroff abgelehnt.</p><lb/> <p xml:id="ID_748"> Wir dürfen auch nicht unsre Künstler vergessen, Herrn Malermeister Giesecke,<lb/> Herrn Tischlermeister Knaufs und Herr» Schneidermeister Kricket. Herr Giesecke<lb/> ist ein wirklicher Künstler in allem, was Farbe heißt. Was ihm Spaß macht, das<lb/> betreibt er mit unermüdlichem Eifer, wie das so Künstlcrart ist, die Austreicherei<lb/> kommt dabei freilich zu kurz. Herr Knaufs dagegen besitzt sämtliche Bände des<lb/> Kunst- und Gewerbeblattes und kaun über alle Stile reden. Seine „Motive"<lb/> sind großartig, und seine „stilvollen" Möbel sollen selbst von dem Herrn Grafen<lb/> in Rastenbeck gerühmt worden sein. Da er auch Tapezierarbeiten ausführt und<lb/> einige Ballen von grünem, braunem und rotem Futterkattun und ein Paar Dutzend<lb/> Fühnen in Phantasiefarben besitzt, so ist er bei allen festlichen Veranstaltungen höchst<lb/> unentbehrlich. Und der Herr Schneidermeister Kricket ist auf der Bühne von un¬<lb/> übertrefflicher Würde. Wenn er als Kaiser oder König seine Getreuen um sich<lb/> versammelt, oder sie gnädig entläßt, diese Handbewegung, diese Haltung — gro߬<lb/> artig! wirklich großartig! Auch in Musik leisten unsre Damen hervorragendes.<lb/> Doch es würde zu weit führen, alle Kräfte, die wir in Schmalzlebeu habe», auf¬<lb/> zuzählen. Leider fehlt uns ein Dichter. Da es nun klar ist, daß zu einem Jubi¬<lb/> läum auch gedichtet werden muß, so war dies ein empfindlicher Mangel.</p><lb/> <p xml:id="ID_749" next="#ID_750"> Natürlich trat zur Vorbereitung des Jubiläums ein Komitee zusammen, das<lb/> aus den Spitzen der Stadt bestand, sich in zwangloser Form im Bürgergarden<lb/> versammelte, Bier trank und sich über das Jubiläum unter Wahrung der „weitesten<lb/> Gesichtspunkte" unterhielt. Darüber kam die Sache nicht vorwärts. Man hatte<lb/> ja aber auch noch viel Zeit. Das Jubiläumsjahr kam heran, und es war nichts<lb/> geschehn, als daß man darin einig war, es müsse etwas geschehn. Der Herr Ober¬<lb/> prediger hatte im Kirchenarchiv und Stadtarchiv nach alten Nachrichten geforscht,<lb/> aber nichts gefunden; begreiflicherweise, denn die städtischen alten Akten, Schöppen-<lb/> büchcr und Rechnungen, waren vom alten Bürgermeister Hennebein — die ältesten<lb/> Leute erinnerten sich dessen noch — zu Wurstpapier verkauft worden, und die kirch¬<lb/> lichen Nachrichten reichten nicht über den Anfang des Dreißigjährigen Krieges<lb/> hinaus, und was will das bei einem fünfhundertjährigem Jubiläum sagen. Da¬<lb/> gegen fand er in einer Zeitschrift den Abdruck eines Achtbriefs Kaiser Wenzels<lb/> von Böhmen wider „Halberstat, Quedlingenburg und Aschersleybcn und gegen<lb/> Herman von Ackeuburg, Hansen von Peyn und Gebharten von Hoyme" vom<lb/> 19. März 1389, worin die genannten Städte und Personen ans dem Frieden<lb/> genommen und jeder Schandthat straflos preisgegeben wurden, wohingegen alle<lb/> Ehrenmänner aufgefordert wurden, dem Landgrafen Shgijost zu dem Lentenberg<lb/> zu Dienst und Willen zu sein. Da nun Schmalzlebeu im Bezirke dieser Städte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0236]
Skizzen aus unserm heutigen Volksleben
dienst zugewiesen wurde, so konnte er sicher sein, die freudige Zustimmung der
Bürgerschaft zu finden.
Nicht weniger beliebt ist der Herr Oberprediger. Das ist keiner von den
Schwarzröcken, die immer nur von Sünde reden und keinem ein Vergnügen gönnen;
er ist ein moderner Prediger, der auf der Höhe der Zeit steht. Als Prediger
leistet er nichts hervorragendes. Aber der Herr Oberprediger legt auch ans die
Predigt weniger Gewicht als auf die Pflege christlicher Vereine und christlicher
Vergnügen. Und in der That versteht er es auch, seinen Männerverein, Jüng-
lingsverein und Jungfrnuenverein durch immer neue und fesselnde, besonders dra¬
matische Veranstaltungen beisammcuzuhalteu. Deshalb erfreut er sich in der Stadt
einer wohlverdienten Beliebtheit. Man hatte beabsichtigt, den Herrn Oberprediger
auch in das Vergnügungskvmitee des Kasinos zu wählen. Er muß das aber übel
genommen haben, denn er hat die Wahl schroff abgelehnt.
Wir dürfen auch nicht unsre Künstler vergessen, Herrn Malermeister Giesecke,
Herrn Tischlermeister Knaufs und Herr» Schneidermeister Kricket. Herr Giesecke
ist ein wirklicher Künstler in allem, was Farbe heißt. Was ihm Spaß macht, das
betreibt er mit unermüdlichem Eifer, wie das so Künstlcrart ist, die Austreicherei
kommt dabei freilich zu kurz. Herr Knaufs dagegen besitzt sämtliche Bände des
Kunst- und Gewerbeblattes und kaun über alle Stile reden. Seine „Motive"
sind großartig, und seine „stilvollen" Möbel sollen selbst von dem Herrn Grafen
in Rastenbeck gerühmt worden sein. Da er auch Tapezierarbeiten ausführt und
einige Ballen von grünem, braunem und rotem Futterkattun und ein Paar Dutzend
Fühnen in Phantasiefarben besitzt, so ist er bei allen festlichen Veranstaltungen höchst
unentbehrlich. Und der Herr Schneidermeister Kricket ist auf der Bühne von un¬
übertrefflicher Würde. Wenn er als Kaiser oder König seine Getreuen um sich
versammelt, oder sie gnädig entläßt, diese Handbewegung, diese Haltung — gro߬
artig! wirklich großartig! Auch in Musik leisten unsre Damen hervorragendes.
Doch es würde zu weit führen, alle Kräfte, die wir in Schmalzlebeu habe», auf¬
zuzählen. Leider fehlt uns ein Dichter. Da es nun klar ist, daß zu einem Jubi¬
läum auch gedichtet werden muß, so war dies ein empfindlicher Mangel.
Natürlich trat zur Vorbereitung des Jubiläums ein Komitee zusammen, das
aus den Spitzen der Stadt bestand, sich in zwangloser Form im Bürgergarden
versammelte, Bier trank und sich über das Jubiläum unter Wahrung der „weitesten
Gesichtspunkte" unterhielt. Darüber kam die Sache nicht vorwärts. Man hatte
ja aber auch noch viel Zeit. Das Jubiläumsjahr kam heran, und es war nichts
geschehn, als daß man darin einig war, es müsse etwas geschehn. Der Herr Ober¬
prediger hatte im Kirchenarchiv und Stadtarchiv nach alten Nachrichten geforscht,
aber nichts gefunden; begreiflicherweise, denn die städtischen alten Akten, Schöppen-
büchcr und Rechnungen, waren vom alten Bürgermeister Hennebein — die ältesten
Leute erinnerten sich dessen noch — zu Wurstpapier verkauft worden, und die kirch¬
lichen Nachrichten reichten nicht über den Anfang des Dreißigjährigen Krieges
hinaus, und was will das bei einem fünfhundertjährigem Jubiläum sagen. Da¬
gegen fand er in einer Zeitschrift den Abdruck eines Achtbriefs Kaiser Wenzels
von Böhmen wider „Halberstat, Quedlingenburg und Aschersleybcn und gegen
Herman von Ackeuburg, Hansen von Peyn und Gebharten von Hoyme" vom
19. März 1389, worin die genannten Städte und Personen ans dem Frieden
genommen und jeder Schandthat straflos preisgegeben wurden, wohingegen alle
Ehrenmänner aufgefordert wurden, dem Landgrafen Shgijost zu dem Lentenberg
zu Dienst und Willen zu sein. Da nun Schmalzlebeu im Bezirke dieser Städte
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |