Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Katharina von Bora des Mönchs mit der Nonne" anschloß, und von dem sich sogar seine Freunde Und welcher Art war nun die junge Frau, die solchen segensvollen ") Hierauf bezog sich wohl eine Stelle des sonderbaren Briefes, den Melanchthon nach
Luthers Vermählung in griechischer Sprache an Cnmerarius richtete. Der Brief hat in der Überarbeitung, die im Lorxus rskormatornm vol. I abgedruckt ist, allerdings einen wesentlich andern Wortlaut als der unverfälschte Text, den W, Meyer in seiner Schrift: "Über die Ori¬ ginale von MelnnchthvnS Briefen an Cnmerarius und MelanchthonS Brief über Luthers Heirat" (München, 1876) publiziert hat. Nur kann ich das Wort /So/^o/,'", das Melanchthon auf Luthers bisheriges Leben anwendet, nicht mit Hausrath als "Posscurciszerei" übersetzen, sondern es bedeutet hier wie bei dem Glossographeu Pollux "die Vettelhaftigkcit," die Unordnung und den Staub des mönchischen Lebens, die Luther nun von sich werfen werde. Demnach bedeutet auch das gegensätzliche ""^vör^vo, das Melanchthon bei Lucher als Frucht des ehelichen Lebens erwartet, nicht "gemessener," wie Hausrnth übersetzt, sondern "ordentlicher, sauberer." Katharina von Bora des Mönchs mit der Nonne" anschloß, und von dem sich sogar seine Freunde Und welcher Art war nun die junge Frau, die solchen segensvollen ") Hierauf bezog sich wohl eine Stelle des sonderbaren Briefes, den Melanchthon nach
Luthers Vermählung in griechischer Sprache an Cnmerarius richtete. Der Brief hat in der Überarbeitung, die im Lorxus rskormatornm vol. I abgedruckt ist, allerdings einen wesentlich andern Wortlaut als der unverfälschte Text, den W, Meyer in seiner Schrift: „Über die Ori¬ ginale von MelnnchthvnS Briefen an Cnmerarius und MelanchthonS Brief über Luthers Heirat" (München, 1876) publiziert hat. Nur kann ich das Wort /So/^o/,'«, das Melanchthon auf Luthers bisheriges Leben anwendet, nicht mit Hausrath als „Posscurciszerei" übersetzen, sondern es bedeutet hier wie bei dem Glossographeu Pollux „die Vettelhaftigkcit," die Unordnung und den Staub des mönchischen Lebens, die Luther nun von sich werfen werde. Demnach bedeutet auch das gegensätzliche »«^vör^vo, das Melanchthon bei Lucher als Frucht des ehelichen Lebens erwartet, nicht „gemessener," wie Hausrnth übersetzt, sondern „ordentlicher, sauberer." <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0176" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231346"/> <fw type="header" place="top"> Katharina von Bora</fw><lb/> <p xml:id="ID_547" prev="#ID_546"> des Mönchs mit der Nonne" anschloß, und von dem sich sogar seine Freunde<lb/> anfechten ließen, vor allem der kleinmütige Melanchthon, durchaus gleichartig.<lb/> Er richtete sich mit seiner Käthe unter dem Beistände seines Dieners Wolf-<lb/> gang Sieberger in seinem alten Klvsterhaus ein, so gut es ging, und er wurde<lb/> unmerklich ein andrer, als er gewesen war, und zwar kein schlechterer. Von<lb/> seinem zweiundzwanzigsten bis zu seinem zweiundvierzigsten Jahre, also die<lb/> zwei für die Charakterbildung entscheidenden Jahrzehnte hindurch hatte keine<lb/> Frauenhand sein Leben verschönt, hatte „kein Saum eines Frauenkleids durch<lb/> sein Dasein gestreift." Bei aller Größe war Luther doch ein einsamer Mann<lb/> gewesen, kampflustig und, wenn es sein mußte, hart; edle Seiten seines Wesens<lb/> wie z. B. seine Fähigkeit, die harmlosen Freuden dieses Lebens zu würdigen<lb/> und zu genießen, wären bei längerm Junggesellenleben in Gefahr gekommen,<lb/> zu verschrumpfen — und nun war plötzlich ein junges Weib von sechsund¬<lb/> zwanzig Jahren seine unzertrennliche Gefährtin: wenn er einmal aufblickte von<lb/> der Arbeit, sah er sie ueben sich am Schreibtisch sitzen, sie sagte ihm Lebewohl,<lb/> wenn er ins Kolleg ging, sie begrüßte ihn, wenn er wiederkam — überall be¬<lb/> gegnete er ein paar Zöpfen, die er „vorhin nicht sahe." Der Staub ver¬<lb/> schwand von Tisch und Bank, die Bücher wurden sorgfältiger geordnet, Wäsche<lb/> und Gewand sauberer in Stand gesetzt, mittags und abends stand eine wohl¬<lb/> bereitete Speise auf dem Tisch — und so genoß der große Mann, der nur<lb/> zu sehr dazu angelegt schien, sich mit seinen rastlosen Geistes- und Gemüts¬<lb/> kämpfen und seinem regellosen Leben frühzeitig aufzureiben,") zum erstenmale<lb/> die Segnungen eines geordneten Haushalts.</p><lb/> <p xml:id="ID_548" next="#ID_549"> Und welcher Art war nun die junge Frau, die solchen segensvollen<lb/> Wandel einleitete? Luthers Käthe war keine Schönheit. Ihr Brautbild zeigt<lb/> einen runden, von reichlichem, zurückgekämmtem Haar umrahmten Kopf mit<lb/> kräftigen, fast derben Zügen. Der gut gegliederte Mund deutet auf eine<lb/> natürliche Beredsamkeit, die großen, weitgeöffneten Augen auf scharfe Beobach¬<lb/> tungsgabe, die leicht gebogne Nase auf selbständiges Urteil. An Bildung<lb/> konnte sie sich keineswegs mit den Nürnberger Patriziertöchtern jener Zeit ver¬<lb/> gleichen, die kunstvolle Verse schmiedeten und die lateinischen Klassiker lasen,<lb/> aber sie schrieb mit ausgebildeter Hand und in klarem, eindringlichem Stil<lb/> einen guten deutschen Brief, eine Kunst, die damals keineswegs allgemein war<lb/> und auch heute nicht allgemein ist. «sie war aufrichtig fromm und voll Gott¬<lb/> vertrauen, auch hatte sie Bescheidenheit und Herzensbildung genug, den hohen<lb/> Vorzug als Luthers Gattin zu würdigen. Sie lernte natürlich besser als<lb/> irgend wer die kleinen Fehler und Schwächen kennen, die Luther wie jeder<lb/> Mensch hatte, aber sie verkannte doch keinen Augenblick in ihm den großen<lb/> Reformator, dessen Geistesadel und heiliges Feuer ihn bergehoch emporhob</p><lb/> <note xml:id="FID_38" place="foot"> ") Hierauf bezog sich wohl eine Stelle des sonderbaren Briefes, den Melanchthon nach<lb/> Luthers Vermählung in griechischer Sprache an Cnmerarius richtete. Der Brief hat in der<lb/> Überarbeitung, die im Lorxus rskormatornm vol. I abgedruckt ist, allerdings einen wesentlich<lb/> andern Wortlaut als der unverfälschte Text, den W, Meyer in seiner Schrift: „Über die Ori¬<lb/> ginale von MelnnchthvnS Briefen an Cnmerarius und MelanchthonS Brief über Luthers Heirat"<lb/> (München, 1876) publiziert hat. Nur kann ich das Wort /So/^o/,'«, das Melanchthon auf<lb/> Luthers bisheriges Leben anwendet, nicht mit Hausrath als „Posscurciszerei" übersetzen, sondern<lb/> es bedeutet hier wie bei dem Glossographeu Pollux „die Vettelhaftigkcit," die Unordnung und<lb/> den Staub des mönchischen Lebens, die Luther nun von sich werfen werde. Demnach bedeutet<lb/> auch das gegensätzliche »«^vör^vo, das Melanchthon bei Lucher als Frucht des ehelichen<lb/> Lebens erwartet, nicht „gemessener," wie Hausrnth übersetzt, sondern „ordentlicher, sauberer."</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0176]
Katharina von Bora
des Mönchs mit der Nonne" anschloß, und von dem sich sogar seine Freunde
anfechten ließen, vor allem der kleinmütige Melanchthon, durchaus gleichartig.
Er richtete sich mit seiner Käthe unter dem Beistände seines Dieners Wolf-
gang Sieberger in seinem alten Klvsterhaus ein, so gut es ging, und er wurde
unmerklich ein andrer, als er gewesen war, und zwar kein schlechterer. Von
seinem zweiundzwanzigsten bis zu seinem zweiundvierzigsten Jahre, also die
zwei für die Charakterbildung entscheidenden Jahrzehnte hindurch hatte keine
Frauenhand sein Leben verschönt, hatte „kein Saum eines Frauenkleids durch
sein Dasein gestreift." Bei aller Größe war Luther doch ein einsamer Mann
gewesen, kampflustig und, wenn es sein mußte, hart; edle Seiten seines Wesens
wie z. B. seine Fähigkeit, die harmlosen Freuden dieses Lebens zu würdigen
und zu genießen, wären bei längerm Junggesellenleben in Gefahr gekommen,
zu verschrumpfen — und nun war plötzlich ein junges Weib von sechsund¬
zwanzig Jahren seine unzertrennliche Gefährtin: wenn er einmal aufblickte von
der Arbeit, sah er sie ueben sich am Schreibtisch sitzen, sie sagte ihm Lebewohl,
wenn er ins Kolleg ging, sie begrüßte ihn, wenn er wiederkam — überall be¬
gegnete er ein paar Zöpfen, die er „vorhin nicht sahe." Der Staub ver¬
schwand von Tisch und Bank, die Bücher wurden sorgfältiger geordnet, Wäsche
und Gewand sauberer in Stand gesetzt, mittags und abends stand eine wohl¬
bereitete Speise auf dem Tisch — und so genoß der große Mann, der nur
zu sehr dazu angelegt schien, sich mit seinen rastlosen Geistes- und Gemüts¬
kämpfen und seinem regellosen Leben frühzeitig aufzureiben,") zum erstenmale
die Segnungen eines geordneten Haushalts.
Und welcher Art war nun die junge Frau, die solchen segensvollen
Wandel einleitete? Luthers Käthe war keine Schönheit. Ihr Brautbild zeigt
einen runden, von reichlichem, zurückgekämmtem Haar umrahmten Kopf mit
kräftigen, fast derben Zügen. Der gut gegliederte Mund deutet auf eine
natürliche Beredsamkeit, die großen, weitgeöffneten Augen auf scharfe Beobach¬
tungsgabe, die leicht gebogne Nase auf selbständiges Urteil. An Bildung
konnte sie sich keineswegs mit den Nürnberger Patriziertöchtern jener Zeit ver¬
gleichen, die kunstvolle Verse schmiedeten und die lateinischen Klassiker lasen,
aber sie schrieb mit ausgebildeter Hand und in klarem, eindringlichem Stil
einen guten deutschen Brief, eine Kunst, die damals keineswegs allgemein war
und auch heute nicht allgemein ist. «sie war aufrichtig fromm und voll Gott¬
vertrauen, auch hatte sie Bescheidenheit und Herzensbildung genug, den hohen
Vorzug als Luthers Gattin zu würdigen. Sie lernte natürlich besser als
irgend wer die kleinen Fehler und Schwächen kennen, die Luther wie jeder
Mensch hatte, aber sie verkannte doch keinen Augenblick in ihm den großen
Reformator, dessen Geistesadel und heiliges Feuer ihn bergehoch emporhob
") Hierauf bezog sich wohl eine Stelle des sonderbaren Briefes, den Melanchthon nach
Luthers Vermählung in griechischer Sprache an Cnmerarius richtete. Der Brief hat in der
Überarbeitung, die im Lorxus rskormatornm vol. I abgedruckt ist, allerdings einen wesentlich
andern Wortlaut als der unverfälschte Text, den W, Meyer in seiner Schrift: „Über die Ori¬
ginale von MelnnchthvnS Briefen an Cnmerarius und MelanchthonS Brief über Luthers Heirat"
(München, 1876) publiziert hat. Nur kann ich das Wort /So/^o/,'«, das Melanchthon auf
Luthers bisheriges Leben anwendet, nicht mit Hausrath als „Posscurciszerei" übersetzen, sondern
es bedeutet hier wie bei dem Glossographeu Pollux „die Vettelhaftigkcit," die Unordnung und
den Staub des mönchischen Lebens, die Luther nun von sich werfen werde. Demnach bedeutet
auch das gegensätzliche »«^vör^vo, das Melanchthon bei Lucher als Frucht des ehelichen
Lebens erwartet, nicht „gemessener," wie Hausrnth übersetzt, sondern „ordentlicher, sauberer."
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