Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Angelsachsen und Deutsche in Südamerika lisches Rassevieh und damit eine völlige Verdrängung der deutschen Einfuhr Was sodann Brasilien anlangt, so ist auch hier englisches Kapital be¬ Angelsachsen und Deutsche in Südamerika lisches Rassevieh und damit eine völlige Verdrängung der deutschen Einfuhr Was sodann Brasilien anlangt, so ist auch hier englisches Kapital be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0157" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231327"/> <fw type="header" place="top"> Angelsachsen und Deutsche in Südamerika</fw><lb/> <p xml:id="ID_484" prev="#ID_483"> lisches Rassevieh und damit eine völlige Verdrängung der deutschen Einfuhr<lb/> zu stände zu bringen. Ebenso gelang es allerneustens den Machenschaften der<lb/> englischen Presse, die Ausführung zweier anssichtsvollen Eisenbahnlinien, die<lb/> schon in deutschen Händen waren, diesen wieder zu entreißen, sodaß, wenigstens<lb/> vorläufig, nur noch der Bau einer kleinen Teilstrecke von dem ganzen Projekt<lb/> übrig bleibt. Freilich stehn diesen Erfolgen auch wieder bedeutende finanzielle<lb/> Mißerfolge gegenüber. Wohl in der Erwartung, die Nationalregierung werde<lb/> im Falle des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit der Provinzen Bürgschaft<lb/> übernehmen, haben sich die Engländer mit Darlehen in einer Weise eingelassen,<lb/> daß sie in absehbarer Zeit nicht ans eine angemessene Tilgung der Zinsschuld<lb/> oder auf Amortisation rechnen können. Wir entnehmen diese Angaben teilweise<lb/> dem neusten über Argentinien erschienenen Vnche von P. Martens „Südamerika<lb/> nnter besondrer Berücksichtigung Argentiniens" (Berlin, Johannes Rüde, 1898),<lb/> das sich fast ausschließlich mit diesem Staate beschäftigt, und dessen Verfasser<lb/> als früherer Leiter mehrerer in Buenos Aires erscheinenden deutschen Zeitungen<lb/> reichlich Gelegenheit gehabt hat, die Verhältnisse an der Quelle zu studieren.</p><lb/> <p xml:id="ID_485" next="#ID_486"> Was sodann Brasilien anlangt, so ist auch hier englisches Kapital be¬<lb/> sonders im Norden und in den Zentralprovinzen an der wirtschaftlichen Er¬<lb/> schließung des Landes stark beteiligt, während die südbrasilischen Staaten erst<lb/> kürzlich wieder von englischen Sachverständigen ihren Landsleuten als günstiges<lb/> Kolonisationsgebiet empfohlen worden sind. Ganz besonders fällt aber für Eng¬<lb/> lands Beziehungen zu Brasilien das Schuldverhciltnis des Bundesschatzes zur<lb/> Londoner Nvthschildgruppc in die Wagschale, die der einzige europäische Gläubiger<lb/> der brasilische» Union ist. Dem Schuldner wurden durch das letzte Abkommen<lb/> drei Jahre Frist gewährt, die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen, wovon<lb/> ein Jahr bald abgelaufen sein wird. Gelingt dies in diesem Zeitraum nicht,<lb/> so droht der Bankrott oder die Verpachtung eines Teils der Bundesbahnen,<lb/> der sogenannten Zentralbahn, als Pfandgegenstand. Diese Maßregel aber<lb/> würde auf große Schwierigkeiten stoßen, da die im Falle der Übernahme durch<lb/> die Gläubiger durchaus notwendige Entlassung der vielen Tausende von An¬<lb/> gestellten, die ihren mit wenig Arbeit belasteten Posten meist der Güte irgend<lb/> eines einflußreichen Politikers verdanken, mit allem, was drum und dran hängt,<lb/> nicht ohne Erschütterung des ganzen Stantskörpers vor sich gehn würde. Auch<lb/> eine Mehrbelastung der einzelnen Staaten könnte bei der schon bestehenden<lb/> Spannung zwischen der Bundesleitung und der Regierung verschiedner Einzel¬<lb/> staaten — es sei hier nur Rio Grande do Sri genannt — diese den auf eine völlige<lb/> Losreißung von der Union hinarbeitenden Parteien in die Arme treiben und so<lb/> den Kredit der Union nur noch mehr schädigen. Nun brauchen wir uns aller¬<lb/> dings nicht die Köpfe der Gebrüder Rothschild über die Frage zu zerbrechen,<lb/> wie diese zu ihrem Gelde kommen werden. Aber die Möglichkeit kann uns<lb/> nicht gleichgiltig sein, daß sich Großbritannien der gefährdeten Interessen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0157]
Angelsachsen und Deutsche in Südamerika
lisches Rassevieh und damit eine völlige Verdrängung der deutschen Einfuhr
zu stände zu bringen. Ebenso gelang es allerneustens den Machenschaften der
englischen Presse, die Ausführung zweier anssichtsvollen Eisenbahnlinien, die
schon in deutschen Händen waren, diesen wieder zu entreißen, sodaß, wenigstens
vorläufig, nur noch der Bau einer kleinen Teilstrecke von dem ganzen Projekt
übrig bleibt. Freilich stehn diesen Erfolgen auch wieder bedeutende finanzielle
Mißerfolge gegenüber. Wohl in der Erwartung, die Nationalregierung werde
im Falle des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit der Provinzen Bürgschaft
übernehmen, haben sich die Engländer mit Darlehen in einer Weise eingelassen,
daß sie in absehbarer Zeit nicht ans eine angemessene Tilgung der Zinsschuld
oder auf Amortisation rechnen können. Wir entnehmen diese Angaben teilweise
dem neusten über Argentinien erschienenen Vnche von P. Martens „Südamerika
nnter besondrer Berücksichtigung Argentiniens" (Berlin, Johannes Rüde, 1898),
das sich fast ausschließlich mit diesem Staate beschäftigt, und dessen Verfasser
als früherer Leiter mehrerer in Buenos Aires erscheinenden deutschen Zeitungen
reichlich Gelegenheit gehabt hat, die Verhältnisse an der Quelle zu studieren.
Was sodann Brasilien anlangt, so ist auch hier englisches Kapital be¬
sonders im Norden und in den Zentralprovinzen an der wirtschaftlichen Er¬
schließung des Landes stark beteiligt, während die südbrasilischen Staaten erst
kürzlich wieder von englischen Sachverständigen ihren Landsleuten als günstiges
Kolonisationsgebiet empfohlen worden sind. Ganz besonders fällt aber für Eng¬
lands Beziehungen zu Brasilien das Schuldverhciltnis des Bundesschatzes zur
Londoner Nvthschildgruppc in die Wagschale, die der einzige europäische Gläubiger
der brasilische» Union ist. Dem Schuldner wurden durch das letzte Abkommen
drei Jahre Frist gewährt, die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen, wovon
ein Jahr bald abgelaufen sein wird. Gelingt dies in diesem Zeitraum nicht,
so droht der Bankrott oder die Verpachtung eines Teils der Bundesbahnen,
der sogenannten Zentralbahn, als Pfandgegenstand. Diese Maßregel aber
würde auf große Schwierigkeiten stoßen, da die im Falle der Übernahme durch
die Gläubiger durchaus notwendige Entlassung der vielen Tausende von An¬
gestellten, die ihren mit wenig Arbeit belasteten Posten meist der Güte irgend
eines einflußreichen Politikers verdanken, mit allem, was drum und dran hängt,
nicht ohne Erschütterung des ganzen Stantskörpers vor sich gehn würde. Auch
eine Mehrbelastung der einzelnen Staaten könnte bei der schon bestehenden
Spannung zwischen der Bundesleitung und der Regierung verschiedner Einzel¬
staaten — es sei hier nur Rio Grande do Sri genannt — diese den auf eine völlige
Losreißung von der Union hinarbeitenden Parteien in die Arme treiben und so
den Kredit der Union nur noch mehr schädigen. Nun brauchen wir uns aller¬
dings nicht die Köpfe der Gebrüder Rothschild über die Frage zu zerbrechen,
wie diese zu ihrem Gelde kommen werden. Aber die Möglichkeit kann uns
nicht gleichgiltig sein, daß sich Großbritannien der gefährdeten Interessen
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