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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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freiheit außerdem nicht nur für den Einzelnen, in Bezug auf sein Recht, sich
zu koalieren mit andern Individuen, sondern wir verlangen sie auch für die
Koalitionen untereinander. Wir verlangen deswegen die positive (!) Beseitigung
aller derjenigen einzelstaatlichen oder reichsgesetzlichen Hindernisse, die ein solches
Jiwerbiuduugtreten von Koalitionen zu was immer für Zwecken verbietet. Schlie߬
lich sind wir der Meinung, daß diese Verbände, die die Berufsgenossen im wirt¬
schaftlichen Leben aus was immer für Gründen, zu was immer für Zwecken
bilden wollen, ebensogut wie andre Vereinigungen im Deutschen Reiche das
Recht zuerkannt bekommen müssen, wenn sie die allgemeinen Bedingungen
der Reichsgesetzgebung erfüllen, auch von der Reichsgesetzgebung als Rechts¬
persönlichkeiten anerkannt zu werden. Das ist unsre alte Forderung der
Rechtspersönlichkeit für die sogenannten Berufsvercine."

Es ist in den Grenzboten (Heft 33 des Jahrgangs 1898) bei der Be¬
sprechung der' Verhandlungen des neunten Evangelisch-sozialen Kongresses
nachgewiesen worden, eine wie minimale praktische Bedeutung die Verleihung
der Rechtsfähigkeit an die sogenannten Bcrufsvereine für den Zweck der Ar¬
beiterkoalitionen hat. Hier ist diese Frage von Dr. Lieber ebenso mit den
Haaren hereingezogen worden, wie das halbe Schock Kompensationsfvrdernngen
in die preußische Mittellandkanalfrage. Was die Einräumung der schranken¬
losen Koalitions- und Vereinsfreiheit zu was immer für Zwecken als Voraus¬
setzung aller weitern Verhandlungen über die von den verbündeten Regierungen
für notwendig gehaltenen Machtmittel zur Aufrechterhaltung der öffentlichen
Ordnung betrifft, so liegt es auf der Hand, daß damit nichts weiter beabsichtigt
ist, als eine Verhinderung der Verständigung überhaupt, ein Offenhalten der
Lücke, eine Verschärfung der Verlegenheit -- bis der Ultramontanismus alle
seine eignen Forderungen durchgesetzt hat. Es ist lächerlich, den Regierungen
zuzumuten, die von Lieber geforderte Schrankenlosigkeit der Vercinsfreiheit zu¬
zugeben, ohne vorher für volle Sicherheit wegen der dadurch unerläßlich
werdenden starken Verschärfung des Aufsichts- und Strafrechts gesorgt zu
haben. Mau wird die Aufhebung des Verbi adungsverbots für Vereine, man
wird auch die Ausdehnung der Koalitionsfreiheit auf die Landwirtschaft in
Altpreußen zugeben können, wenn dem Staat die ausgiebige Macht zur Ver¬
hütung und zur Niederschlagung des Mißbrauchs dieser Freiheit eingeräumt
worden ist. Aber die verbündeten Regierungen müßten taub und blind sein,
wenn sie sich auch nur der leisesten Hoffnung hingeben wollten, diese Macht
von den im Zentrum organisierten Ultramontanen bewilligt zu erhalten, jetzt,
nachdem sich die "herrschende" Partei durch "einmütige Ablehnung der Kom¬
missionsberatung" an dieser widerlichen Entrüstungskomödie ausschlaggebend
beteiligt hat.

Die "Einmütigkeit" in diesem Fall ist wieder einmal ein deutlicher Be¬
weis für den Druck, den die internationale Koalition des Ultramontanismus


freiheit außerdem nicht nur für den Einzelnen, in Bezug auf sein Recht, sich
zu koalieren mit andern Individuen, sondern wir verlangen sie auch für die
Koalitionen untereinander. Wir verlangen deswegen die positive (!) Beseitigung
aller derjenigen einzelstaatlichen oder reichsgesetzlichen Hindernisse, die ein solches
Jiwerbiuduugtreten von Koalitionen zu was immer für Zwecken verbietet. Schlie߬
lich sind wir der Meinung, daß diese Verbände, die die Berufsgenossen im wirt¬
schaftlichen Leben aus was immer für Gründen, zu was immer für Zwecken
bilden wollen, ebensogut wie andre Vereinigungen im Deutschen Reiche das
Recht zuerkannt bekommen müssen, wenn sie die allgemeinen Bedingungen
der Reichsgesetzgebung erfüllen, auch von der Reichsgesetzgebung als Rechts¬
persönlichkeiten anerkannt zu werden. Das ist unsre alte Forderung der
Rechtspersönlichkeit für die sogenannten Berufsvercine."

Es ist in den Grenzboten (Heft 33 des Jahrgangs 1898) bei der Be¬
sprechung der' Verhandlungen des neunten Evangelisch-sozialen Kongresses
nachgewiesen worden, eine wie minimale praktische Bedeutung die Verleihung
der Rechtsfähigkeit an die sogenannten Bcrufsvereine für den Zweck der Ar¬
beiterkoalitionen hat. Hier ist diese Frage von Dr. Lieber ebenso mit den
Haaren hereingezogen worden, wie das halbe Schock Kompensationsfvrdernngen
in die preußische Mittellandkanalfrage. Was die Einräumung der schranken¬
losen Koalitions- und Vereinsfreiheit zu was immer für Zwecken als Voraus¬
setzung aller weitern Verhandlungen über die von den verbündeten Regierungen
für notwendig gehaltenen Machtmittel zur Aufrechterhaltung der öffentlichen
Ordnung betrifft, so liegt es auf der Hand, daß damit nichts weiter beabsichtigt
ist, als eine Verhinderung der Verständigung überhaupt, ein Offenhalten der
Lücke, eine Verschärfung der Verlegenheit — bis der Ultramontanismus alle
seine eignen Forderungen durchgesetzt hat. Es ist lächerlich, den Regierungen
zuzumuten, die von Lieber geforderte Schrankenlosigkeit der Vercinsfreiheit zu¬
zugeben, ohne vorher für volle Sicherheit wegen der dadurch unerläßlich
werdenden starken Verschärfung des Aufsichts- und Strafrechts gesorgt zu
haben. Mau wird die Aufhebung des Verbi adungsverbots für Vereine, man
wird auch die Ausdehnung der Koalitionsfreiheit auf die Landwirtschaft in
Altpreußen zugeben können, wenn dem Staat die ausgiebige Macht zur Ver¬
hütung und zur Niederschlagung des Mißbrauchs dieser Freiheit eingeräumt
worden ist. Aber die verbündeten Regierungen müßten taub und blind sein,
wenn sie sich auch nur der leisesten Hoffnung hingeben wollten, diese Macht
von den im Zentrum organisierten Ultramontanen bewilligt zu erhalten, jetzt,
nachdem sich die „herrschende" Partei durch „einmütige Ablehnung der Kom¬
missionsberatung" an dieser widerlichen Entrüstungskomödie ausschlaggebend
beteiligt hat.

Die „Einmütigkeit" in diesem Fall ist wieder einmal ein deutlicher Be¬
weis für den Druck, den die internationale Koalition des Ultramontanismus


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[0118] freiheit außerdem nicht nur für den Einzelnen, in Bezug auf sein Recht, sich zu koalieren mit andern Individuen, sondern wir verlangen sie auch für die Koalitionen untereinander. Wir verlangen deswegen die positive (!) Beseitigung aller derjenigen einzelstaatlichen oder reichsgesetzlichen Hindernisse, die ein solches Jiwerbiuduugtreten von Koalitionen zu was immer für Zwecken verbietet. Schlie߬ lich sind wir der Meinung, daß diese Verbände, die die Berufsgenossen im wirt¬ schaftlichen Leben aus was immer für Gründen, zu was immer für Zwecken bilden wollen, ebensogut wie andre Vereinigungen im Deutschen Reiche das Recht zuerkannt bekommen müssen, wenn sie die allgemeinen Bedingungen der Reichsgesetzgebung erfüllen, auch von der Reichsgesetzgebung als Rechts¬ persönlichkeiten anerkannt zu werden. Das ist unsre alte Forderung der Rechtspersönlichkeit für die sogenannten Berufsvercine." Es ist in den Grenzboten (Heft 33 des Jahrgangs 1898) bei der Be¬ sprechung der' Verhandlungen des neunten Evangelisch-sozialen Kongresses nachgewiesen worden, eine wie minimale praktische Bedeutung die Verleihung der Rechtsfähigkeit an die sogenannten Bcrufsvereine für den Zweck der Ar¬ beiterkoalitionen hat. Hier ist diese Frage von Dr. Lieber ebenso mit den Haaren hereingezogen worden, wie das halbe Schock Kompensationsfvrdernngen in die preußische Mittellandkanalfrage. Was die Einräumung der schranken¬ losen Koalitions- und Vereinsfreiheit zu was immer für Zwecken als Voraus¬ setzung aller weitern Verhandlungen über die von den verbündeten Regierungen für notwendig gehaltenen Machtmittel zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betrifft, so liegt es auf der Hand, daß damit nichts weiter beabsichtigt ist, als eine Verhinderung der Verständigung überhaupt, ein Offenhalten der Lücke, eine Verschärfung der Verlegenheit — bis der Ultramontanismus alle seine eignen Forderungen durchgesetzt hat. Es ist lächerlich, den Regierungen zuzumuten, die von Lieber geforderte Schrankenlosigkeit der Vercinsfreiheit zu¬ zugeben, ohne vorher für volle Sicherheit wegen der dadurch unerläßlich werdenden starken Verschärfung des Aufsichts- und Strafrechts gesorgt zu haben. Mau wird die Aufhebung des Verbi adungsverbots für Vereine, man wird auch die Ausdehnung der Koalitionsfreiheit auf die Landwirtschaft in Altpreußen zugeben können, wenn dem Staat die ausgiebige Macht zur Ver¬ hütung und zur Niederschlagung des Mißbrauchs dieser Freiheit eingeräumt worden ist. Aber die verbündeten Regierungen müßten taub und blind sein, wenn sie sich auch nur der leisesten Hoffnung hingeben wollten, diese Macht von den im Zentrum organisierten Ultramontanen bewilligt zu erhalten, jetzt, nachdem sich die „herrschende" Partei durch „einmütige Ablehnung der Kom¬ missionsberatung" an dieser widerlichen Entrüstungskomödie ausschlaggebend beteiligt hat. Die „Einmütigkeit" in diesem Fall ist wieder einmal ein deutlicher Be¬ weis für den Druck, den die internationale Koalition des Ultramontanismus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/118>, abgerufen am 15.01.2025.