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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Die kulturgeschichtliche Stellung der heutigen Griechen

wie oastrum, tossg,, oamxu8, aux, si^nura, arma, scutum, s^illa., die sich,
wenn auch zum Teil mit veränderten Bedeutungen, bis heut erhalten haben,
fremd sein mußten. Wie tiefgreifend aber dieser zunächst rein militärische Ein¬
fluß auch auf andre Kulturgebiete war, beweist ein Blick auf die übrigen
Gruppen der von den Römern entlehnten Wörter. Man sieht ihnen sofort
an, daß sie zum größten Teil im Gefolge der römischen Legionen ihren Einzug
auf griechischem Boden gehalten haben: die Bezeichnungen für Gemüse, wie
Spinat, Bohne, Roggen, Eppich, sür Tiere, wie Pferd und Maulesel, für
Kleidungsstücke, wie Hemd, Hose, Mantel, Pelz, Kapuze, Ärmel, für Hand¬
werke, wie Fleischer (nebst dem Worte für Wurst!), Bueler und Zimmermann,
für Maße (und Zeitrechnung), alles das sind Dinge, die zu einem Lager ge¬
hörten und uns somit ein Bild geben von dem Leben und Knltureinfluß der
römischen Legionssoldaten.

Aber die Römer hatten auch die höhere Ausbildung des Verwaltungs¬
wesens vor den Griechen voraus, und dieses entfalteten sie in der neuen
Hauptstadt am Bosporus, in Byzanz. Die römische Verwaltung mit ihrem
festen büreaukratischen Gefüge ging auf die Byzantiner über, und mit ihr die
ganze büreaukratische Terminologie. Ist diese auch uach dem Zerfall des
byzantinischen Reichs größtenteils wieder verschwunden, so sind doch noch im
neugriechischen die lateinischen Bezeichnungen für Titel, Feder, Lineal und
Siegel Neste der alten Herrlichkeit.

In der Führung des häuslichen Lebens tritt die Überlegenheit der Römer
ebenfalls hervor in einer Anzahl von Wörtern für das Haus nebst seinen
Teilen und für Wirtschaftsgeräte. Für das erste läßt sich die Einführung
fremder Bezeichnungen für Dinge, die doch den Griechen nicht unbekannt
waren, wie Thür, Treppe, Gitter, Zimmer, Keller, ferner für Geräte wie
Schüssel, Löffel, Becher, Bratspieß, Lampe, Leuchter usw. wohl nur so er¬
klären, daß die Römer in der Konstruktion dieser Teile größere technische Fort¬
schritte gemacht hatten, sodaß die nach Byzanz einwandernden Handwerker dafür
anch römische Bezeichnungen einführen konnten. Die römische Thür, die
römische Treppe, das römische Zimmer müssen eben so viele praktische Vor¬
züge vor den entsprechenden griechischen Teilen gehabt haben, daß die Griechen
deren Einführung als etwas Neues empfanden und demgemäß auch den neuen
Benennungen Einlaß gewährten. Man darf aber nicht glauben, daß die
Römer einen durchgreifenden Einfluß auf die Baukunst der Griechen aus¬
geübt haben, wie etwa bei uns Deutschen, die wir von den Römern überhaupt
erst die Steinbaukunst gelernt haben (vergl. Mauer, Kalk, Ziegel, tünchen, Turme,
Fenster); die Germanen waren ein Naturvolk, als sie mit den Römern in
Berührung kamen, die Griechen dagegen ein altes, wenn auch herunter-
gekommnes Kulturvolk. Das zeigt sich wiederum in der Sprache: die Wörter,
die, wie die eben angeführten, im Deutschen lateinischen Ursprungs sind, blieben


Die kulturgeschichtliche Stellung der heutigen Griechen

wie oastrum, tossg,, oamxu8, aux, si^nura, arma, scutum, s^illa., die sich,
wenn auch zum Teil mit veränderten Bedeutungen, bis heut erhalten haben,
fremd sein mußten. Wie tiefgreifend aber dieser zunächst rein militärische Ein¬
fluß auch auf andre Kulturgebiete war, beweist ein Blick auf die übrigen
Gruppen der von den Römern entlehnten Wörter. Man sieht ihnen sofort
an, daß sie zum größten Teil im Gefolge der römischen Legionen ihren Einzug
auf griechischem Boden gehalten haben: die Bezeichnungen für Gemüse, wie
Spinat, Bohne, Roggen, Eppich, sür Tiere, wie Pferd und Maulesel, für
Kleidungsstücke, wie Hemd, Hose, Mantel, Pelz, Kapuze, Ärmel, für Hand¬
werke, wie Fleischer (nebst dem Worte für Wurst!), Bueler und Zimmermann,
für Maße (und Zeitrechnung), alles das sind Dinge, die zu einem Lager ge¬
hörten und uns somit ein Bild geben von dem Leben und Knltureinfluß der
römischen Legionssoldaten.

Aber die Römer hatten auch die höhere Ausbildung des Verwaltungs¬
wesens vor den Griechen voraus, und dieses entfalteten sie in der neuen
Hauptstadt am Bosporus, in Byzanz. Die römische Verwaltung mit ihrem
festen büreaukratischen Gefüge ging auf die Byzantiner über, und mit ihr die
ganze büreaukratische Terminologie. Ist diese auch uach dem Zerfall des
byzantinischen Reichs größtenteils wieder verschwunden, so sind doch noch im
neugriechischen die lateinischen Bezeichnungen für Titel, Feder, Lineal und
Siegel Neste der alten Herrlichkeit.

In der Führung des häuslichen Lebens tritt die Überlegenheit der Römer
ebenfalls hervor in einer Anzahl von Wörtern für das Haus nebst seinen
Teilen und für Wirtschaftsgeräte. Für das erste läßt sich die Einführung
fremder Bezeichnungen für Dinge, die doch den Griechen nicht unbekannt
waren, wie Thür, Treppe, Gitter, Zimmer, Keller, ferner für Geräte wie
Schüssel, Löffel, Becher, Bratspieß, Lampe, Leuchter usw. wohl nur so er¬
klären, daß die Römer in der Konstruktion dieser Teile größere technische Fort¬
schritte gemacht hatten, sodaß die nach Byzanz einwandernden Handwerker dafür
anch römische Bezeichnungen einführen konnten. Die römische Thür, die
römische Treppe, das römische Zimmer müssen eben so viele praktische Vor¬
züge vor den entsprechenden griechischen Teilen gehabt haben, daß die Griechen
deren Einführung als etwas Neues empfanden und demgemäß auch den neuen
Benennungen Einlaß gewährten. Man darf aber nicht glauben, daß die
Römer einen durchgreifenden Einfluß auf die Baukunst der Griechen aus¬
geübt haben, wie etwa bei uns Deutschen, die wir von den Römern überhaupt
erst die Steinbaukunst gelernt haben (vergl. Mauer, Kalk, Ziegel, tünchen, Turme,
Fenster); die Germanen waren ein Naturvolk, als sie mit den Römern in
Berührung kamen, die Griechen dagegen ein altes, wenn auch herunter-
gekommnes Kulturvolk. Das zeigt sich wiederum in der Sprache: die Wörter,
die, wie die eben angeführten, im Deutschen lateinischen Ursprungs sind, blieben


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[0166] Die kulturgeschichtliche Stellung der heutigen Griechen wie oastrum, tossg,, oamxu8, aux, si^nura, arma, scutum, s^illa., die sich, wenn auch zum Teil mit veränderten Bedeutungen, bis heut erhalten haben, fremd sein mußten. Wie tiefgreifend aber dieser zunächst rein militärische Ein¬ fluß auch auf andre Kulturgebiete war, beweist ein Blick auf die übrigen Gruppen der von den Römern entlehnten Wörter. Man sieht ihnen sofort an, daß sie zum größten Teil im Gefolge der römischen Legionen ihren Einzug auf griechischem Boden gehalten haben: die Bezeichnungen für Gemüse, wie Spinat, Bohne, Roggen, Eppich, sür Tiere, wie Pferd und Maulesel, für Kleidungsstücke, wie Hemd, Hose, Mantel, Pelz, Kapuze, Ärmel, für Hand¬ werke, wie Fleischer (nebst dem Worte für Wurst!), Bueler und Zimmermann, für Maße (und Zeitrechnung), alles das sind Dinge, die zu einem Lager ge¬ hörten und uns somit ein Bild geben von dem Leben und Knltureinfluß der römischen Legionssoldaten. Aber die Römer hatten auch die höhere Ausbildung des Verwaltungs¬ wesens vor den Griechen voraus, und dieses entfalteten sie in der neuen Hauptstadt am Bosporus, in Byzanz. Die römische Verwaltung mit ihrem festen büreaukratischen Gefüge ging auf die Byzantiner über, und mit ihr die ganze büreaukratische Terminologie. Ist diese auch uach dem Zerfall des byzantinischen Reichs größtenteils wieder verschwunden, so sind doch noch im neugriechischen die lateinischen Bezeichnungen für Titel, Feder, Lineal und Siegel Neste der alten Herrlichkeit. In der Führung des häuslichen Lebens tritt die Überlegenheit der Römer ebenfalls hervor in einer Anzahl von Wörtern für das Haus nebst seinen Teilen und für Wirtschaftsgeräte. Für das erste läßt sich die Einführung fremder Bezeichnungen für Dinge, die doch den Griechen nicht unbekannt waren, wie Thür, Treppe, Gitter, Zimmer, Keller, ferner für Geräte wie Schüssel, Löffel, Becher, Bratspieß, Lampe, Leuchter usw. wohl nur so er¬ klären, daß die Römer in der Konstruktion dieser Teile größere technische Fort¬ schritte gemacht hatten, sodaß die nach Byzanz einwandernden Handwerker dafür anch römische Bezeichnungen einführen konnten. Die römische Thür, die römische Treppe, das römische Zimmer müssen eben so viele praktische Vor¬ züge vor den entsprechenden griechischen Teilen gehabt haben, daß die Griechen deren Einführung als etwas Neues empfanden und demgemäß auch den neuen Benennungen Einlaß gewährten. Man darf aber nicht glauben, daß die Römer einen durchgreifenden Einfluß auf die Baukunst der Griechen aus¬ geübt haben, wie etwa bei uns Deutschen, die wir von den Römern überhaupt erst die Steinbaukunst gelernt haben (vergl. Mauer, Kalk, Ziegel, tünchen, Turme, Fenster); die Germanen waren ein Naturvolk, als sie mit den Römern in Berührung kamen, die Griechen dagegen ein altes, wenn auch herunter- gekommnes Kulturvolk. Das zeigt sich wiederum in der Sprache: die Wörter, die, wie die eben angeführten, im Deutschen lateinischen Ursprungs sind, blieben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/166>, abgerufen am 15.01.2025.