Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Angelsachsen und Deutsche in Südamerika streut, unter denen sich hier und da schon der Wunsch nach abermaliger Aus¬ Immer deutlicher tritt hervor, wie das russische Reich sür die künftige Angelsachsen und Deutsche in Südamerika streut, unter denen sich hier und da schon der Wunsch nach abermaliger Aus¬ Immer deutlicher tritt hervor, wie das russische Reich sür die künftige <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0160" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231330"/> <fw type="header" place="top"> Angelsachsen und Deutsche in Südamerika</fw><lb/> <p xml:id="ID_493" prev="#ID_492"> streut, unter denen sich hier und da schon der Wunsch nach abermaliger Aus¬<lb/> wanderung in die That umgesetzt hat. So haben sich Nachkommen der unter<lb/> der Kaiserin Katharina von Rußland an der untern Wolga angesiedelten<lb/> schwäbischen Mennoniten nebst südrussischen Herrnhutern deutscher Abstammung<lb/> in nicht unbeträchtlicher Zahl den südbrasilischen Staaten und Argentinien zu¬<lb/> gewandt. Neben den als tüchtigen Kolonisten geschätzten Schweizern und<lb/> Deutsch-Österreichern kommen sodann Angehörige andrer germanischer, nicht¬<lb/> angelsächsischer Länder, Schweden und Norweger, Dänen, Ballen, Holländer<lb/> (vielleicht auch Buren?) in Betracht. Aber auch Nichtgermcmen, die ein gutes<lb/> oder wenigstens genügendes Kvlonistenmaterial abzugeben versprechen, könnten<lb/> unbedenklich von deutsche» Vesiedluugsgesellschaften herangezogen werden, sofern<lb/> nur sonst das Deutschtum moralisch oder der Kopfzahl nach überwiegt, so<lb/> Italiener aus Welschtirol oder andern Alpenlündern, besonders aber Slawen,<lb/> eine Rasse, die schon eine große Bedeutung für die südamerikanische Einwande¬<lb/> rung erlangt hat. Unter diesen stehn der Zahl nach die Polen voran, dann<lb/> folgen vielleicht die Nuthenen. Auf dem Hochland von Sav Bento in Santa<lb/> Catharina hat der Hamburger Kvlonisationsverein seit 1874 Fabrikarbeiter ans<lb/> Reichenberg in Böhmen angesiedelt, die sich anfangs schwer der Feldarbeit an¬<lb/> paßten, jetzt aber ihr gutes Fortkommen haben. Sodann haben sich schon<lb/> Litauer in Südbrasilien niedergelassen und dort als brauchbare Kolonisten be¬<lb/> währt. Ebenso ist neuerdings Finnland ins Auge zu fassen, wo infolge der<lb/> politischen Ereignisse die Auswanderung nach Amerika lebhaft in Fluß ge¬<lb/> kommen ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_494" next="#ID_495"> Immer deutlicher tritt hervor, wie das russische Reich sür die künftige<lb/> Kolonisation Südamerikas eine ähnliche Rolle zu spielen berufen ist, wie sie<lb/> früher Deutschland für die Besiedlung des nördlichen Kontinents gespielt hat.<lb/> Religiöse und politische Bedrückungen, sowie wirtschaftliche Not trieben im<lb/> Laufe der letzten zwei Jahrhunderte ebenso Scharen von Deutschen über das<lb/> Meer, die uuter angelsächsischer Herrschaft dem jungfräulichen Boden seine<lb/> Schätze abzugewinnen hatten, wie nunmehr aus dem Russeureiche nebst den be¬<lb/> nachbarten polnischen Provinzen Deutschlands und Österreichs jährlich Tausende<lb/> aus ähnlichen Ursachen über Hamburg und Bremen in die Neue Welt ziehn,<lb/> die drüben gleichfalls der Leitung einer höher stehenden Rasse bedürfen. Er¬<lb/> freulich ist es nun, im Gegensatz zu den schmerzlichen Verlusten, die das<lb/> Deutschtum im europäischen Osten erleidet, von der starken germanisierenden<lb/> Kraft zu hören, mit der sich die Deutschen z. B. im südbrasilischcn Staat<lb/> Santa Catharina die slawischen und romanischen Elemente zu assimilieren ver¬<lb/> steh,,. Zu der ganzen buntscheckigen Musterkarte kämen dann noch die Deutschen<lb/> aus den handarbeitenden Klassen hinzu, die unter allen Umstünden zur Aus¬<lb/> wanderung entschlossen sind und teilweise gewiß von der Bevorzugung angel¬<lb/> sächsischer Länder abgehalten werde» könnten. Ihre Zahl ist zur Zeit be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0160]
Angelsachsen und Deutsche in Südamerika
streut, unter denen sich hier und da schon der Wunsch nach abermaliger Aus¬
wanderung in die That umgesetzt hat. So haben sich Nachkommen der unter
der Kaiserin Katharina von Rußland an der untern Wolga angesiedelten
schwäbischen Mennoniten nebst südrussischen Herrnhutern deutscher Abstammung
in nicht unbeträchtlicher Zahl den südbrasilischen Staaten und Argentinien zu¬
gewandt. Neben den als tüchtigen Kolonisten geschätzten Schweizern und
Deutsch-Österreichern kommen sodann Angehörige andrer germanischer, nicht¬
angelsächsischer Länder, Schweden und Norweger, Dänen, Ballen, Holländer
(vielleicht auch Buren?) in Betracht. Aber auch Nichtgermcmen, die ein gutes
oder wenigstens genügendes Kvlonistenmaterial abzugeben versprechen, könnten
unbedenklich von deutsche» Vesiedluugsgesellschaften herangezogen werden, sofern
nur sonst das Deutschtum moralisch oder der Kopfzahl nach überwiegt, so
Italiener aus Welschtirol oder andern Alpenlündern, besonders aber Slawen,
eine Rasse, die schon eine große Bedeutung für die südamerikanische Einwande¬
rung erlangt hat. Unter diesen stehn der Zahl nach die Polen voran, dann
folgen vielleicht die Nuthenen. Auf dem Hochland von Sav Bento in Santa
Catharina hat der Hamburger Kvlonisationsverein seit 1874 Fabrikarbeiter ans
Reichenberg in Böhmen angesiedelt, die sich anfangs schwer der Feldarbeit an¬
paßten, jetzt aber ihr gutes Fortkommen haben. Sodann haben sich schon
Litauer in Südbrasilien niedergelassen und dort als brauchbare Kolonisten be¬
währt. Ebenso ist neuerdings Finnland ins Auge zu fassen, wo infolge der
politischen Ereignisse die Auswanderung nach Amerika lebhaft in Fluß ge¬
kommen ist.
Immer deutlicher tritt hervor, wie das russische Reich sür die künftige
Kolonisation Südamerikas eine ähnliche Rolle zu spielen berufen ist, wie sie
früher Deutschland für die Besiedlung des nördlichen Kontinents gespielt hat.
Religiöse und politische Bedrückungen, sowie wirtschaftliche Not trieben im
Laufe der letzten zwei Jahrhunderte ebenso Scharen von Deutschen über das
Meer, die uuter angelsächsischer Herrschaft dem jungfräulichen Boden seine
Schätze abzugewinnen hatten, wie nunmehr aus dem Russeureiche nebst den be¬
nachbarten polnischen Provinzen Deutschlands und Österreichs jährlich Tausende
aus ähnlichen Ursachen über Hamburg und Bremen in die Neue Welt ziehn,
die drüben gleichfalls der Leitung einer höher stehenden Rasse bedürfen. Er¬
freulich ist es nun, im Gegensatz zu den schmerzlichen Verlusten, die das
Deutschtum im europäischen Osten erleidet, von der starken germanisierenden
Kraft zu hören, mit der sich die Deutschen z. B. im südbrasilischcn Staat
Santa Catharina die slawischen und romanischen Elemente zu assimilieren ver¬
steh,,. Zu der ganzen buntscheckigen Musterkarte kämen dann noch die Deutschen
aus den handarbeitenden Klassen hinzu, die unter allen Umstünden zur Aus¬
wanderung entschlossen sind und teilweise gewiß von der Bevorzugung angel¬
sächsischer Länder abgehalten werde» könnten. Ihre Zahl ist zur Zeit be-
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