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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Line Frühlingsfahrt nach den Abruzzen und nach Apulien

Gebirges steigt sie in einer langen schrägen Linie, fast Schwindelerregend, zu
gewaltiger Höhe empor, die Ebene von Corfinium tief unter sich lassend. Bei
Goriano sieou überschreitet sie in einem langen Tunnel die Wasserscheide
zwischen dem Adriatischen und dem Tyrrhenischen Meere. Bald geht es abwärts,
neue Bilder entwickeln sich, bis sich endlich das wundervolle Panorama des
ehemaligen Fueiner Sees, einer 700 Meter über dem Meere liegenden hollän¬
dischen Flachlandschaft, die von Bergen bis zu 2500 Meter Höhe rings um¬
geben ist, vor uns eröffnet. Die Fahrt, die nun bis Avezzcmo folgt, kann
zu den prächtigsten Italiens gezählt werden. Von einer nähern Schilderung
aber muß ich hier absehen, da diese Blätter im vorigen Jahres über den See
berichtet haben. Auch die Schönheit des Liristhales, das wir von Avezzano
aus besuchten, soll jetzt nicht von neuem gepriesen werden. Ich kann das, was
Professor Schmidt den Lesern der Grenzboten über sie erzählt hat, bestätigen
und muß meiner Verwunderung Ausdruck geben, daß dieses herrliche Thal
von dem großen Strome der Jtalienfahrer bisher so arg vernachlässigt worden
ist. Von Capistrello bis Sora welche Fülle von Abwechslung! Dann Isola,
Arpino, Casamari -- es ist unmöglich, dieser Orte zu gedenken, ohne die
Wonnen leibhaftigen Schaums nochmals zu empfinden.

Von hier ab wandten wir uns bekanntern Gegenden zu. Wer hat nicht
von den Wasserfüllen in Tivoli, der Villa d'Este und dem einzigen Zauber des
Albanergebirges gehört! Unauslöschlich prägt sich jedem Romfahrer der Linien-
zug des Monte Cavo, der zweithöchsten Spitze in dieser vulkanischen Erhebung,
ein, der einst das Heiligtum des Jupiter Latiaris trug, und der die Pseudo-
triumphatoren bei sich begrüßte, denen der römische Senat nach erfolgreichem
Feldzuge aus irgendwelchen Gründen den feierlichen Triumpheinzug in Rom
selbst verweigert hatte. Hier auf diesem erinnerungs- und aussichtsreichen
Berge einmal längere Zeit weilen zu können war lange ein stiller Wunsch
meines Herzens gewesen. Es war das früher nicht ohne weiteres zu erreichen.
Den Gipfel des Berges nahm ein Pasfionistenkloster ein, das zwar Unterkunft
gewährte, jedoch nur vorübergehend und in recht dürftiger Art.**) In dem
etwas unterhalb am Rande des Kraters sich auftürmenden Felsennest Noccci
ti Papa aber war es seit alters nicht recht geheuer. Ein wildes Volk haust
dort, vulkanischem Boden entsprossen, siedendes Blut in seinen Adern. In
unzähligen Romanen und Novellen spielt es eine Rolle; noch Richard Voß
bietet uns in seiner "Maria Botel" (bei Reclam erschienen) eine anschauliche
und fesselnde Schilderung von diesen Menschen und der großen Schönheit des
von ihnen bewohnten Stücks Erde.




*) Frühlingstage am Garigliano, Von O, E, Schmidt (Grenzboten Ur, 32 bis 85),
Seit kurzem haben die Passionistcn den Berg verlassen und haben sich in einem neuen
prächtigern Gebäude bei Grottaferrata angesiedelt, Ihre alten Räumlichkeiten sind zu einem
Kasthaus umgestaltet, worin man auch für längere Zeit Sommerfrische genießen kann.
Line Frühlingsfahrt nach den Abruzzen und nach Apulien

Gebirges steigt sie in einer langen schrägen Linie, fast Schwindelerregend, zu
gewaltiger Höhe empor, die Ebene von Corfinium tief unter sich lassend. Bei
Goriano sieou überschreitet sie in einem langen Tunnel die Wasserscheide
zwischen dem Adriatischen und dem Tyrrhenischen Meere. Bald geht es abwärts,
neue Bilder entwickeln sich, bis sich endlich das wundervolle Panorama des
ehemaligen Fueiner Sees, einer 700 Meter über dem Meere liegenden hollän¬
dischen Flachlandschaft, die von Bergen bis zu 2500 Meter Höhe rings um¬
geben ist, vor uns eröffnet. Die Fahrt, die nun bis Avezzcmo folgt, kann
zu den prächtigsten Italiens gezählt werden. Von einer nähern Schilderung
aber muß ich hier absehen, da diese Blätter im vorigen Jahres über den See
berichtet haben. Auch die Schönheit des Liristhales, das wir von Avezzano
aus besuchten, soll jetzt nicht von neuem gepriesen werden. Ich kann das, was
Professor Schmidt den Lesern der Grenzboten über sie erzählt hat, bestätigen
und muß meiner Verwunderung Ausdruck geben, daß dieses herrliche Thal
von dem großen Strome der Jtalienfahrer bisher so arg vernachlässigt worden
ist. Von Capistrello bis Sora welche Fülle von Abwechslung! Dann Isola,
Arpino, Casamari — es ist unmöglich, dieser Orte zu gedenken, ohne die
Wonnen leibhaftigen Schaums nochmals zu empfinden.

Von hier ab wandten wir uns bekanntern Gegenden zu. Wer hat nicht
von den Wasserfüllen in Tivoli, der Villa d'Este und dem einzigen Zauber des
Albanergebirges gehört! Unauslöschlich prägt sich jedem Romfahrer der Linien-
zug des Monte Cavo, der zweithöchsten Spitze in dieser vulkanischen Erhebung,
ein, der einst das Heiligtum des Jupiter Latiaris trug, und der die Pseudo-
triumphatoren bei sich begrüßte, denen der römische Senat nach erfolgreichem
Feldzuge aus irgendwelchen Gründen den feierlichen Triumpheinzug in Rom
selbst verweigert hatte. Hier auf diesem erinnerungs- und aussichtsreichen
Berge einmal längere Zeit weilen zu können war lange ein stiller Wunsch
meines Herzens gewesen. Es war das früher nicht ohne weiteres zu erreichen.
Den Gipfel des Berges nahm ein Pasfionistenkloster ein, das zwar Unterkunft
gewährte, jedoch nur vorübergehend und in recht dürftiger Art.**) In dem
etwas unterhalb am Rande des Kraters sich auftürmenden Felsennest Noccci
ti Papa aber war es seit alters nicht recht geheuer. Ein wildes Volk haust
dort, vulkanischem Boden entsprossen, siedendes Blut in seinen Adern. In
unzähligen Romanen und Novellen spielt es eine Rolle; noch Richard Voß
bietet uns in seiner „Maria Botel" (bei Reclam erschienen) eine anschauliche
und fesselnde Schilderung von diesen Menschen und der großen Schönheit des
von ihnen bewohnten Stücks Erde.




*) Frühlingstage am Garigliano, Von O, E, Schmidt (Grenzboten Ur, 32 bis 85),
Seit kurzem haben die Passionistcn den Berg verlassen und haben sich in einem neuen
prächtigern Gebäude bei Grottaferrata angesiedelt, Ihre alten Räumlichkeiten sind zu einem
Kasthaus umgestaltet, worin man auch für längere Zeit Sommerfrische genießen kann.
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[0128] Line Frühlingsfahrt nach den Abruzzen und nach Apulien Gebirges steigt sie in einer langen schrägen Linie, fast Schwindelerregend, zu gewaltiger Höhe empor, die Ebene von Corfinium tief unter sich lassend. Bei Goriano sieou überschreitet sie in einem langen Tunnel die Wasserscheide zwischen dem Adriatischen und dem Tyrrhenischen Meere. Bald geht es abwärts, neue Bilder entwickeln sich, bis sich endlich das wundervolle Panorama des ehemaligen Fueiner Sees, einer 700 Meter über dem Meere liegenden hollän¬ dischen Flachlandschaft, die von Bergen bis zu 2500 Meter Höhe rings um¬ geben ist, vor uns eröffnet. Die Fahrt, die nun bis Avezzcmo folgt, kann zu den prächtigsten Italiens gezählt werden. Von einer nähern Schilderung aber muß ich hier absehen, da diese Blätter im vorigen Jahres über den See berichtet haben. Auch die Schönheit des Liristhales, das wir von Avezzano aus besuchten, soll jetzt nicht von neuem gepriesen werden. Ich kann das, was Professor Schmidt den Lesern der Grenzboten über sie erzählt hat, bestätigen und muß meiner Verwunderung Ausdruck geben, daß dieses herrliche Thal von dem großen Strome der Jtalienfahrer bisher so arg vernachlässigt worden ist. Von Capistrello bis Sora welche Fülle von Abwechslung! Dann Isola, Arpino, Casamari — es ist unmöglich, dieser Orte zu gedenken, ohne die Wonnen leibhaftigen Schaums nochmals zu empfinden. Von hier ab wandten wir uns bekanntern Gegenden zu. Wer hat nicht von den Wasserfüllen in Tivoli, der Villa d'Este und dem einzigen Zauber des Albanergebirges gehört! Unauslöschlich prägt sich jedem Romfahrer der Linien- zug des Monte Cavo, der zweithöchsten Spitze in dieser vulkanischen Erhebung, ein, der einst das Heiligtum des Jupiter Latiaris trug, und der die Pseudo- triumphatoren bei sich begrüßte, denen der römische Senat nach erfolgreichem Feldzuge aus irgendwelchen Gründen den feierlichen Triumpheinzug in Rom selbst verweigert hatte. Hier auf diesem erinnerungs- und aussichtsreichen Berge einmal längere Zeit weilen zu können war lange ein stiller Wunsch meines Herzens gewesen. Es war das früher nicht ohne weiteres zu erreichen. Den Gipfel des Berges nahm ein Pasfionistenkloster ein, das zwar Unterkunft gewährte, jedoch nur vorübergehend und in recht dürftiger Art.**) In dem etwas unterhalb am Rande des Kraters sich auftürmenden Felsennest Noccci ti Papa aber war es seit alters nicht recht geheuer. Ein wildes Volk haust dort, vulkanischem Boden entsprossen, siedendes Blut in seinen Adern. In unzähligen Romanen und Novellen spielt es eine Rolle; noch Richard Voß bietet uns in seiner „Maria Botel" (bei Reclam erschienen) eine anschauliche und fesselnde Schilderung von diesen Menschen und der großen Schönheit des von ihnen bewohnten Stücks Erde. *) Frühlingstage am Garigliano, Von O, E, Schmidt (Grenzboten Ur, 32 bis 85), Seit kurzem haben die Passionistcn den Berg verlassen und haben sich in einem neuen prächtigern Gebäude bei Grottaferrata angesiedelt, Ihre alten Räumlichkeiten sind zu einem Kasthaus umgestaltet, worin man auch für längere Zeit Sommerfrische genießen kann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/128>, abgerufen am 15.01.2025.