Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Die Zusammensetzung der Bevölkerung des Deutschen Reichs der Zunahme betroffen worden und wiederum recht verschieden die beiden Ge¬ 1895 1882 Männliche .... 640945 550930 Weibliche .... 202V10 150072 Das macht für die Männer ein Wachstum von bloß 16,3, für die Frauen Anders als um Industrie und Handel steht es um die Landwirtschaft. Die Zusammensetzung der Bevölkerung des Deutschen Reichs der Zunahme betroffen worden und wiederum recht verschieden die beiden Ge¬ 1895 1882 Männliche .... 640945 550930 Weibliche .... 202V10 150072 Das macht für die Männer ein Wachstum von bloß 16,3, für die Frauen Anders als um Industrie und Handel steht es um die Landwirtschaft. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0142" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231312"/> <fw type="header" place="top"> Die Zusammensetzung der Bevölkerung des Deutschen Reichs</fw><lb/> <p xml:id="ID_403" prev="#ID_402" next="#ID_404"> der Zunahme betroffen worden und wiederum recht verschieden die beiden Ge¬<lb/> schlechter. So wurden gezählt:</p><lb/> <list> <item> 1895 1882</item> <item> Männliche .... 640945 550930</item> <item> Weibliche .... 202V10 150072</item> </list><lb/> <p xml:id="ID_404" prev="#ID_403"> Das macht für die Männer ein Wachstum von bloß 16,3, für die Frauen<lb/> von 37,5 Prozent aus. Jedenfalls bleibt aber das Wachstum der selb¬<lb/> ständigen weit hinter dem der niedern Hilfspersonen zurück, zumal da auch die<lb/> höhern um 85,0 Prozent zugenommen haben. Die beträchtliche Zahl der von<lb/> Frauen geleiteten Handels- und Verkehrsuuternehmungen und ihre starke Ent¬<lb/> wicklung weist zugleich auf eine wohl oftmals ungesunde Ausdehnung der Ver¬<lb/> teilungsgewerbe hin. Je mehr das ganze volkswirtschaftliche Getriebe ver¬<lb/> wickelter, die Bevölkerung dichter wird, um so mehr pflegt sich freilich das<lb/> Bedürfnis nach Absatzvcrmittlung herauszustellen. Aber seine Befriedigung<lb/> schießt auch leicht über das Ziel hinaus, namentlich in Zeiten erschwerter Er¬<lb/> werbslage. Da wird von Frauen und besonders Witwen und auch sonst von<lb/> bejahrten Leuten, denen die Kräfte zu anstrengenden Arbeiten abgehen, und<lb/> die früher einem andern Berufe obgelegen haben, mit Vorliebe Zuflucht zu<lb/> kleinen Ladengeschäften und Schankwirtschasten genommen, um aus ihnen ohne<lb/> viel Anstrengung den dürftigen Unterhalt zu gewinnen, die aber, ohne Kapital<lb/> und Geschäftskenntnisse geführt, häufig genug nur ein kurzes Dasein fristen<lb/> und der Güterverteilung im ganzen wenig gute Dienste leisten. Und nach<lb/> dieser minder erfreulichen Seite hin scheint die Bewegung der vom Handel<lb/> lebenden Bevölkerung in Deutschland neuerlich Fortschritte gemacht zu haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_405" next="#ID_406"> Anders als um Industrie und Handel steht es um die Landwirtschaft.<lb/> Hier haben sich Anteil und Anzahl der selbständigen vermehrt, die der niedern<lb/> Gehilfen vermindert. Durch Zerschlagung größerer Güter, stellenweise durch<lb/> Übergang zu einer kleinen Betriebssorm wird wohl einem gewissen beschränkten<lb/> Bruchteil der ländlichen Bevölkerung die selbständige Ausübung des land¬<lb/> wirtschaftlichen Betriebes neu ermöglicht worden sein. Das bedeutet aber wenig<lb/> oder gar nichts für die große Menge des landwirtschaftlichen Arbeiterstandes.<lb/> Wer in ein industrielles oder handeltreibendes Gewerbe als HilfsPerson ein¬<lb/> tritt, thut es, wenn auch gewiß nicht durchweg, so doch immerhin in größerm<lb/> Umfange, in der Absicht und Hoffnung, dereinst denselben Beruf in selb¬<lb/> ständiger Stellung auf eigne Rechnung zu betreiben. Die Aussicht wie die<lb/> Annahme ist für die allermeisten landwirtschaftlichen HilfsPersonen überhaupt<lb/> nicht vorhanden. Die selbständige Berufsausübung findet in der bestehenden<lb/> Grundbesitzverteilung ihre Grenzen, setzt zudem Betriebsmittel voraus, wie sie<lb/> dxn Hilfspersonen in der Regel abgehen. Für die niedern landwirtschaftlichen<lb/> Verrichtungen hat sich daher ein Arbeiterstand gebildet, der mehr als in andern<lb/> Berufskreisen durch die Umstünde in diesem festgehalten wird. Mag es ihnen<lb/> gelingen, durch nebenher betriebne Bewirtschaftung von etwas Grundbesitz<lb/> ihre Lage zu verbessern, ihrem Hauptberufe nach werden diese Leute regelmäßig<lb/> Arbeiter bleiben. Und wo ihnen die Möglichkeit fehlt, insbesondre durch kleinen<lb/> Eigenbetrieb in gesichertere, zusagendere Verhältnisse zu gelangen, werden sie<lb/> es vielfach vorziehen, zu andern Verufszweigen überzugehen, namentlich zu<lb/> industriellen, wenn sich diese des Gedeihens erfreuen. Auch dafür sprechen die<lb/> Zählungsergebnisse, insofern als sie darthun, daß sich die niedern Hilfspersonen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0142]
Die Zusammensetzung der Bevölkerung des Deutschen Reichs
der Zunahme betroffen worden und wiederum recht verschieden die beiden Ge¬
schlechter. So wurden gezählt:
1895 1882
Männliche .... 640945 550930
Weibliche .... 202V10 150072
Das macht für die Männer ein Wachstum von bloß 16,3, für die Frauen
von 37,5 Prozent aus. Jedenfalls bleibt aber das Wachstum der selb¬
ständigen weit hinter dem der niedern Hilfspersonen zurück, zumal da auch die
höhern um 85,0 Prozent zugenommen haben. Die beträchtliche Zahl der von
Frauen geleiteten Handels- und Verkehrsuuternehmungen und ihre starke Ent¬
wicklung weist zugleich auf eine wohl oftmals ungesunde Ausdehnung der Ver¬
teilungsgewerbe hin. Je mehr das ganze volkswirtschaftliche Getriebe ver¬
wickelter, die Bevölkerung dichter wird, um so mehr pflegt sich freilich das
Bedürfnis nach Absatzvcrmittlung herauszustellen. Aber seine Befriedigung
schießt auch leicht über das Ziel hinaus, namentlich in Zeiten erschwerter Er¬
werbslage. Da wird von Frauen und besonders Witwen und auch sonst von
bejahrten Leuten, denen die Kräfte zu anstrengenden Arbeiten abgehen, und
die früher einem andern Berufe obgelegen haben, mit Vorliebe Zuflucht zu
kleinen Ladengeschäften und Schankwirtschasten genommen, um aus ihnen ohne
viel Anstrengung den dürftigen Unterhalt zu gewinnen, die aber, ohne Kapital
und Geschäftskenntnisse geführt, häufig genug nur ein kurzes Dasein fristen
und der Güterverteilung im ganzen wenig gute Dienste leisten. Und nach
dieser minder erfreulichen Seite hin scheint die Bewegung der vom Handel
lebenden Bevölkerung in Deutschland neuerlich Fortschritte gemacht zu haben.
Anders als um Industrie und Handel steht es um die Landwirtschaft.
Hier haben sich Anteil und Anzahl der selbständigen vermehrt, die der niedern
Gehilfen vermindert. Durch Zerschlagung größerer Güter, stellenweise durch
Übergang zu einer kleinen Betriebssorm wird wohl einem gewissen beschränkten
Bruchteil der ländlichen Bevölkerung die selbständige Ausübung des land¬
wirtschaftlichen Betriebes neu ermöglicht worden sein. Das bedeutet aber wenig
oder gar nichts für die große Menge des landwirtschaftlichen Arbeiterstandes.
Wer in ein industrielles oder handeltreibendes Gewerbe als HilfsPerson ein¬
tritt, thut es, wenn auch gewiß nicht durchweg, so doch immerhin in größerm
Umfange, in der Absicht und Hoffnung, dereinst denselben Beruf in selb¬
ständiger Stellung auf eigne Rechnung zu betreiben. Die Aussicht wie die
Annahme ist für die allermeisten landwirtschaftlichen HilfsPersonen überhaupt
nicht vorhanden. Die selbständige Berufsausübung findet in der bestehenden
Grundbesitzverteilung ihre Grenzen, setzt zudem Betriebsmittel voraus, wie sie
dxn Hilfspersonen in der Regel abgehen. Für die niedern landwirtschaftlichen
Verrichtungen hat sich daher ein Arbeiterstand gebildet, der mehr als in andern
Berufskreisen durch die Umstünde in diesem festgehalten wird. Mag es ihnen
gelingen, durch nebenher betriebne Bewirtschaftung von etwas Grundbesitz
ihre Lage zu verbessern, ihrem Hauptberufe nach werden diese Leute regelmäßig
Arbeiter bleiben. Und wo ihnen die Möglichkeit fehlt, insbesondre durch kleinen
Eigenbetrieb in gesichertere, zusagendere Verhältnisse zu gelangen, werden sie
es vielfach vorziehen, zu andern Verufszweigen überzugehen, namentlich zu
industriellen, wenn sich diese des Gedeihens erfreuen. Auch dafür sprechen die
Zählungsergebnisse, insofern als sie darthun, daß sich die niedern Hilfspersonen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |