Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Angelsachsen und Deutsche in Südamerika gute Bürger heranbilden will. Und zwar ist es neben dem Intellekt die Freilich wird es schwer halten, dem in Deutschland zu einer berechtigten Je mehr das Grvßstadtlebe" bei uns zunimmt, desto mehr brauchen nur Angelsachsen und Deutsche in Südamerika gute Bürger heranbilden will. Und zwar ist es neben dem Intellekt die Freilich wird es schwer halten, dem in Deutschland zu einer berechtigten Je mehr das Grvßstadtlebe» bei uns zunimmt, desto mehr brauchen nur <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0163" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231333"/> <fw type="header" place="top"> Angelsachsen und Deutsche in Südamerika</fw><lb/> <p xml:id="ID_501" prev="#ID_500"> gute Bürger heranbilden will. Und zwar ist es neben dem Intellekt die<lb/> Pflege starker Willens- und Charakterbethätiguug, die Ausprägung kräftiger<lb/> Persönlichkeiten im Gegensatz zu der in unsern höhern Schichten so er¬<lb/> schreckend häufigen „schwachen Persönlichkeit," worauf wir unser Augenmerk zu<lb/> richten haben. Aber man komme hier nicht gleich wieder mit Reformplänen<lb/> für unsre höhern Schulen! Was dabei herauskommt, haben wir gesehen.<lb/> Vielmehr dürfte sich die Errichtung neuer Auslandsghmnasien von Reichs<lb/> wegen empfehlen, wenn man die bisherige Bezeichnung beibehalten will, Inter¬<lb/> naten, die etwa an der Küste der nordischen Meere oder des Bodensees in<lb/> frühern Klöstern und Herrschaftssitzen einzurichten wären. Nur an solchen<lb/> Internaten ist es heutzutage noch möglich, den ganzen Menschen heranzubilden,<lb/> wie ihn der Beruf im Ausland, insbesondre die Thätigkeit in Kolonisations¬<lb/> gebieten verlangt. Die Rückwirkung auf unsre bisherigen höhern Lehranstalten<lb/> wird dann nicht ausbleiben, ebenso würden Einseitigkeiten der neuen Anstalten<lb/> durch die Erfahrungen der alten in Schach gehalten oder wieder ins richtige<lb/> Geleise gebracht werden. Zugleich bedeuteten diese Internate, die vielleicht<lb/> einmal später finanziell auf eigne Füße gestellt werden könnten, eine Verkörpe¬<lb/> rung des Ncichsgedankens, die auch politisch günstige Folgen haben müßte.</p><lb/> <p xml:id="ID_502"> Freilich wird es schwer halten, dem in Deutschland zu einer berechtigten<lb/> Eigentümlichkeit gewordnen Wissensdünkel das ehrliche Geständnis abzuringen,<lb/> daß wir ans dem Gebiete der Erziehung noch viel von den Engländern lernen<lb/> können, ohne dabei auf deren im nationalen Charakter begründete Aus¬<lb/> wüchse verfallen zu müssen. Es ist auch zuzugeben, daß die Geldfrage dabei<lb/> eine große Rolle spielt, doch sollte sie für eine Entscheidung für oder wider<lb/> keineswegs ausschlaggebend in die Wcigschale fallen. Eine größere Kapital¬<lb/> anlage der Eltern wird für die von uns ins Auge gefaßte Auslandscrziehung<lb/> erforderlich sein, wofür aber neben einer bessern Vorbildung sür das Leben<lb/> überhaupt auch eine frühere pekuniäre Selbständigkeit derer, die diese Erziehung<lb/> genossen haben, zu erwarten ist, besonders im Vergleich mit den oft trostlosen<lb/> Anstellungsverhältnissen, unter denen unsre jungen Beamten, Lehrer und teil¬<lb/> weise auch Geistliche im besten Lebensalter zu leiden haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_503"> Je mehr das Grvßstadtlebe» bei uns zunimmt, desto mehr brauchen nur<lb/> auch Schulen sern von dem für eine gesunde Entwicklung der Jugend vielfach<lb/> so nachteiligen Getriebe der großen Städte, die wie die bessern englischen<lb/> Schulen ein Mikrokosmus für sich sind, wo sich der Schüler wie der Er¬<lb/> wachsene in der großen Welt ausleben und alles, was in ihm steckt, heraus¬<lb/> arbeiten kann. Hier gewöhnt er sich im Genusse eines vernünftigen svll-<lb/> Aovsi-llraeirt, daran, sich immer mehr als eine die Verantwortlichkeit für ihr<lb/> Thun und Lasten selbst tragende sittliche Persönlichkeit zu fühlen, und erhält<lb/> damit die beste Vorbildung für feine künftige gerade im Ausland oft große<lb/> Anforderungen an selbständiges Handeln stellende Lebensarbeit.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0163]
Angelsachsen und Deutsche in Südamerika
gute Bürger heranbilden will. Und zwar ist es neben dem Intellekt die
Pflege starker Willens- und Charakterbethätiguug, die Ausprägung kräftiger
Persönlichkeiten im Gegensatz zu der in unsern höhern Schichten so er¬
schreckend häufigen „schwachen Persönlichkeit," worauf wir unser Augenmerk zu
richten haben. Aber man komme hier nicht gleich wieder mit Reformplänen
für unsre höhern Schulen! Was dabei herauskommt, haben wir gesehen.
Vielmehr dürfte sich die Errichtung neuer Auslandsghmnasien von Reichs
wegen empfehlen, wenn man die bisherige Bezeichnung beibehalten will, Inter¬
naten, die etwa an der Küste der nordischen Meere oder des Bodensees in
frühern Klöstern und Herrschaftssitzen einzurichten wären. Nur an solchen
Internaten ist es heutzutage noch möglich, den ganzen Menschen heranzubilden,
wie ihn der Beruf im Ausland, insbesondre die Thätigkeit in Kolonisations¬
gebieten verlangt. Die Rückwirkung auf unsre bisherigen höhern Lehranstalten
wird dann nicht ausbleiben, ebenso würden Einseitigkeiten der neuen Anstalten
durch die Erfahrungen der alten in Schach gehalten oder wieder ins richtige
Geleise gebracht werden. Zugleich bedeuteten diese Internate, die vielleicht
einmal später finanziell auf eigne Füße gestellt werden könnten, eine Verkörpe¬
rung des Ncichsgedankens, die auch politisch günstige Folgen haben müßte.
Freilich wird es schwer halten, dem in Deutschland zu einer berechtigten
Eigentümlichkeit gewordnen Wissensdünkel das ehrliche Geständnis abzuringen,
daß wir ans dem Gebiete der Erziehung noch viel von den Engländern lernen
können, ohne dabei auf deren im nationalen Charakter begründete Aus¬
wüchse verfallen zu müssen. Es ist auch zuzugeben, daß die Geldfrage dabei
eine große Rolle spielt, doch sollte sie für eine Entscheidung für oder wider
keineswegs ausschlaggebend in die Wcigschale fallen. Eine größere Kapital¬
anlage der Eltern wird für die von uns ins Auge gefaßte Auslandscrziehung
erforderlich sein, wofür aber neben einer bessern Vorbildung sür das Leben
überhaupt auch eine frühere pekuniäre Selbständigkeit derer, die diese Erziehung
genossen haben, zu erwarten ist, besonders im Vergleich mit den oft trostlosen
Anstellungsverhältnissen, unter denen unsre jungen Beamten, Lehrer und teil¬
weise auch Geistliche im besten Lebensalter zu leiden haben.
Je mehr das Grvßstadtlebe» bei uns zunimmt, desto mehr brauchen nur
auch Schulen sern von dem für eine gesunde Entwicklung der Jugend vielfach
so nachteiligen Getriebe der großen Städte, die wie die bessern englischen
Schulen ein Mikrokosmus für sich sind, wo sich der Schüler wie der Er¬
wachsene in der großen Welt ausleben und alles, was in ihm steckt, heraus¬
arbeiten kann. Hier gewöhnt er sich im Genusse eines vernünftigen svll-
Aovsi-llraeirt, daran, sich immer mehr als eine die Verantwortlichkeit für ihr
Thun und Lasten selbst tragende sittliche Persönlichkeit zu fühlen, und erhält
damit die beste Vorbildung für feine künftige gerade im Ausland oft große
Anforderungen an selbständiges Handeln stellende Lebensarbeit.
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