Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Die kulturgeschichtliche Stellung der heutigen Griechen griechische Lehnwörter. Der griechische Kultureinfluß erstreckt sich hier auf Durch südslawische Vermittlung, sowie durch die griechische Herrschaft der Die kulturgeschichtliche Stellung der heutigen Griechen griechische Lehnwörter. Der griechische Kultureinfluß erstreckt sich hier auf Durch südslawische Vermittlung, sowie durch die griechische Herrschaft der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0224" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231394"/> <fw type="header" place="top"> Die kulturgeschichtliche Stellung der heutigen Griechen</fw><lb/> <p xml:id="ID_705" prev="#ID_704"> griechische Lehnwörter. Der griechische Kultureinfluß erstreckt sich hier auf<lb/> alles, was die Grundlage des Wirtschaftslebens, zum Teil auch des sozialen<lb/> und geistigen Lebens darstellt. In dem weitern Ausbau ihres Kulturlebens<lb/> sind freilich auch die Albanesen wie die Griechen selbst von Italienern und<lb/> Türken abhängig gewesen. Noch nicht so durchsichtig ist wegen Mangels an<lb/> genügenden Materialsammlungen der griechische Einfluß auf die südslawischen<lb/> Sprachen, das serbische und Bulgarische; doch läßt sich wenigstens soviel<lb/> erkennen, daß er sich auf die gleichen Kulturgebiete erstreckt wie bei den Alba¬<lb/> nesen, wenn auch nicht in dem gleichen Umfang, also besonders auf den Häuser¬<lb/> bau, die Weinkultur, sowie auf See-, Bildungs- und Rechtswesen. Insbesondre<lb/> müssen die Serben von den Griechen in der feinern Bäckerei und in der Koch¬<lb/> kunst gelernt haben, wie die griechischen Bezeichnungen für feines Brot, Semmel,<lb/> Flugmehl, Brotbrett, Pfanne, Rost, Koch bezeugen.</p><lb/> <p xml:id="ID_706" next="#ID_707"> Durch südslawische Vermittlung, sowie durch die griechische Herrschaft der<lb/> Phanarioten in der Moldau und Walachei und schon früher durch den Handels¬<lb/> verkehr mit Griechen sind dann auch viele Gräzismen in das Dato rumänische<lb/> gedrungen, wo sich zahlreiche griechische Bezeichnungen für Pflanzen, Tiere,<lb/> Geräte, für Körperteile, ferner im Handel und Seewesen, in Recht und Ver¬<lb/> waltung, sowie endlich für abstrakte Begriffe, im ganzen an 300 Wörter, finden.<lb/> Alle diese Völker waren eben, wie schon bemerkt worden ist, von Vyzanz aus<lb/> der Kultur zugeführt worden, und die Sprachentlehnungen aus dem Mittel-<lb/> und neugriechischen bezeichnen den letzten Vorstoß, den die griechische Sprache<lb/> im Mittelalter in diese Gebiete gemacht hat, leider auch deren Unfähig¬<lb/> keit, sich der slawischen Übermacht gegenüber zu behaupten oder gar das<lb/> slawische zu verdrängen und sich an dessen Stelle zu setzen. Hieran kann<lb/> man sich übrigens deutlich den gewaltigen Abstand in der Machtstellung des<lb/> byzantinischen und des spätern römischen Reiches klar machen: während es<lb/> diesem gelungen ist, nicht nur Goten und Langobarden, sondern auch Iberer<lb/> und Kelten zu romanisieren, ist Vyzanz, weit entfernt, Slawen und Türken zu<lb/> grüzisicreu, schließlich deren Ansturm erlegen. Hätte die byzantinische Kultur¬<lb/> welt mehr geistige Elastizität und Spannkraft gehabt, wäre sie nicht in ödem<lb/> kirchlichem Dogmatismus, staatlichem Büreaukratismus und geistigem Scholästi-<lb/> zismus verknöchert, so kann kein Zweifel daran bestehen, daß ebenso wie heute<lb/> auf der Apenninenhalbinsel italienisch, auf der ganzen Balkanhalbinsel griechisch<lb/> die herrschende Sprache sein würde, und daß dieses gemeinsame Band der<lb/> Sprache auch eine politische Einheit unter den verschiednen Nassen geknüpft<lb/> hätte, sodciß es heute nur einen Staat auf der Balkanhalbinsel gäbe, den<lb/> griechischen; dann gäbe es auch keine Türken in Europa, und somit auch keine<lb/> orientalische Frage, und keine ohnmächtige Vielheit von künstlichen Balkan¬<lb/> staaten, die sich in gegenseitiger Eifersucht nach außen und in politischem<lb/> Parteigetriebe im Innern erschöpfen. Es gäbe dann natürlich auch keine</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0224]
Die kulturgeschichtliche Stellung der heutigen Griechen
griechische Lehnwörter. Der griechische Kultureinfluß erstreckt sich hier auf
alles, was die Grundlage des Wirtschaftslebens, zum Teil auch des sozialen
und geistigen Lebens darstellt. In dem weitern Ausbau ihres Kulturlebens
sind freilich auch die Albanesen wie die Griechen selbst von Italienern und
Türken abhängig gewesen. Noch nicht so durchsichtig ist wegen Mangels an
genügenden Materialsammlungen der griechische Einfluß auf die südslawischen
Sprachen, das serbische und Bulgarische; doch läßt sich wenigstens soviel
erkennen, daß er sich auf die gleichen Kulturgebiete erstreckt wie bei den Alba¬
nesen, wenn auch nicht in dem gleichen Umfang, also besonders auf den Häuser¬
bau, die Weinkultur, sowie auf See-, Bildungs- und Rechtswesen. Insbesondre
müssen die Serben von den Griechen in der feinern Bäckerei und in der Koch¬
kunst gelernt haben, wie die griechischen Bezeichnungen für feines Brot, Semmel,
Flugmehl, Brotbrett, Pfanne, Rost, Koch bezeugen.
Durch südslawische Vermittlung, sowie durch die griechische Herrschaft der
Phanarioten in der Moldau und Walachei und schon früher durch den Handels¬
verkehr mit Griechen sind dann auch viele Gräzismen in das Dato rumänische
gedrungen, wo sich zahlreiche griechische Bezeichnungen für Pflanzen, Tiere,
Geräte, für Körperteile, ferner im Handel und Seewesen, in Recht und Ver¬
waltung, sowie endlich für abstrakte Begriffe, im ganzen an 300 Wörter, finden.
Alle diese Völker waren eben, wie schon bemerkt worden ist, von Vyzanz aus
der Kultur zugeführt worden, und die Sprachentlehnungen aus dem Mittel-
und neugriechischen bezeichnen den letzten Vorstoß, den die griechische Sprache
im Mittelalter in diese Gebiete gemacht hat, leider auch deren Unfähig¬
keit, sich der slawischen Übermacht gegenüber zu behaupten oder gar das
slawische zu verdrängen und sich an dessen Stelle zu setzen. Hieran kann
man sich übrigens deutlich den gewaltigen Abstand in der Machtstellung des
byzantinischen und des spätern römischen Reiches klar machen: während es
diesem gelungen ist, nicht nur Goten und Langobarden, sondern auch Iberer
und Kelten zu romanisieren, ist Vyzanz, weit entfernt, Slawen und Türken zu
grüzisicreu, schließlich deren Ansturm erlegen. Hätte die byzantinische Kultur¬
welt mehr geistige Elastizität und Spannkraft gehabt, wäre sie nicht in ödem
kirchlichem Dogmatismus, staatlichem Büreaukratismus und geistigem Scholästi-
zismus verknöchert, so kann kein Zweifel daran bestehen, daß ebenso wie heute
auf der Apenninenhalbinsel italienisch, auf der ganzen Balkanhalbinsel griechisch
die herrschende Sprache sein würde, und daß dieses gemeinsame Band der
Sprache auch eine politische Einheit unter den verschiednen Nassen geknüpft
hätte, sodciß es heute nur einen Staat auf der Balkanhalbinsel gäbe, den
griechischen; dann gäbe es auch keine Türken in Europa, und somit auch keine
orientalische Frage, und keine ohnmächtige Vielheit von künstlichen Balkan¬
staaten, die sich in gegenseitiger Eifersucht nach außen und in politischem
Parteigetriebe im Innern erschöpfen. Es gäbe dann natürlich auch keine
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