Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Die kulturgeschichtliche Stellung der heutigen Griechen Valkcmfrage oder die Möglichkeit der Bildung eines Balkanbundes, sondern Statt dessen blieb diese einzig natürliche Entwicklung auf halbem Wege Es bleibt uns schließlich noch übrig, den Einfluß des Griechischen auf die Grenzboten III 189!) 28
Die kulturgeschichtliche Stellung der heutigen Griechen Valkcmfrage oder die Möglichkeit der Bildung eines Balkanbundes, sondern Statt dessen blieb diese einzig natürliche Entwicklung auf halbem Wege Es bleibt uns schließlich noch übrig, den Einfluß des Griechischen auf die Grenzboten III 189!) 28
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Die kulturgeschichtliche Stellung der heutigen Griechen
Valkcmfrage oder die Möglichkeit der Bildung eines Balkanbundes, sondern
einen natürlichen, organisch gewachsenen Balkanstaat mit der Hauptstadt Kon¬
stantinopel.
Statt dessen blieb diese einzig natürliche Entwicklung auf halbem Wege
stehen: zwar ist es Byzanz gelungen, sich die nichtgriechischen Elemente seines
Reiches wenigstens in Religion und Kultur Unterthan zu machen; denn es ist
eine offenkundige, wenn auch noch immer nicht genügend beachtete Thatsache, daß
das ganze Volksleben der Balkanvölker in allen seinen Äußerungen, in Volks¬
lied und Volkssage, in Gebräuchen und Aberglauben, in Sprichwörtern, Rätseln
und Musik einen einheitlichen Charakter trägt, desgleichen in den Erscheinungen
des wirtschaftlichen und sozialen Lebens. Sie alle gehören einem Kultur-
milieu an, das man als „balkanisch" bezeichnen könnte, und das zuletzt auf
griechisch-byzantinischen Ursprung zurückgeht. Doch wird diese geistige Ver¬
wandtschaft durch die Verschiedenheit der Sprachen verdeckt, und der Unkundige
vermutet dahinter natürlich auch einen Unterschied in der geistigen Physiognomie
dieser Völker, deren Ausdruck die Sprache ist. Aber gerade an der Sprache,
speziell der slawischen, erwies sich die Kolonisierungskraft von Byzanz als un¬
zulänglich. So erklärt sich das merkwürdige geschichtliche Resultat: eine gleich¬
förmige Kulturschicht auf einer in der Sprache und — wenigstens ursprüng¬
lich — auch ethnologisch vierfachen Grundlage, einer griechischen, albanesischen,
rumänischen und südslawischen.
Es bleibt uns schließlich noch übrig, den Einfluß des Griechischen auf die
orientalischen Sprachen, auf das Arabische und Türkische, festzustellen. Die
Berührung der Griechen mit dem Orient ist ja seit der hellenistischen, besonders
seit der alexandrinischen Zeit sehr eng gewesen und wurde es noch mehr in
der byzantinischen und türkischen Zeit. Am frühesten traten die Griechen, etwa
seit dem siebenten Jahrhundert, mit den Arabern in Verkehr, und zwar infolge
der arabischen Eroberung Ägyptens. Obwohl die Unterworfnen, behaupteten
die Griechen den fremden Eroberern gegenüber immer noch eine genügend hohe
Kulturstufe, um sie auch in der Sprache zu beeinflussen. Daher ist der Umfang
des entlehnten Sprachgnts im Arabischen verhältnismäßig am größten unter
den orientalischen Sprachen, deckt sich aber doch zum größten Teile mit dem
des Türkischen, so z. B. in Ausdrücken des Seewesens, des Häuserbaus und
der Pflanzenwelt, wo zum Teil dieselben Wörter vorkommen wie Leuchtturm,
Schiffer, Fisch; Fundament, Dachziegel; Tisch, Bett; Bohne, Kohl. Während
aber im Türkischen der griechische Spracheinfluß auf diese drei Gebiete be¬
schränkt ist, erstreckt er sich im Arabischen auch auf Benennungen für Stoffe
(Seide), Spezereien (Balsam, Salböl, Myrrhen), Metalle und Münzen (Silber,
Phollis, Karat). Kostümstücke (Schuh, Gürtel, Riemen), Geräte (Kessel, Topf¬
arten, Schale), d. h. merkwürdigerweise häufig auf solche Gegenstände, deren
Bezeichnungen die Griechen später von den Türken entlehnten, ein deutlicher
Grenzboten III 189!) 28
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