Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Die Zusammensetzung der Bevölkerung des Deutschen Reichs erscheint der Entwicklungsgang für die Kräfteverteilung bedeutsam genug, sich Deutschland hebt sich in dieser Zusammensetzung merklich von dem benach¬ Die Verteilung, die das Reich in seiner Gesamtheit zu erkennen giebt, Aber auch unter einander unterscheiden sich die Städte in ihrer Berufs¬ ') Unter Ausscheidung der Tagelöhner mit wechselnder Beschäftigung, die für beide Zah¬
lungen verschieden behandelt worden sind. Die Zusammensetzung der Bevölkerung des Deutschen Reichs erscheint der Entwicklungsgang für die Kräfteverteilung bedeutsam genug, sich Deutschland hebt sich in dieser Zusammensetzung merklich von dem benach¬ Die Verteilung, die das Reich in seiner Gesamtheit zu erkennen giebt, Aber auch unter einander unterscheiden sich die Städte in ihrer Berufs¬ ') Unter Ausscheidung der Tagelöhner mit wechselnder Beschäftigung, die für beide Zah¬
lungen verschieden behandelt worden sind. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0133" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231303"/> <fw type="header" place="top"> Die Zusammensetzung der Bevölkerung des Deutschen Reichs</fw><lb/> <p xml:id="ID_375" prev="#ID_374"> erscheint der Entwicklungsgang für die Kräfteverteilung bedeutsam genug, sich<lb/> fühlbar zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_376"> Deutschland hebt sich in dieser Zusammensetzung merklich von dem benach¬<lb/> barten eisleithanischcn Österreich ab, wo doch noch 1890: 55,9 Prozent auf<lb/> die Landwirtschaft und bloß 25,8 Prozent auf die Industrie entfielen; aber<lb/> es kündet sich auch hier dieselbe Bewegung an, da 1880 die Landwirtschaft<lb/> 59,5 Prozent ausmachte.^) Von den übrigen Bernfsabteilungen tritt nur<lb/> noch ansehnlich, mit reichlich einem Zehntel, Handel und Verkehr hervor, der<lb/> ebenfalls beinahe um anderthalb Millionen zugenommen hat. Wenn ferner<lb/> anch der öffentliche Dienst mit Einschluß der freien Berufsarten und die Zahl<lb/> der Berufslosen ziemlich kräftig gewachsen sind, so rührt das dort schon von<lb/> der Vermehrung her, die seit 1882 bekanntlich das Heer erfahren hat, hier<lb/> wesentlich einesteils von der durch die Versicherungsgesetzgebung herbeigeführten<lb/> Erweiterung der Zahl der Rcnteubezieher, andernteils von genauerer Aus¬<lb/> scheidung der hierher gehörigen Bevölkerungsteile, so namentlich der nicht bei<lb/> ihren Angehörigen lebenden Zöglinge von Bildungsanstalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_377"> Die Verteilung, die das Reich in seiner Gesamtheit zu erkennen giebt,<lb/> erfährt nun aber höchst bedeutende und wichtige Verschiebungen, je nach¬<lb/> dem es sich um eine größere oder geringere Dichtigkeit der Bevölkerung an<lb/> den einzelnen Wohnplätzen handelt. Wie der Grad der Verdichtung das ganze<lb/> gesellschaftliche Leben eigentümlich gestaltet, so bringt er mit sich und erheischt<lb/> zugleich eine entsprechende Gliederung der Bevölkerung in allem, was Beruf<lb/> und Erwerb angeht; ja diese verleiht dem örtlichen Getriebe erst das be¬<lb/> zeichnende Gepräge. Die vorstehenden Zahlen weisen deutlich darauf hin.<lb/> Einmal und besonders augenfällig erscheinen die Städte und das platte<lb/> Land, d. h. hier die Gemeinden über und unter zweitausend Einwohner, als<lb/> scharfe Gegensätze. Diese bestehen darin, daß in den ländlichen Orten begreif¬<lb/> licherweise die Landwirtschaft und die übrigen Gewerbe der Urproduktion, die<lb/> Forstwirtschaft, die Tierzucht, die Gärtnerei und Fischerei, unbedingt und derart<lb/> vorherrschen, daß ihnen gegen zwei Drittel aller Bewohner zugehören. Und<lb/> zugleich hat diese Abteilung hier eine Besetzung, wie ihr keine der übrigen<lb/> in den Städten annähernd gleichkommt, während die städtische Landwirtschaft<lb/> kaum ein Fünftel der des platten Landes ausmacht. Dagegen überragen<lb/> die Städte in allen sonstigen Abteilungen sichtlich die ländlichen Orte. Vor¬<lb/> zugsweise trifft das für den öffentlichen Dienst und die freien Berufsarten<lb/> wie für wechselnde Lohnarbeit zu, die in hervorragendem Maße Berufszweige<lb/> städtischer Art sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_378" next="#ID_379"> Aber auch unter einander unterscheiden sich die Städte in ihrer Berufs¬<lb/> gliederung, je nachdem sie mehr oder weniger bevölkert sind. Bei der Land¬<lb/> wirtschaft und bei den Handelsgewerben verläuft die Besetzung in ununter-<lb/> brochner Abstufung von den Großstädten (über 100000 Einwohner) zu den<lb/> Mittelstädten (20000 bis 100000), von diesen zu den Kleinstädter (5000 bis<lb/> 20000) und Landstädten (2000 bis 5000) und weiter dann bis zu den Landge¬<lb/> meinden hinab — freilich bei beiden in entgegengesetzter Richtung, insofern der<lb/> landwirtschaftliche Anteil mit der losem Art des Zusammenlebens steigt, der der<lb/> vom Handel und Verkehr lebenden Bevölkerung aber sällt. Beide Erscheinungen<lb/> liegen ja auf der Hand: wie die Landwirtschaft zu ihrer Entfaltung weiten</p><lb/> <note xml:id="FID_33" place="foot"> ') Unter Ausscheidung der Tagelöhner mit wechselnder Beschäftigung, die für beide Zah¬<lb/> lungen verschieden behandelt worden sind.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0133]
Die Zusammensetzung der Bevölkerung des Deutschen Reichs
erscheint der Entwicklungsgang für die Kräfteverteilung bedeutsam genug, sich
fühlbar zu machen.
Deutschland hebt sich in dieser Zusammensetzung merklich von dem benach¬
barten eisleithanischcn Österreich ab, wo doch noch 1890: 55,9 Prozent auf
die Landwirtschaft und bloß 25,8 Prozent auf die Industrie entfielen; aber
es kündet sich auch hier dieselbe Bewegung an, da 1880 die Landwirtschaft
59,5 Prozent ausmachte.^) Von den übrigen Bernfsabteilungen tritt nur
noch ansehnlich, mit reichlich einem Zehntel, Handel und Verkehr hervor, der
ebenfalls beinahe um anderthalb Millionen zugenommen hat. Wenn ferner
anch der öffentliche Dienst mit Einschluß der freien Berufsarten und die Zahl
der Berufslosen ziemlich kräftig gewachsen sind, so rührt das dort schon von
der Vermehrung her, die seit 1882 bekanntlich das Heer erfahren hat, hier
wesentlich einesteils von der durch die Versicherungsgesetzgebung herbeigeführten
Erweiterung der Zahl der Rcnteubezieher, andernteils von genauerer Aus¬
scheidung der hierher gehörigen Bevölkerungsteile, so namentlich der nicht bei
ihren Angehörigen lebenden Zöglinge von Bildungsanstalten.
Die Verteilung, die das Reich in seiner Gesamtheit zu erkennen giebt,
erfährt nun aber höchst bedeutende und wichtige Verschiebungen, je nach¬
dem es sich um eine größere oder geringere Dichtigkeit der Bevölkerung an
den einzelnen Wohnplätzen handelt. Wie der Grad der Verdichtung das ganze
gesellschaftliche Leben eigentümlich gestaltet, so bringt er mit sich und erheischt
zugleich eine entsprechende Gliederung der Bevölkerung in allem, was Beruf
und Erwerb angeht; ja diese verleiht dem örtlichen Getriebe erst das be¬
zeichnende Gepräge. Die vorstehenden Zahlen weisen deutlich darauf hin.
Einmal und besonders augenfällig erscheinen die Städte und das platte
Land, d. h. hier die Gemeinden über und unter zweitausend Einwohner, als
scharfe Gegensätze. Diese bestehen darin, daß in den ländlichen Orten begreif¬
licherweise die Landwirtschaft und die übrigen Gewerbe der Urproduktion, die
Forstwirtschaft, die Tierzucht, die Gärtnerei und Fischerei, unbedingt und derart
vorherrschen, daß ihnen gegen zwei Drittel aller Bewohner zugehören. Und
zugleich hat diese Abteilung hier eine Besetzung, wie ihr keine der übrigen
in den Städten annähernd gleichkommt, während die städtische Landwirtschaft
kaum ein Fünftel der des platten Landes ausmacht. Dagegen überragen
die Städte in allen sonstigen Abteilungen sichtlich die ländlichen Orte. Vor¬
zugsweise trifft das für den öffentlichen Dienst und die freien Berufsarten
wie für wechselnde Lohnarbeit zu, die in hervorragendem Maße Berufszweige
städtischer Art sind.
Aber auch unter einander unterscheiden sich die Städte in ihrer Berufs¬
gliederung, je nachdem sie mehr oder weniger bevölkert sind. Bei der Land¬
wirtschaft und bei den Handelsgewerben verläuft die Besetzung in ununter-
brochner Abstufung von den Großstädten (über 100000 Einwohner) zu den
Mittelstädten (20000 bis 100000), von diesen zu den Kleinstädter (5000 bis
20000) und Landstädten (2000 bis 5000) und weiter dann bis zu den Landge¬
meinden hinab — freilich bei beiden in entgegengesetzter Richtung, insofern der
landwirtschaftliche Anteil mit der losem Art des Zusammenlebens steigt, der der
vom Handel und Verkehr lebenden Bevölkerung aber sällt. Beide Erscheinungen
liegen ja auf der Hand: wie die Landwirtschaft zu ihrer Entfaltung weiten
') Unter Ausscheidung der Tagelöhner mit wechselnder Beschäftigung, die für beide Zah¬
lungen verschieden behandelt worden sind.
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