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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Der moderne Holzschnitt und seine Ankunft

von beiden, zu einem neuen, organischen Ganzen zu verschmelzen und so,
wie einst im Altertum, wieder eine feste Kulturbrücke zu werden zwischen Asien
und Europa. Nur darf diese Brücke nicht, wie die Griechen noch immer
vielfach glauben, aus antiken Trümmern erbaut werden, sondern aus modernem,
lebendigem Kulturmaterial.




Der moderne Holzschnitt und seine Zukunft
Konrad Lange von

enden die Photographie erfunden und zu der hohen technischen
Vollendung gelangt ist, die sie gegenwärtig zeigt, erschallt immer
von Zeit zu Zeit einmal eine Stimme, die den übrigen ver¬
vielfältigenden Künsten einen baldigen Untergang prophezeit. Es
liegt ja auch für den oberflächlichen Beobachter nahe genug an¬
zunehmen, daß die Photographie, diese billigste und zugleich "treuste" Ver¬
vielfältigungsart, alle graphischen Künste mit der Zeit verdrängen müsse. Leider
-- oder vielmehr glücklicherweise -- wollen sich aber diese Weissagungen bisher
durchaus nicht erfüllen,. Ebensowenig wie bisher die Porträtmalerei durch die
Photographie verdrängt oder auch nur beeinträchtigt worden ist, hat die
Radierung, die Lithographie, der Holzschnitt usw. auch nur im geringsten unter
ihr gelitten. Im Gegenteil, mehrere dieser Techniken sind gerade in den letzten
Jahren erst recht aufgeblüht, und zwar teilweise unter Beihilfe der Photo¬
graphie. Diese Beihilfe ist eine positive oder negative gewesen. Das heißt, die
Künstler haben sich entweder der Photographie als eines wichtigen technischen
Hilfsmittels bedient und sich dadurch die Arbeit erleichtert, oder sie haben im
Gegensatz zu der einerseits sklavischen, anderseits doch wieder hinter der Natur
zurückbleibenden Photographie ihre eignen spezifischen Ausdrucksmittel um so
konsequenter und zielbewußter ausgebildet. Es wäre deshalb wohl an der
Zeit, daß man die Kassandrarufe einstellte und der Photographie auch in Zu¬
kunft ein rechtes Blühen und Gedeihen zum Heil und Nutzen aller graphischen
Künste wünschte.

Neuerdings ist es vor Dem der Holzschnitt, dem man mit der Photo¬
graphie bange zu machen sucht. Und zwar regt sich seit einigen Jahren in
Deutschland eine ganz besonders starke Opposition gegen den modernen male¬
rischen Holzschnitt, den sogenannten "Tonschnitt." Man behauptet, daß dieser,
der mit Tönen statt mit Linien arbeitet, eine heillose Gattung sei, daß er der


Der moderne Holzschnitt und seine Ankunft

von beiden, zu einem neuen, organischen Ganzen zu verschmelzen und so,
wie einst im Altertum, wieder eine feste Kulturbrücke zu werden zwischen Asien
und Europa. Nur darf diese Brücke nicht, wie die Griechen noch immer
vielfach glauben, aus antiken Trümmern erbaut werden, sondern aus modernem,
lebendigem Kulturmaterial.




Der moderne Holzschnitt und seine Zukunft
Konrad Lange von

enden die Photographie erfunden und zu der hohen technischen
Vollendung gelangt ist, die sie gegenwärtig zeigt, erschallt immer
von Zeit zu Zeit einmal eine Stimme, die den übrigen ver¬
vielfältigenden Künsten einen baldigen Untergang prophezeit. Es
liegt ja auch für den oberflächlichen Beobachter nahe genug an¬
zunehmen, daß die Photographie, diese billigste und zugleich „treuste" Ver¬
vielfältigungsart, alle graphischen Künste mit der Zeit verdrängen müsse. Leider
— oder vielmehr glücklicherweise — wollen sich aber diese Weissagungen bisher
durchaus nicht erfüllen,. Ebensowenig wie bisher die Porträtmalerei durch die
Photographie verdrängt oder auch nur beeinträchtigt worden ist, hat die
Radierung, die Lithographie, der Holzschnitt usw. auch nur im geringsten unter
ihr gelitten. Im Gegenteil, mehrere dieser Techniken sind gerade in den letzten
Jahren erst recht aufgeblüht, und zwar teilweise unter Beihilfe der Photo¬
graphie. Diese Beihilfe ist eine positive oder negative gewesen. Das heißt, die
Künstler haben sich entweder der Photographie als eines wichtigen technischen
Hilfsmittels bedient und sich dadurch die Arbeit erleichtert, oder sie haben im
Gegensatz zu der einerseits sklavischen, anderseits doch wieder hinter der Natur
zurückbleibenden Photographie ihre eignen spezifischen Ausdrucksmittel um so
konsequenter und zielbewußter ausgebildet. Es wäre deshalb wohl an der
Zeit, daß man die Kassandrarufe einstellte und der Photographie auch in Zu¬
kunft ein rechtes Blühen und Gedeihen zum Heil und Nutzen aller graphischen
Künste wünschte.

Neuerdings ist es vor Dem der Holzschnitt, dem man mit der Photo¬
graphie bange zu machen sucht. Und zwar regt sich seit einigen Jahren in
Deutschland eine ganz besonders starke Opposition gegen den modernen male¬
rischen Holzschnitt, den sogenannten „Tonschnitt." Man behauptet, daß dieser,
der mit Tönen statt mit Linien arbeitet, eine heillose Gattung sei, daß er der


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[0228] Der moderne Holzschnitt und seine Ankunft von beiden, zu einem neuen, organischen Ganzen zu verschmelzen und so, wie einst im Altertum, wieder eine feste Kulturbrücke zu werden zwischen Asien und Europa. Nur darf diese Brücke nicht, wie die Griechen noch immer vielfach glauben, aus antiken Trümmern erbaut werden, sondern aus modernem, lebendigem Kulturmaterial. Der moderne Holzschnitt und seine Zukunft Konrad Lange von enden die Photographie erfunden und zu der hohen technischen Vollendung gelangt ist, die sie gegenwärtig zeigt, erschallt immer von Zeit zu Zeit einmal eine Stimme, die den übrigen ver¬ vielfältigenden Künsten einen baldigen Untergang prophezeit. Es liegt ja auch für den oberflächlichen Beobachter nahe genug an¬ zunehmen, daß die Photographie, diese billigste und zugleich „treuste" Ver¬ vielfältigungsart, alle graphischen Künste mit der Zeit verdrängen müsse. Leider — oder vielmehr glücklicherweise — wollen sich aber diese Weissagungen bisher durchaus nicht erfüllen,. Ebensowenig wie bisher die Porträtmalerei durch die Photographie verdrängt oder auch nur beeinträchtigt worden ist, hat die Radierung, die Lithographie, der Holzschnitt usw. auch nur im geringsten unter ihr gelitten. Im Gegenteil, mehrere dieser Techniken sind gerade in den letzten Jahren erst recht aufgeblüht, und zwar teilweise unter Beihilfe der Photo¬ graphie. Diese Beihilfe ist eine positive oder negative gewesen. Das heißt, die Künstler haben sich entweder der Photographie als eines wichtigen technischen Hilfsmittels bedient und sich dadurch die Arbeit erleichtert, oder sie haben im Gegensatz zu der einerseits sklavischen, anderseits doch wieder hinter der Natur zurückbleibenden Photographie ihre eignen spezifischen Ausdrucksmittel um so konsequenter und zielbewußter ausgebildet. Es wäre deshalb wohl an der Zeit, daß man die Kassandrarufe einstellte und der Photographie auch in Zu¬ kunft ein rechtes Blühen und Gedeihen zum Heil und Nutzen aller graphischen Künste wünschte. Neuerdings ist es vor Dem der Holzschnitt, dem man mit der Photo¬ graphie bange zu machen sucht. Und zwar regt sich seit einigen Jahren in Deutschland eine ganz besonders starke Opposition gegen den modernen male¬ rischen Holzschnitt, den sogenannten „Tonschnitt." Man behauptet, daß dieser, der mit Tönen statt mit Linien arbeitet, eine heillose Gattung sei, daß er der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/228>, abgerufen am 15.01.2025.